Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Von allen Verfassungsorganen der Bundesrepublik Deutschland ist der Bundestag das einzige direkt vom Volk gewählte. Man vergisst es so leicht im Alltagsgeschäft: Wir vertreten hier das Volk. Ich finde, dass das auch in der Architektur des Gebäudes sehr gut zum Ausdruck kommt: Wir als Vertreter sitzen hier unten im Plenarsaal, über uns in der Kuppel die sogenannten Besucher des Bundestages, die ja eigentlich aus der Mitte des Volkes sind – über uns. Es sagt sich immer so leicht und klingt vielleicht auch ein bisschen wie eine Phrase: Wir dienen diesem Land. Das vergisst man gern; aber man sollte immer daran denken. Deswegen müssen wir den Menschen auch besser erklären, wie unsere Arbeit und unsere Arbeitsweise vonstattengehen. Darum bemühen wir uns mit einem Teil des heutigen Antrages, den wir Ihnen als Koalition vorlegen, meine Damen und Herren. Wir wollen einen tieferen Einblick in den Maschinenraum der Demokratie, in den Motorraum des Parlaments erlauben, und das ist die Echtzeitübertragung jedenfalls aus einem Teil – damit wollen wir beginnen – der Ausschüsse des Deutschen Bundestages. Die Menschen sehen ja in den Fernsehnachrichten immer nur dieses Plenum und denken: „Das ist doch der Bundestag“, und sehen dann die, na ja, manchmal gar nicht so gut gefüllten Reihen, und man denkt sich: Wo sind denn die Abgeordneten? Sind die denn nicht bei der Arbeit? Aber das ist ja nicht unser einziger Arbeitsplatz, sondern die Arbeit des Abgeordneten findet auch in einer ganzen Reihe anderer Formate und eben auch Räumlichkeiten statt: in den Ausschüssen, in Berichterstattergesprächen, in öffentlichen Anhörungen, in Presseterminen, in Expertengesprächen, in Kommissionen, Arbeitskreisen, Parlamentariergruppen und anderem mehr. Einen Teil davon wollen wir jetzt besser sichtbar und erlebbar machen; denn die Menschen müssen besser verstehen können, auch sehen können und ein Stück weit miterleben können, was wir tun. Das schafft Vertrauen, und auf dieses Vertrauen sind wir angewiesen. Deswegen wollen wir die Ausschussarbeit besser verstehbar und erlebbar machen, meine Damen und Herren. Nun haben wir erlebt, Herr Kollege Schnieder, dass da Ängste bestehen, ob nicht die Ausschusskultur verloren geht: das Diskutieren auch mal ins Unreine hinein, die Möglichkeit, ein Argument auszuprobieren, ins Blaue hinein zu sprechen. Aber wenn wir ehrlich sind: Na ja, Ausschüsse sind auch kein Ort der vertraulichen, diskreten, geheimen Beratungen. Es sind keine vertraulichen Runden. Dafür sind auch viel zu viele Leute da. Aber sie sind auch mehr als nur ein Miniplenum. Sie sind fachlicher, vertiefen einzelne Gesichtspunkte stärker, als es im Plenum möglich wäre, sind aber vermutlich auch weniger als ein wissenschaftlicher Kongress. Dafür gibt es einfach zu viele Themen und zu wenig Zeit. Aber sie zeigen schon viel deutlicher, wie Gesetze entstehen, wie Argumente auch abgewogen werden, wie Expertenbefragungen stattfinden und deren Ergebnisse abgewogen werden. Deswegen ist es schon eine Möglichkeit, besser darzustellen, wie das Parlament arbeitet. Deswegen finde ich es schade und eigentlich auch nicht gerecht, diesen Reformschritt als Reförmchen abzutun und auch ein bisschen zu diffamieren. Die Echtzeitübertragung wird schon einen tieferen Blick in die Arbeitsweise des Parlaments gewähren. Ich bin mir auch sicher, dass die Ausschüsse, die als Erste beschließen werden, dass sie ihre Sitzungen in Echtzeit übertragen, einen Bedeutungsgewinn erleben werden. Es wird sicherlich nicht weniger Erkenntnisse geben. Ich habe bei mir selbst auch schon beobachtet, dass ich mich in Sitzungen, die öffentlich übertragen werden, überhaupt nicht anders verhalte als in Sitzungen, die nicht übertragen werden. Deswegen glaube ich auch: Es wird keine schlechteren Diskussionen geben, sondern eher bessere, meine Damen und Herren. Ich greife einen zweiten Punkt heraus, das Thema Regierungsbefragungen. Eigentlich sind die Regierungsbefragungen ein sehr interaktives Element, eigentlich viel interaktiver, als die Debatten hier sind, wo oft vorbereitete Reden vorgetragen werden. Deswegen wollen wir dieses Element auch stärken. Sie haben es gesagt: von 60 auf 90 Minuten verlängern, statt einem Minister zwei Minister oder Ministerinnen. Das ist meines Erachtens sowohl eine Aufwertung des Parlaments wie auch der Minister. Nun gab es vor einer guten Woche in der Presse einen interessanten Gastbeitrag des Kollegen Thorsten Frei von der Union, im dem es darum ging, die Kanzlerbefragungen häufiger zu machen, und zwar eine Art Prime Minister’s Question Time wie im britischen Unterhaus einzuführen. Aber ich glaube, dass die Dramaturgie des Bundestages eine andere ist. Wir haben ja Kanzlerbefragungen. Aber schon die räumliche Anordnung des Plenums – ausgerichtet auf das Rednerpult – ist eben eine andere als im Westminster-System, wo sich Opposition und Regierung auf engem Raum gegenübersitzen. Von daher glaube ich, was auch das Ressortprinzip, das bei uns ja gilt – Artikel 65 Grundgesetz –, deutlich macht: Die Minister führen schon ihre Ressorts in eigener Verantwortung, und die wollen wir hervorkehren. Das bringt unser Antrag, wie ich meine, deutlich heraus. Deswegen ist das eine echte Modernisierung, ein erster Schritt. Weitere werden folgen, und auf die Beratungen dazu freue ich mich schon sehr. Vielen Dank.