Wenn Sie es mit mehr Verbrauchertransparenz wirklich ehrlich meinen, dann beziehen Sie auch ausländische Produkte zu gleichen Bedingungen in die verbindliche Haltungskennzeichnung ein. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verbraucherinnen und Verbraucher sollen zukünftig auf einen Blick erkennen, wie ein Tier in landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland gehalten wird. Das ist das, was Sie, sehr geehrter Herr Minister, mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz erreichen wollen. Das begrüßen wir als Union. Wie so oft in Ihrer Regierung ist das Gesetz aber handwerklich schlecht gemacht. Denn mit dem vorliegenden Entwurf erreichen Sie genau das Gegenteil. Sie kennzeichnen mit den vorgesehenen fünf Haltungsstufen ausschließlich die Schweinemast. Wenn sich eine Familie zu Weihnachten einen guten Schweinebraten gönnen will, weiß sie zwar zukünftig beim Kauf, unter welchen Bedingungen das Schwein gemästet wurde, sie weiß aber nicht, unter welchen Umständen das Ferkel geboren und wo es aufgezogen wurde. Wurde es vielleicht im Ausland betäubungslos kastriert und anschließend importiert? Hat das Schwein nach der Mast bei Transport und Schlachtung womöglich unnötig gelitten? Fragen über Fragen, die weiter offenbleiben – so viel zur Transparenz und Ehrlichkeit der Grünen. Und die Liste lässt sich noch weiter fortsetzen. Die Kennzeichnung ist nur für frisches Schweinefleisch vorgesehen. Bei der von Ihnen geplanten Regelung würden Sie also maximal 25 Prozent des Schweinefleisches kennzeichnen. Es fehlen verarbeitete Waren. Es fehlen die Vertriebswege der Gastronomie und der Außer-Haus-Verpflegung. Es fehlen die anderen Tierarten. Ihr Stückwerk, Herr Minister, verspielt das Vertrauen unserer Verbraucher. Auch die von Ihnen vorgesehene eigene Stufe „Bio“ innerhalb der Logik einer Tierhaltungskennzeichnung schafft Verwirrung. Gerade die Einordnung der ökologisch erzeugten tierischen Lebensmittel in die oberste Stufe suggeriert, dass es sich dabei um die beste Haltungsstufe handelt. Für die Stufe „Bio“ gelten aber – anders als für die anderen vier Haltungsstufen – nicht die Vorgaben des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes, sondern die der EU-Öko-Verordnung, und die stellen nicht unbedingt die höchsten Haltungsvorgaben für Tiere dar. Bereits jetzt gehen einige privatwirtschaftliche Kennzeichnungssysteme vom Umfang her über das von Ihnen geplante Siegel deutlich hinaus. So sind dort unter anderem auch andere Tierarten und die Finanzierung schon inbegriffen. Ein gutes Beispiel ist die hier bereits erwähnte Initiative Tierwohl. Schauen wir auf die im Handel bereits breit etablierte Kennzeichnung mit den Haltungsstufen 1 bis 4. Diese ist bei der Verbraucherschaft schon hinreichend bekannt und akzeptiert. Wenn das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz so in Kraft tritt, wie es hier vorliegt, wird die Kennzeichnung dieses freiwilligen Programms für frisches Schweinefleisch in der aktuellen Form oder überhaupt nicht mehr möglich sein. Das heißt, das bisherige vierstufige System wird nicht weiter verwendet werden können. In der Folge werden die Leistungen der privatwirtschaftlichen Programme wegbrechen. Das Tierwohlniveau in Deutschland wird dramatisch sinken, und ein Großteil der Tierhaltung wird ins Ausland verlagert. Das kann nicht Ziel und Zweck Ihres Vorhabens sein! – Nein, sicherlich nicht, Frau Künast. Dafür sind Sie verantwortlich. Denn sonst ist das geradezu eine Einladung zur Verbrauchertäuschung. Das Gesetz enthält nämlich keine Regelung, die unsere Behörden ermächtigt, die Einhaltung der jeweiligen Haltungsanforderungen freiwillig teilnehmender ausländischer Betriebe unmittelbar zu überprüfen, geschweige denn, diese vor Ort kontrollieren zu können, liebe Damen und Herren. Das führt für mich zum nächsten Aspekt. Die Tierhaltungskennzeichnung muss mit einer Herkunftskennzeichnung einhergehen. Denn nur dann weiß ich als Konsumentin verlässlich, ob ich die beste und lückenlos kontrollierte Qualität aus Deutschland auf den Teller bekomme. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen fünfmal Deutschland – von der Geburt bis zur Verarbeitung. Sie wollen überall eine umfassende Tierhaltungs- und Herkunftskennzeichnung: in der Gastronomie und in der Außer-Haus-Verpflegung. Sehr geehrter Minister, zwischen der Ankündigung Ihrer Vorhaben und deren Umsetzung vergeht sehr viel Zeit – zu viel Zeit. Seit der Vorstellung Ihrer Eckpunkte zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sind sage und schreibe sechs Monate vergangen. Sechs Monate, in denen Sie auf die zahlreiche Kritik der beteiligten Player hätten eingehen können. Ich verstehe, Sie wollen in die Veränderung einsteigen. Aber dass der Gesetzentwurf in der Verbandsanhörung durch die Bank verrissen wurde – das ging von den Landwirten über die Schlachtunternehmen bis hin zu den Tierschutzorganisationen – und nunmehr auch im Agrarausschuss des Bundesrates abgelehnt worden ist, können Sie doch nicht einfach ignorieren. Nur mit allen Beteiligten ist die Veränderung möglich und nicht gegen sie. Lassen Sie unsere Landwirte nicht weiter in Ungewissheit und mit Zukunftssorgen auf der Wartebank sitzen! Wir alle wollen den Umbau der Tierhaltung. Dazu braucht es aber nicht nur ein vollständiges Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, das alle Wertschöpfungsstufen, alle Tierarten und alle Vertriebskanäle umfasst, sondern zeitgleich auch eine Änderung des Bau- und Immissionsschutzrechtes und insbesondere eine langfristige, planbare und auskömmliche Finanzierung. Nur mit einem guten Gesamtkonzept wird der Weg zu mehr Tierwohl gelingen. Vielen Dank.