Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es scheint schon paradox, dass ich als Kinderarzt hier im Bundestag stehe und darüber spreche, dass Kinderärztinnen und Kinderärzte und Kinderkrankenpflegekräfte in unseren Kliniken fehlen. Wenn ich mir aber anschaue, wie wenig Gehör diese Berufsgruppen in den letzten Jahren hier in diesem Haus gefunden haben, muss ich feststellen: Offenbar fehlt es an Kinderärztinnen und Kinderärzten nicht nur auf Station, sondern auch hier im Bundestag. Sonst würde eine Infektionswelle nicht jedes Mal wieder das gesamte System an den Rand des Zusammenbruchs bringen. Natürlich ist es dieses Jahr besonders dramatisch; aber Fakt ist, dass Kinderkliniken und auch die niedergelassenen Kinderärztinnen und Kinderärzte jeden Winter aufs Neue an und über ihre Belastungsgrenzen kommen. Die Frustration darüber ist in dem gesamten Gesundheitssektor sehr hoch, und zwar auf allen Ebenen. Das habe ich vor meinem Einzug in den Bundestag auch schon persönlich gespiegelt bekommen und vernehme es auch aktuell noch von Kliniken, von Ärztinnen und Ärzten und von Pflegekräften. Wir haben es in Deutschland geschafft, wunderschöne Berufe im Gesundheitssystem zu extrem anstrengenden Berufen werden zu lassen. Zum Beispiel war ich vor Kurzem bei einer Veranstaltung des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Bayern. Was mir dort die knapp 100 aufgebrachten Kinderärztinnen und ‑ärzte alles an Kritik entgegengebracht haben, kann ich in der Kürze der Zeit hier gar nicht vortragen. Aber ich würde mir schon wünschen, dass gerade Sie von der Union sich das auch einmal anhören würden und mitbekommen würden, wie dort über die letzten 16 Jahre gesprochen wird; denn Sie haben es vielfach nicht geschafft, Reformen anzugehen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir jetzt alle gemeinsam diesen Vertrauensverlust wiedergutmachen müssen. Nachdem wir in den letzten Jahren eher kosmetische Veränderungen vorgenommen haben, ist es endlich Zeit, das System grundsätzlich zu ändern; denn so kann es nicht weitergehen. Mit den in der letzten Woche vorgestellten Vorschlägen für eine Krankenhausreform sind wir erste Schritte gegangen. Natürlich gibt es vor jeder großen Reform Bedenken und Kritik; aber ich möchte Ihnen sagen: Ich bin tief davon überzeugt, dass wir mit dieser Reform genau die richtigen Schritte gehen. Wir müssen weg von einer rein leistungsabhängigen Vergütung. Gesundheitsversorgung ist Teil der Daseinsvorsorge; da müssen wir auch die Vorhaltekosten mitfinanzieren. Das ist insbesondere in der Kinder- und Jugendmedizin so, wo wir besonders viel Personal und Zeit für die kleinen Patientinnen und Patienten brauchen. Es ist aber auch klar, dass wir nicht von heute auf morgen Dinge korrigieren können, die jahrelang falsch gemacht wurden. Deswegen haben wir vor rund zwei Wochen auch kurzfristige Übergangshilfen beschlossen und werden unter anderem die Kinderkliniken in den nächsten beiden Jahren mit 600 Millionen Euro zusätzlich finanzieren. Außerdem – wir haben gerade gehört, was der Minister angekündigt hat – werden wir auch den niedergelassenen Kinderärztinnen und Kinderärzten entgegenkommen und dort die Budgetgrenzen auflösen. Leider ist es aber auch klar, dass auch diese Maßnahme nicht schon morgen für mehr freie Betten in den Kinderstationen sorgen wird; so schnell geht das nicht. Deswegen ist es weiterhin wichtig, Infektionsketten zu unterbrechen. Als vor zwei Jahren die Erwachsenenstationen voll waren, haben wir weitreichende Maßnahmen ergriffen, teilweise auch unnötige Maßnahmen, sogar Spielplätze geschlossen. Jetzt sind die Kinderkliniken voll, und für manche ist es zu viel, selbst im ÖPNV, wo sie auf fremde Menschen treffen, eine Maske zu tragen. Das finde ich unsolidarisch. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gesundheitssystem braucht dringend Reformen, und wir gehen diese an. Lassen Sie mich zum Schluss aber noch eine weitere Sache sagen: Kein Gesundheitssystem der Welt, und sei es noch so gut, kann mit den Gesundheitsgefahren einer eskalierenden Klimakrise umgehen. Deswegen ist Klimaschutz auch vorausschauende Gesundheitspolitik. Vielen Dank.