Sehr geehrte Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, Sie haben den Vernichtungskrieg Putins gegen die Zivilbevölkerung in der Ukraine angesprochen. Sie haben noch einmal deutlich bekräftigt, dass Sie an der Seite der Ukraine stehen. Wir unterstützen Sie bei diesem Anliegen ausdrücklich, immer und immer wieder. Aber was Sie heute erneut nicht gesagt haben, und das muss das Leitmotiv all unserer Handlungen sein: Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen! Was ist so schwer daran? Sie haben darüber gesprochen, dass Sie Europa zusammenhalten wollen. In Ihrer ersten Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, haben Sie gesagt, dass Sie in Europa Brücken bauen wollen. Die Bilanz allerdings im ersten Jahr Ihrer Regierung ist doch eher, dass Sie Deutschland in Europa zunehmend isoliert haben. Es ist Ihre Verteidigungsministerin, die Polen vor den Kopf gestoßen hat, weil sie Patriot-Vereinbarungen nicht geheim halten konnte. Es ist Ihr Wirtschaftsminister, der Schweden vor den Kopf gestoßen hat, weil er aus ideologischen Gründen die Kernenergieversorgung Schwedens gefährdet. Sie selber liegen mit dem französischen Präsidenten im Streit. Herr Bundeskanzler, der deutsch-französische Motor in Europa, er stottert. Sie bauen keine Brücken, Sie reißen sie ein. Das ist die Wahrheit in Europa. Sie haben hier heute intensiv über Ihre Neuausrichtung der Verteidigungspolitik gesprochen. Sie haben in Ihrer Zeitenwende-Rede ja auch von einer Aufrüstungsoffensive gesprochen und diese versprochen. Aber wie schaut denn die Bilanz am Ende dieses Jahres aus? 2 Prozent für die Verteidigung: Sie halten sie nicht ein. 10 Milliarden Euro für die Munitionsbeschaffung: Sie halten sie nicht ein. 100 Milliarden Euro Sondervermögen ausgeben für Beschaffung: Sie halten es nicht ein. Ihre Verteidigungsministerin organisiert anstatt der Zeitenwende die Zeitverschwendung. Das hat mit Fortschritt nichts zu tun. Sie haben auch von der Energiesicherheit gesprochen. In Ihrer Rede hier im Deutschen Bundestag am 1. Juni haben Sie gesagt: Die Realität heute ist eine andere. Erst hat Ihr Wirtschaftsminister das Stromproblem grundsätzlich geleugnet. Dann haben die Grünen ein Stromsonderproblem für Bayern erfunden. Jetzt erklärt das grüne Ministerpräsidentenland Baden-Württemberg – hören Sie einfach zu –, dass Abschaltungen der Stromversorgung nicht mehr auszuschließen sind. Ja, Herr Habeck, Sie schalten die Kernkraftwerke ab anstatt den Verstand ein. Ich sage Ihnen: Das hat mit Blackout nichts zu tun. Es ist ein Greenout, den wir hier erwarten können. Weil wir hier über Ihre Bilanz reden: Der Bundesfinanzminister hat noch im letzten Monat gesagt, dass Sie als Koalition nicht beabsichtigten, Steuern zu erhöhen. Letzte Woche haben Sie hier im Deutschen Bundestag eine massive Erhöhung der Erbschaftsteuer beschlossen. Vielleicht haben Sie das etwas spät bemerkt. Und weil Sie, Herr Dürr von der FDP, hier wieder den Namen „Horst Seehofer“ zwischenrufen, will ich Ihnen schon mal sagen: Wir haben uns ja daran gewöhnt, dass Sie von Ihrer Mitverantwortung in den letzten 20 Jahren in der deutschen Politik nichts mehr hören wollen, aber dass Sie jetzt schon von Ihrer Mitverantwortung bei den Entscheidungen von letzter Woche nichts mehr wissen wollen, das ist in der Tat eine ganz neue Dimension. Auch wenn Ihnen das möglicherweise spät aufgefallen ist: Sie haben in der letzten Woche die Freibeträge nicht erhöht. Jetzt kommen Sie darauf – gestern ganz offensichtlich –, dass man Freibeträge erhöhen muss, und schieben die Verantwortung den Ländern zu. Ich sage Ihnen: Wenn Sie bereit sind, die Freibeträge zu erhöhen, dann liegt der Ball immer noch im Finanzministerium. Dann machen Sie doch einen Gesetzentwurf, dass die Freibeträge erhöht werden und die Erbschaftsteuer nicht steigt. Wir sind sofort dabei, dies mitzumachen. Zum Schluss nur der Hinweis: Herr Bundeskanzler, Sie haben den Menschen Respekt versprochen. In Ihrer ersten Rede als Bundeskanzler kommt dieses Wort 30‑mal vor. In Ihrer letzten Rede und auch heute, Herr Bundeskanzler, ist davon keine Rede mehr. Ich wünsche mir für Ihr zweites Jahr in Ihrer Amtszeit, dass Sie wieder mehr über Respekt reden und übrigens auch danach handeln: Respekt gegenüber unseren europäischen Partnern, Respekt gegenüber der nächsten Generation, Respekt gegenüber der Leistung der Menschen in unserem Land und – übrigens auch als Weihnachtsgruß, Herr Dürr – Respekt auch gegenüber der Opposition. Ich kann sagen: Ich habe selten eine so destruktive Rede hier im Deutschen Bundestag von einer Regierungskoalition gehört wie von Ihnen, Frau Dröge. Danke schön.