Liebe Frau Präsidentin! Canan, am Anfang ausgesprochen mit „dsch“, heißt mein Name. Die CDU interessiert sich ja für Vornamen. „Canan“ bedeutet so viel wie „Liebling“, und Sie dürfen mich auch weiterhin alle „Liebling“ nennen. Aber klar ist: Ich bin nicht hier, um jedermanns Liebling und Everybody’s Darling zu werden. Damit will ich, meine Damen und Herren, zu Baris Coban kommen. Das ist der Name eines Feuerwehrmanns, der in Neukölln in der Silvesternacht im Einsatz war. Baris hatte sich für den Silvesterabend vorgenommen, anderen zu helfen, statt mit seiner Familie Silvester zu feiern. Er wollte helfen und ist in einen Hinterhalt gelockt worden – das muss deutlich gesagt werden –: Auf der Sonnenallee lagen brennende Barrikaden. Gemeinsam mit seinen Kollegen wollte Baris das Feuer löschen; aber er wurde von einer Gruppe von Jugendlichen angegriffen, teilweise mit Schreckschusspistolen. Deswegen, meine Damen und Herren, müssen Sie mit mir nicht darüber diskutieren, dass wir die Dinge so betrachten müssen, wie sie sind, um sie lösen zu wollen. Das ist für mich keine Frage, meine Damen und Herren. Diesen Einsatz wird Baris nicht so schnell vergessen. Er und seine Kollegen mussten ins Einsatzfahrzeug flüchten; den Brand konnten sie nicht löschen. Stellen Sie sich vor, wie er sich nach diesem Einsatz gefühlt haben muss! Und als wäre das nicht schon schlimm genug, muss er sich eine Woche später von Ihrem Fraktions- und Parteivorsitzenden, von Friedrich Merz, im Fernsehen anhören, dass das Problem der Silvesternacht „kleine Paschas“ waren. Carlo Masala hat dies in einer späteren Ausgabe von „Markus Lanz“ so beschrieben, dass es ein Spucken ins Gesicht aller Menschen mit Migrationshintergrund ist, und er hat gesagt, dass seine Eltern Gastarbeiter waren, so wie auch meine Eltern Gastarbeiter waren. Ich kann Herrn Merz, der der Runde hier nicht mehr beiwohnt, weil er bestimmt einen ganz wichtigen anderen Termin hat, sagen: Auch für mich persönlich ist es fürchterlich; denn Brilon, der Ort aus dem Wahlkreis von Herrn Merz, ist der Ort in Deutschland, in dem meine Mutter zuerst angekommen ist. Sie hat uns diesen Ort immer als sehr schön beschrieben. So wie mein Vorredner kann auch ich sagen: Es gibt sehr viele Menschen, gerade aus der Gastarbeitergeneration, die Geflüchteten, all die Menschen, die von der AfD ständig beschimpft werden, denen mit solchen Aussagen wie auch mit der von Herrn Spahn in Gesicht gespuckt wird. Dagegen wehren wir uns, meine Damen und Herren. Ich will Ihnen auch verraten, was der Name „Baris“ heißt. „Baris“ bedeutet „Frieden“, und das scheint die Triebfeder gewesen zu sein. Denken Sie vielleicht das nächste Mal an Baris Coban, bevor Sie sich äußern, meine Damen und Herren von der Union! Wir beobachten hier eine Instrumentalisierung der Debatte. Sie versuchen, mit Rassismus und Ausgrenzung Wahlkampf hier in Berlin zu machen, statt an einer Lösung zu arbeiten. Fakt ist doch, dass sich inzwischen herausgestellt hat, dass die meisten Gewaltvorfälle gar nicht in Neukölln, sondern in Mitte waren, genauso wie es solche Vorfälle schon immer und überall gegeben hat, wo junge Männer sich ausgegrenzt fühlen. Das kann doch kein Argument sein, gegen diese jungen Männer zu sein, meine Damen und Herren. Vielmehr sollten wir doch den Respekt, den wir von diesen jungen Männern verlangen, ihnen in dieser Debatte auch vorleben, meine sehr geehrten Herren aus den konservativen Parteien. Das sollten Sie sich vielleicht auch mal vornehmen und im Spiegel üben. – Sehr gut. Dabei sollten wir – das ist doch Ihr und auch unser Anspruch hier im Deutschen Bundestag – gemeinsam an den Lösungen arbeiten, mit denen wir solche Taten in Zukunft verhindern können. Da hilft es nicht, Strafrechtsverschärfungen zu versprechen. Denn die letzten Strafrechtsverschärfungen sind ja im Jahre 2017 umgesetzt worden, und sie haben nicht dazu geführt, dass wir uns nicht wieder damit beschäftigen müssen, meine Damen und Herren. Klar ist doch – es steht im Strafgesetzbuch –: Es gibt kein Recht darauf, Feuerwehrleute oder Polizisten mit Feuerwerkskörpern zu beschmeißen. – Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Deswegen: Lassen Sie uns gemeinsam an dem Respekt gegenüber den jungen Leuten arbeiten. Meine ganz persönliche Empfehlung an den Herrn Friedrich Merz: Bitte nehmen Sie Abstand davon, sich Hundekrawatten zu kaufen und sich dann hier in die erste Reihe zu setzen. Vielen Dank.