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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! „Wegen Verzögerungen im Betriebsablauf“ – geübte
Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer unter Ihnen wissen, was jetzt kommt.
Ja, das kann ich nur
bestätigen!)
Wer mit der Bahn unterwegs ist, braucht oft viel Zeit und Geduld.
Davon wissen nicht nur diejenigen, die in diesen Wochen die Strecke zwischen
Berlin und Hannover bewältigen müssen, ein Liedchen zu singen.
Berlin–Köln: sieben bis neun
Stunden!)
Viel Zeit und Geduld mitbringen: Für viele Menschen mit Behinderungen
ist dies nicht nur ein temporäres Problem, sondern gehört zum Alltag, nicht nur
im Bahnverkehr, wenn der gewünschte Zielbahnhof keinen Fahrstuhl hat, das
Servicepersonal nur bis zum frühen Abend im Einsatz ist oder der Rollstuhlplatz
im ICE schon ausgebucht ist. Genauso ist es, wenn die Produktinformation im
Einkaufsregal für sehbehinderte Menschen nicht lesbar ist oder die Suche nach
der Facharztpraxis mit höhenverstellbaren Untersuchungsgeräten oder
Informationen in leichter Sprache zum zeitraubenden Unterfangen wird. Manchmal
können Zeit und Geduld auch zur Lebensgefahr werden, so wie 2021 in Sinzig, als
Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen nicht rechtzeitig gewarnt wurden und
in den Fluten ertranken.
Diese wenigen Beispiele zeigen: Der Weg hin zu einer barrierefreien
Gesellschaft, an der Menschen mit und ohne Behinderung in allen Lebensbereichen
teilhaben können, von der aber auch Eltern mit Kinderwagen oder ältere Menschen
profitieren, ist kein leichter, auch wenn wir in den letzten Jahren viel
geschafft haben und erdacht haben. Ich denke hier an die Erweiterung des
Behindertengleichstellungsgesetzes, das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, viele
weitere gesetzlichen Maßnahmen und die InitiativeSozialraumInklusiv des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und der Bundesfachstelle
Barrierefreiheit.
Letztere Initiative, aber vor allem viele Begegnungen mit Menschen mit
Behinderungen und anderen Akteuren haben uns als Unionsfraktionen gute
Anregungen geliefert für ein ausführliches Zehn-Punkte-Papier für einen
inklusiven Sozialraum, dessen Lektüre ich sehr empfehle,
Beifall des Abg. Peter Aumer [CDU/CSU])
und für den Antrag, den wir Ihnen heute vorlegen.
Es ist das erste Mal, dass wir in dieser Legislaturperiode hier im
Plenum über Barrierefreiheit diskutieren,
was durchaus erstaunt, wenn man in den Koalitionsvertrag der Ampel
schaut. Doch von den dort genannten ambitionierten Vorhaben hat bislang keines
den Bundestag erreicht. Immerhin: Aus dem ursprünglich angekündigten
Bundesprogramm Barrierefreiheit wird zwar erst mal nichts, aber gerade noch
rechtzeitig vor dem morgigen Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung
hat die Bundesregierung am Mittwoch eine Bundesinitiative Barrierefreiheit
verabschiedet. Löblich und gut, was darin angekündigt wird, aber schon das
Papier des Koalitionsvertrags war bisher recht geduldig.
Eins zumindest eint die Bundesinitiative und unseren Antrag:
Barrierefreiheit ist ein Querschnittsthema. Mobilität, Bauen und Wohnen,
Gesundheit, Digitalisierung, Katastrophenschutz, aber auch Produktentwicklung
und politische Partizipation – das sind längst nicht alle, aber einige wichtige
Lebensbereiche, die wir uns herausgegriffen haben. Hier wollen wir fördern und
fordern: mehr Förderung, eine Aufstockung des KfW-Programms „Altersgerecht
Umbauen“, weitere KfW-Programme, unter anderem für den Gesundheitsbereich und
barrierefreie Produktentwicklung. Verbunden mit einer Übergangsfrist von fünf
Jahren und einer Überforderungsklausel fordern wir die rechtliche Verankerung
von angemessenen Vorkehrungen auch im Privatbereich. Es muss endlich eine
Bestandsaufnahme und danach die umfassende barrierefreie Umgestaltung aller
öffentlich zugänglichen Bundesbauten geben. Übrigens, gerade die Gebäude des
Deutschen Bundestages dürfen gerne mit gutem Beispiel vorangehen.
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der
LINKEN
Mehr rechtliche Verbindlichkeit brauchen wir für die Barrierefreiheit
im ÖPNV. Wir machen konkrete Vorschläge für mehr Tempo bei der Barrierefreiheit
im Bahnverkehr, im Taxiwesen und bei der barrierefreien Ladeinfrastruktur. Mehr
bundesweite Einheitlichkeit brauchen wir auch in Regelungen zur Barrierefreiheit
im Bauordnungsrecht. Wir fordern auch eine Stärkung der Barrierefreiheit in der
Aus- und Weiterbildung von Architekten und Ingenieuren, bis hin zu einem eigenen
Studiengang. Wir brauchen ein träger- und ebenenübergreifendes Beratungs- und
Unterstützungsnetz für Assistenz- und Pflegeangebote. Weitere Beispiele finden
sich in unserem Antrag.
Zu diesen und weiteren Bereichen machen wir Ihnen heute Vorschläge und
bringen Gedanken ein in die Diskussion. Gut ist: Wir beginnen bei allem nicht
bei null. Viele gute Beispiele machen Mut: ob inklusives Wohnen und
Unterstützungsangebote der Hamburger Stiftung Alsterdorf, ein
Gebärdensprach-Avatar, der den Beipackzettel von Medikamenten erläutert, oder
die Regionalbahnstrecke in meinem Wahlkreis, an der mittlerweile alle Bahnhöfe
barrierefrei umgebaut sind. Lassen Sie uns gemeinsam an einer barrierefreien
Gesellschaft in allen Lebensbereichen arbeiten; denn weitere Verzögerungen im
Betriebsablauf sollten wir uns nicht leisten. Und herzliche Grüße an Gerald
Huber!
Beifall bei der CDU/CSU)
Takis Mehmet Ali hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
und der FDP)