Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Spätfolgen der Pandemie, russischer Überfall auf die Ukraine, Krieg in Europa, Zeitenwende, Energiekrise, Inflation, unterbrochene Lieferketten, 100 Milliarden Euro Sonderschulden fürs Militär und 200 Milliarden Euro Sonderschulden für den wirtschaftlichen Abwehrschirm: Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Land ist ein anderes als im Juli letzten Jahres. Die deutsche Wirtschaft ist eine andere als im Juli letzten Jahres. Deshalb brauchen wir jetzt auch eine andere Politik als im Juli letzten Jahres. Der Sturm des russischen Angriffskriegs mit seinen Folgen hat viel zu viele Betriebe in Deutschland an den Rand des Abgrundes geblasen. Wir dürfen als Deutscher Bundestag, als Politik nun nicht das Lüftchen sein, das diese Unternehmen noch über die Klippe gehen lässt. Das bedeutet: Keine zusätzlichen Belastungen für unsere Wirtschaft! Das haben auch Sie versprochen. Sie haben ein Belastungsmoratorium versprochen und im September beschlossen. Der geschätzte Kollege Cronenberg – der mir noch ein Bier schuldet, weil ich ihn schon das letzte Mal erwähnt und zitiert hatte – sagte dazu: „Für die FDP ist klar, dass auch das Lieferkettengesetz vom Belastungsmoratorium erfasst ist.“ Meine sehr geehrten Damen und Herren, er hat ja recht. Wir haben zwar in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPD einen breiten Dialog mit Experten geführt und am Ende einen guten Kompromiss gefunden und ein gutes Gesetz beschlossen. Aber in dieser Situation, in der wir jetzt sind, unsere Unternehmen jetzt sind, ist diese Regelung einfach nicht mehr angebracht. So eine Regelung ist jetzt nicht mehr vermittelbar und muss deswegen für zwei Jahre ausgesetzt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Im Ausschuss wurde gestern klar, dass die FDP sich hier nicht durchsetzen konnte. Auch bei der Umsetzung gibt es Probleme. 437 mögliche Antworten beim Fragebogen, das klingt jedenfalls nicht nach Belastungsmoratorium. Aber der eigentliche Hammer kommt ja erst aus Brüssel. In Brüssel hat die deutsche Bundesregierung am 1. Dezember ihre Zustimmung für eine weiter gehende europäische Regelung gegeben. Und jetzt bitte gut zuhören: In Europa setzt sich diese Bundesregierung für eine zivilrechtliche Haftungsklausel ein – mit aller Rechtsunsicherheit, die damit einhergeht – und für die Ausweitung der Regelung auf Betriebe mit 500 Mitarbeitern, teilweise sogar nur 250 Mitarbeitern. Dadurch werden viel mehr Unternehmen erfasst werden. Und anstatt nur Verantwortung für seinen eigenen Vertragspartner übernehmen zu müssen, soll die ganze Lieferkette relevant werden. Das ist faktisch unmöglich, aber trotzdem soll das so passieren. Diese Bundesregierung versucht also, den Murks, den wir der SPD in der letzten Koalition abverhandelt hatten, über eine Hintertür, über Brüssel, wieder in dieses Gesetz reinzubekommen – und die FDP macht mit. Unsere Betriebe und die dort beschäftigten Mitarbeiter, meine sehr geehrten Damen und Herren, bräuchten nun einen Minister, der anders handelt, einen Minister, der nach Brüssel fährt, endlich mal auf den Tisch haut und sagt: Es reicht mit mehr Regulierung, mehr Bürokratie und immer mehr Belastung für unsere Unternehmen und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Stattdessen treiben Sie das in Brüssel und auch hier in Deutschland mit Beschlüssen zur Erhöhung des Mindestlohns selbst noch mit voran. Sie verhindern zum Beispiel die Digitalisierung von Prozessen, Sie verschlafen die Flexibilisierung der Arbeitszeiten und vieles, vieles mehr, während Sie die Unternehmen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Land immer mehr mit Ihren Regelungen belasten. Anders als diese geplante EU-Richtlinie war das Lieferkettengesetz ein gutes Gesetz. Es war seinerzeit einfach das Richtige, passt aber jetzt nicht mehr in die Situation und nicht mehr in die Zeit. Die Kollegen Gröhe, Stracke, Stefinger und viele andere haben ein gutes Gesetz verhandelt, aber eben für eine andere Zeit, nämlich für den Juli letzten Jahres und nicht für den Herbst und den Winter 2022. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir auch in Zukunft Gutes für diese Welt tun wollen, wenn wir Standards setzen wollen und wenn wir Menschenrechte in der Welt durchsetzen wollen, müssen wir stark sein, muss auch unsere Wirtschaft stark sein. Deswegen heißt es in einer Ausnahmesituation wie dieser, dass man eben auch einmal die deutschen Interessen und auch die deutsche Wirtschaft voranstellen muss.