Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Je mehr in Sonntagsreden über Demokratie, ihre Stärkung und Förderung gesprochen wird, desto mehr muss man offenbar Selbstverständlichkeiten erklären – manchmal sogar Koalitionspartnern. Bei der Demokratie geht es nicht darum, für sich selbst die überlegene Gesinnung und Ziele zu reklamieren, sondern es geht auch um Institutionen und Verfahren. „Legitimation durch Verfahren“ ist einer der zentralen Werte der Demokratie. Das Gewaltmonopol des Staates bedeutet, dass nur der Staat zwingen darf. Und zwar um demokratisch beschlossene Gesetze durchzusetzen. Parlamente und Parteien sind nach unserem Grundgesetz dazu berufen, politische Willensbildung und politische Entscheidungen herbeizuführen und zu treffen. Wer von Widerstand redet, der ist geschichtsvergessen in einem demokratischen Rechtsstaat, und zwar unabhängig davon, aus welchem politischen Lager er oder sie kommt. Wer für sich in Anspruch nimmt, diese Grundsätze nach eigener definierter moralischer Überlegenheit zu verletzen, der öffnet die Büchse der Pandora. In Parlamente und Regierungsgebäude einzudringen, identitätsstiftende Bauwerke zu besetzen, Anschläge auf Parteizentralen zu verüben oder davon zu träumen und es zu inszenieren, Politiker abzuführen, einzusperren oder gar aufzuhängen: Bei der Ethik und Ästhetik, bei den Aktionsformen haben sich die Identitären bei den Autonomen bedient – jetzt tun das auch einige andere –, noch unappetitlich garniert durch eine Verhöhnung der Rettungskräfte, die sie für ihre Aktionen instrumentalisieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die gute Nachricht ist: Ob es zu einer weiteren Radikalisierung kommt, ist noch längst nicht entschieden. Die weitere Entwicklung hängt nicht allein vom Verhalten derer, über deren Aktionen wir hier gerade sprechen, ab, sondern auch von Staat und Gesellschaft. Wo Gesetze gebrochen werden, da muss dies folgerichtig geahndet werden, konsequent und fair. Unser Strafgesetzbuch bietet da eine Reihe von Möglichkeiten. Es geht insbesondere um den Tatbestand der Nötigung, auch der Sachbeschädigung, der gemeinschädlichen Sachbeschädigung, des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, den Luftverkehr und unter Umständen sogar der fahrlässigen Tötung. Sosehr es gilt, zu sagen: „Im Rechtsstaat definieren Gerichte und nicht Politiker, was kriminell ist und was nicht“, ist umso befremdlicher, wie manche immer wieder betonen müssen, dass etwas nicht kriminalisiert werden dürfe. Das dient meistens der Verharmlosung. In Prozessen sollten beschleunigte Verfahren angewendet werden. Und zwar geht es nicht unbedingt um härtere Strafen. Es geht vor allem darum, schnelle, konsequente Urteile zu haben. Damit für alle in unserem Land sichtbar wird, dass in unserem demokratischen Rechtsstaat Recht und Gesetz sich durchsetzen. Ebenso wichtig ist es, dass der Rechtsstaat nicht überreagiert. Radikale Bewegungen provozieren den Staat bewusst, und die darauffolgende Überreaktion ist Teil ihres Kalküls. Kaum etwas radikalisiert ihre Anhänger stärker. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir bei der Gesellschaft und der politischen Debatte. Besonders bei Linken, aber auch bis in die bürgerliche Mitte hinein werden die Aktionen der Klimaaktivisten oftmals verharmlost. Dabei werden Anliegen mit Zielen und Ziele mit Mitteln verwechselt. So wichtig das Anliegen des Klimaschutzes ist: Es ist weder eine Rechtfertigung für Ziele wie Notstandsregime, die Abschaffung der sozialen Marktwirtschaft und anderes, und es ist auch keine Rechtfertigung für illegale Mittel. Weder beim Vorgehen der staatlichen Institutionen noch bei der gesellschaftlichen Beurteilung sollte das Anliegen von Klimaaktivisten eine Rolle spielen. Das Gebot der Stunde ist klare, unmissverständliche Distanz. Überreaktion ist genauso schädlich wie Verharmlosung. Der Flirt mit dem Ausnahmezustand ist gefährlich. Am Kern des Problems geht allerdings auch vorbei, wer darauf abstellt, ob die Aktionen jetzt Erfolg oder Misserfolg bringen, wie die Imagewirkung für die Bewegung ist. Würde Militanz etwa besser, wenn sie mit beifälligem Nicken beantwortet würde oder Begeisterung auslöste? Alle politischen Lösungsvorschläge müssen sich vor einem wählenden Publikum bewähren. Als Demokratin sage ich: Das ist auch gut so. – Niemand hat das Recht, durch Gewalt, Nötigung, Lautstärke zu erzwingen, was seine Argumente im politischen Diskurs nicht vermögen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verachtung der Demokratie, ihrer Prozesse und Institutionen wird nur noch übertroffen von der Verachtung des Ökonomischen. Ökonomische Lösungen müssen marktgängig werden können. Schlicht, weil das die Grundlage für Wohlstand und befriedete Verhältnisse ist. Viel voraussetzungsreicher als eine Denkfaulheit, die sich damit zufriedengibt, auf der richtigen Seite zu stehen, ist das Kleinarbeiten der Probleme. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht hier tatsächlich um die Systemfrage, aber anders als diejenigen, die diese Aktionen machen, glauben. Es geht nämlich um unsere soziale Marktwirtschaft und die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die beste Ordnung, die wir je hatten. Wir sollten offensiv für sie einstehen.