Rede von Gyde Jensen in 78. Sitzung
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Gyde“ ist übrigens ein dänischer Name und heißt „die Gute“. Was machen Sie jetzt damit?
Heiterkeit und Beifall der Abg. Sylvia Lehmann [SPD] und Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]
Beifall des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]
Integriert!
Der Name sagt ja dann alles!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Einsatzkräfte, das sind Berufshelden. Für Kinder sind Feuerwehrleute riesige Vorbilder, und viele haben den Berufswunsch Feuerwehrmann/-frau. Polizistinnen und Polizisten sind Repräsentanten des staatlichen Gewaltmonopols; in Einsätzen stellen sie sich hochkomplexe abwägende moralische Fragen von Verhältnismäßigkeit. Rettungssanitäter versorgen alle in Deutschland, denen es nicht gut geht, deren Gesundheit, deren Leben in Gefahr ist. Das alles machen Einsatzkräfte, auch wenn sie sich selbst dabei in Gefahr bringen, wenn sie bespuckt werden, wenn sie körperlich angegangen werden.
Meine Damen und Herren, die Angehörigen dieser Berufsgruppe sind natürlich nicht nur Vertreterinnen und Vertreter unseres Staates und unseres Gemeinwesens, sie sind auch Repräsentantinnen und Repräsentanten elementarer Werte, die wir hier in dieser Gesellschaft teilen. Deshalb hat ein Angriff auf sie auch eine ganz, ganz andere Dimension, als wir das hier an einigen Stellen gehört haben. Die Angriffe, die wir bei den Silvesterausschreitungen gesehen haben, machen mich nicht nur als Politikerin, sondern auch als Bürgerin tief betroffen und finde ich unerträglich. Angriffe auf Einsatzkräfte sind Angriffe auf unseren Rechtsstaat. Deshalb muss unser Rechtsstaat auch mit aller Konsequenz darauf antworten; das ist zwingend notwendig.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Menschen in Kreuzberg und in Neukölln sind ganz genauso auf diesen Rechtsstaat angewiesen und müssen sich auf ihn verlassen können wie Menschen in Charlottenburg, in Kiel oder in Nordfriesland. Sie haben das gleiche Recht darauf, dass die Polizei sie schützt. Sie haben das gleiche Recht darauf, dass Rettungsdienste ihnen im Notfall helfen. Deshalb muss der Rechtsstaat hier konsequent durchgreifen.
Weil sich die Angriffe auf Einsatzkräfte aber in einen erkennbaren Trend einreihen – denken wir zum Beispiel an die zunehmenden Angriffe auf kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger –, berühren sie eigentlich etwas Tieferes – auch das möchte in dieser Debatte ansprechen –: Sie berühren die Werte und die Normen in unserer Gesellschaft; sie berühren die demokratische Kultur, die wir pflegen.
Deshalb müssen wir uns in dieser Debatte auch ganz sorgfältig um die Vielschichtigkeit bemühen. Das ist, finde ich, in den Tagen rund um die Silvesternacht gar nicht gelungen. Wir verpassen es eigentlich immer, eine Debatte so differenziert wie möglich zu führen. Das geschieht beispielsweise, wenn – auch das wurde hier in der Debatte schon angesprochen – die Union im Berliner Abgeordnetenhaus die Vornamen der festgenommenen deutschen Staatsbürgerinnen und ‑bürger abfragt und damit die öffentliche Debatte von Anfang an komplett vergiftet, aber auch, wenn insinuiert wird, dass man mit einem Böllerverbot solche Vorkommnisse möglicherweise hätte verhindern können, und man somit das Problem vereinfacht und die Vielschichtigkeit, die ich mir in dieser Debatte wünschen würde, von Anfang an abbügelt. Es ist absolut nicht hilfreich, die Debatte auf diese Art und Weise anzugehen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Art, wie wir diese Diskussion führen, wie wir nach Lösungen suchen, um auch schmerzliche Punkte in dieser Gesellschaft offenzulegen, wie wir als Politikerinnen und Politiker über und mit Menschen in diesem Land sprechen, ist ja eine Kultur, die wir hier leben müssen. Wir tragen in diesem Haus als Abgeordnete des Deutschen Bundestages eine große Verantwortung. Diese Kultur fällt nicht vom Himmel, die muss man kultivieren, die muss man pflegen, für die muss man werben.
Ich möchte eine Sache sagen, die mir ganz wichtig ist: Kein Kind wird mit einer Kultur geboren. Genau das ist diese rassistische Zuschreibung, die wir hier in den Debatten gehört haben.
Es ist in eine Kultur hineingeboren! Es ist doch Quatsch, das zu bestreiten!)
Junge Menschen werden in Kulturen, in Gesellschaften sozialisiert; das ist richtig. In diesen Gesellschaften, da gelten Werte und Normen. Hier bei uns gilt die deutsche Verfassung, das Grundgesetz.
Aber nicht in allen Haushalten!
Und die deutsche Verhaltenskultur!)
Wenn wir bemerken, dass bestimmte Werte und Normen in bestimmten Communitys oder Gruppen abgelehnt werden, dann müssen wir da gegensteuern.
Ach!)
Ja, Kultur wird zu Hause vermittelt, aber auch im Freundeskreis, im Familienkreis, im Sportverein – ich bin Dorfkind –, bei der THW-Jugend, in der Landjugend. Wir müssen die Türen für diese Teilhabe sperrangelweit aufmachen, damit solche Prozesse zukünftig einfach nicht mehr passieren können. Deswegen hat ja heute auch nicht nur der Bundesjustizminister, sondern auch die Bundesfamilienministerin gesprochen.
Das hätte sie besser sein gelassen!)
Das zeigt ja die Antwort, die diese Koalition auf diese riesige Herausforderung zu geben versucht.
Meine Damen und Herren, ein Letztes: Wissen um unsere Demokratie,
Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
um unsere Gesellschaft wird maßgeblich auch in der Schule vermittelt. Deswegen ist uns Freien Demokraten, ist dieser Koalition auch das Startchancen-Programm so wichtig.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Wir wollen die besten Schulen genau dort, wo die größten Herausforderungen sind. Ich freue mich, dass wir gleich in der nächsten Debatte auch noch näher über Bildung sprechen. Das ist unserer Bundesbildungsministerin enorm wichtig.
Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Jensen.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Wir wollen, dass alle Menschen, alle Kinder ihre Träume in diesem Land verwirklichen können, und stehen an ihrer Seite mit dem Aufstiegs- und Teilhabeversprechen. Wir werden das mit Leben füllen.
Herzlichen Dank.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die letzte Rednerin in der Aktuellen Stunde ist für die SPD-Fraktion die Kollegin Jasmina Hostert.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)