Meine Damen und Herren, wenn ich so etwas höre und lese, frage ich mich manchmal: Schauen Sie selbst auf sich? Hören Sie sich selbst manchmal zu? Es ist infam, mit so durchsichtigen Manövern von der Notwendigkeit eines radikalen Kurswechsels in der Klimapolitik abzulenken, während gleichzeitig Menschen die Folgen des Klimawandels mit dem Verlust ihrer Heimat oder ihres Lebens bezahlen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Und natürlich auch sehr geehrte Damen und Herren, die uns hier zuschauen oder vielleicht sogar an den Fernsehern oder im Rundfunk mithören! Wieder einmal hält die autoritäre und auch extreme Rechte den Stock hin, und wieder einmal springen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Teil über diesen Stock. Derzeit scheint es geradezu einen Wettbewerb zu geben, in dem sich alle darin überbieten wollen, die markigsten Forderungen zu stellen oder die schiefsten Vergleiche zu ziehen. Für Alexander Dobrindt scheinen Sitzblockaden auf der Straße so etwas Ähnliches zu sein wie Erschießungen und Bombenanschläge. Den Bundeskanzler erinnern Zwischenrufe während seiner Rede an den Terror der nationalsozialistischen SA. Und Andreas Scheuer möchte die Aktivistinnen und Aktivisten einfach wegsperren. Sie jammern, weil es mal einen Stau gibt oder das Flugzeug vielleicht nicht pünktlich startet. Andere Menschen sind der brachialen Gewalt des Klimawandels schutzlos ausgeliefert, und zwar nicht mehr nur im Globalen Süden. In diesem Sommer gab es so viele Hitzetote in Europa wie noch nie. Ich habe da keine Empörung vernommen, keine Vergleiche mit Terrorismus gehört und vor allem keine Vorschläge, wie wir sofort und wirksam etwas ändern können. Ich kann gut nachvollziehen, dass es nicht angenehm ist, wenn junge Menschen den Finger in die Wunde legen und so deutlich auf das politische Versagen hinweisen, das die Klimapolitik der jetzigen, aber auch der vorherigen Bundesregierung auszeichnet. Aber glauben Sie ernsthaft, mit diesem ganzen Geklapper, das wir die letzten Wochen hören mussten, können Sie über dieses Versagen hinwegtäuschen? Niemand behauptet, dass die Menschen, die durch Blockadeaktionen im Stau stehen, die Verursacher der Klimakatastrophe sind. Das wissen die Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“, das weiß ich, und das wissen auch Sie. Aber wir wissen alle, wer die Verursacher der Klimakatastrophe sind, Sie vielleicht noch besser als ich; denn bei Ihren Parteitagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU, FDP, SPD und leider auch den Grünen, stehen die Logos der verantwortlichen Konzerne auf den Sponsorenaufstellern am Eingang. Zwei Drittel der weltweiten CO2-Belastung werden von nur 100 Großkonzernen verursacht. In Deutschland verursachen die reichsten 10 Prozent einen viermal so hohen CO2-Ausstoß wie die ärmsten 50 Prozent. Und wir verschwenden wirklich unsere Zeit und Energie, hier zu diskutieren, ob ziviler Ungehorsam das Gleiche ist wie Terrorismus? Das ist absurd, liebe Kolleginnen und Kollegen! Statt sie zu verleugnen oder uns von ihnen zu distanzieren, sollten wir uns damit auseinandersetzen, was die Aktivistinnen und Aktivisten der Klimabewegung zu sagen haben. Sie sagen uns drei Dinge: Wir haben die Verursacher der Klimakrise zur Kasse zu bitten. Wir müssen ändern, was und wie wir produzieren; denn diese Welt ist nicht alternativlos, und ihr Ende ist es auch nicht. Vielen Dank.