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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Deutschland erbringt wahrlich seit Jahren eine große humanitäre Leistung bei der
Aufnahme von Schutzberechtigten. Das zeigt sich gerade auch in diesem Jahr.
Darauf können wir alle zu Recht stolz sein.
Zuruf der Abg. Leni Breymaier [SPD])
Es galt aber immer auch: Wer keinen Schutz braucht, der hat in letzter
Konsequenz unser Land wieder zu verlassen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das ist die Balance zwischen Humanität auf der einen und Ordnung auf
der anderen Seite.
Zuruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dabei gab es bisher schon viele Möglichkeiten für Ausreisepflichtige,
wenn sie rechtstreu waren, wenn sie Integrationsbereitschaft gezeigt haben, wenn
sie insbesondere auch gearbeitet haben, hier ein Daueraufenthaltsrecht zu
erhalten.
Hört, hört! Sind Sie jetzt dafür
oder dagegen?)
Nun reduzieren Sie von der Ampel, Frau Kollegin Göring-Eckardt, die
Anforderungen an diese Integrationsvoraussetzungen. Damit bringen Sie die
Balance in unserem System zwischen Humanität und Ordnung in Schieflage.
Beifall bei der CDU/CSU)
Denn erstmals in der Geschichte wird Personen ohne geklärte Identität
ein Aufenthaltsrecht gewährt.
Wenn man vorher kein Angebot zum
Sprachkurs bekommen hat, wie soll man die Sprache können? Wenn man keine
Arbeitserlaubnis hat, wie soll man dann arbeiten?)
Die Klärung der eigenen Identität ist aber das Mindeste, was wir von
Menschen erwarten können, wenn sie hier bei uns bleiben wollen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Und das machen Sie deshalb, weil nur diese Personengruppe von
Geduldeten Ihr sogenanntes Chancen-Aufenthaltsrecht überhaupt braucht; sie
braucht nämlich den Abschiebeschutz von einem Jahr bzw. jetzt eineinhalb Jahren,
um ihre Identität offenbaren zu können. Und – oh Wunder – sofern sie den
Abschiebeschutz über das Chancen-Aufenthaltsrecht von Ihnen bekommen haben, dann
werden sie ihre Identität offenbaren. Das ist nicht in Ordnung, liebe
Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der CDU/CSU
Sie haben
die Balance verloren!)
Herr Kollege Thomae, wenn Sie das jetzt mit Arbeitsmigration, gar von
Fachkräften, begründen wollen, dann reden Sie an der geltenden Rechtslage
vorbei.
Auch Geduldete haben heute nach geltender Rechtslage grundsätzlich die
Möglichkeit, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten,
Beifall bei der CDU/CSU)
mit Ausnahme der Personengruppe, die nicht an ihrer Identitätsklärung
mitwirkt, was zumutbar ist, und derjenigen aus sicheren Herkunftsländern. Das
heben Sie ja aber auch noch auf. Insofern ist Ihr Gesetz nichts Neues in Bezug
auf den Arbeitsmarkt, Sie nehmen damit nur die Personen mit ungeklärter
Identität mit hinein, liebe Kolleginnen, Kollegen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt haben Sie hinsichtlich der Erteilung des Bleiberechts auch das
Alter für gut integrierte Jugendliche auf bis zur Vollendung des
27. Lebensjahres erhöht. Wir wissen, zwei Drittel aller Asylbewerber, die
kommen, sind Männer – das hat damit jetzt nichts zu tun –,
Was hat das mit Männern zu tun?
Erklären Sie das doch mal!)
aber vor allem sind sie genau in dieser Altersgruppe. Deswegen habe
ich Herrn Staatssekretär Saathoff am 9. November bei der Fragestunde gefragt,
wie denn die Rechtsfolgenabschätzung der Ampel aussehe, mit wie vielen Menschen
man denn rechne, die zukünftig über diesen Weg „Alter bis 27 Jahre“ hier ein
Daueraufenthaltsrecht bekommen können. Herr Saathoff sagte:
Daher ist jede Prognose mit Unwägbarkeiten verbunden, und jede Aussage
darüber wäre nicht zu verantworten.
Wie können Sie es dann verantworten, hier ein Gesetz zu machen, von
dem Sie offenkundig selbst nicht wissen, welche Rechtsfolgen es haben wird?
Beifall bei der CDU/CSU)
Dann haben Sie das Problem erkannt, dass es dann, wenn Sie die
Aufenthaltszeiten auf sechs, vier oder gar drei Jahre verkürzen, quasi einen
nahtlosen Übergang vom Asyl- und Klageverfahren, von der Gestattung in das
Daueraufenthaltsrecht gibt, in aller Regel in wenigen Monaten
Wir führen ein Duldungsjahr ein!)
– ich komme gleich genau darauf –, und dass deshalb der Rechtsanspruch
des Staates, eine Ausreisepflicht durchzusetzen, gar nicht mehr umsetzbar ist.
Das haben Sie erkannt, sind auf die Kritik eingegangen und machen jetzt eine
Vorduldungszeit von zwölf Monaten. Das heißt, in diesen zwölf Monaten kann bei
den Jugendlichen bis 27 Jahren grundsätzlich noch eine Abschiebung
stattfinden.
Das führt aber zu dem absurden Ergebnis, dass ein gut integrierter
Jugendlicher, der die Schule besucht hat und einen Abschluss hat, der Deutsch
kann, der rechtstreu ist, weil er nämlich seine Identität geklärt hat, in diesen
zwölf Monaten abgeschoben werden kann.
Der Rechtsuntreue, der seine Identität nicht offenbart hat, erhält von
Ihnen über das Chancen-Aufenthaltsrecht einen Abschiebeschutz und kann nicht
abgeschoben werden, und zwar an keinem einzigen Tag seit seinem Aufenthalt hier
in Deutschland.
Beifall bei der CDU/CSU
Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN])
Das ist das absurde Ergebnis Ihres Gesetzentwurfs, Ihres
Änderungsantrags am heutigen Tag. Frau Polat, ich kann Sie insofern verstehen,
dass Sie dieser Vorduldungszeit nicht zustimmen wollten.
Herr Throm, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Kaddor?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank. – Herr Kollege Throm,
Sie haben ja sozusagen darauf verwiesen, dass es offensichtlich am Arbeitsmarkt
nicht wirklich funktioniert. Den 2,5 Millionen Arbeitslosen, die es gibt, stehen
1,5 Millionen offene Stellen gegenüber. Warum haben Sie denn dieses Problem in
den Jahren während Ihrer Regierung eigentlich nicht gelöst?
Zweitens: Was ist denn Ihr konkreter Vorschlag, der wiederum eine
Modernisierung der Zuwanderungsregeln, wie wir sie hier ja planen und
vorstellen, überflüssig machen würde? Ich bin sehr gespannt auf Ihre Ideen.
Vielleicht erklären Sie noch kurz, warum Sie gerade auf junge Männer
verwiesen haben, wie Ihre Kollegin davor übrigens auch. Was hat dieser
Sachverhalt mit jungen Männern zu tun?
Liebe Frau Kollegin, ich habe darauf hingewiesen, dass eben in
dieser Altersgruppe überwiegend Männer kommen, habe aber gleich gesagt, dass das
mit diesem Gesetz nichts zu tun hat. Das ist die Statistik, die besagt: Zwei
Drittel sind Männer bis zum Alter von 27 bzw. 29 Jahren.
Das ist bloße Statistik!)
Was den Arbeitsmarkt anbelangt – darauf habe ich ja gerade
hingewiesen –: Die meisten Geduldeten könnten heute schon arbeiten, eine
Arbeitserlaubnis erhalten,
Wenn man sie lassen
würde!)
sie arbeiten nur nicht. Es sind 27 000 Geduldete, die tatsächlich in
einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis sind. Unseren
Lösungsvorschlag sehen Sie in § 60b Aufenthaltsgesetz mit der sogenannten
Duldung light, die wir seinerzeit gemeinsam mit unserem Koalitionspartner SPD in
einem Kompromiss eingeführt haben. Damals waren wir beide gemeinsam der
Auffassung, dass wir alles von den Menschen Zumutbare erwarten können
hinsichtlich ihrer Identitätsklärung und der Passbeschaffung und dass dann
natürlich auch eine Arbeitserlaubnis gegeben werden kann. Solange das nicht
passiert, gibt es keine Arbeitserlaubnis. Es handelt sich aber genau um diese
Personengruppe, also die ohne geklärte Identität. Und es ist auch richtig, dass
wir nur die belohnen, die auch tatsächlich rechtstreu sind, liebe Kolleginnen
und Kollegen. Und Sie, die Ampel, wollen genau diese Lösung bei Ihrem nächsten
Migrationspaket abschaffen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Throm, lassen Sie noch eine Frage des Kollegen Thomae aus der
FDP-Fraktion zu?
Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. – Ich habe
den Widerspruch, den Sie aufgezeigt haben, vernommen, glaube aber, dass es ein
Scheinwiderspruch ist. Denn bei den Personen, die Sie als die rechtstreuen
Erwachsenen darstellen und die schlechtergestellt würden als die rechtsuntreuen
jungen Erwachsenen, handelt es sich um solche Personen, die sich schon mehr als
fünf Jahre im Inland befinden. Der Chancen-Aufenthalt ist ja der Clou des § 104c
Aufenthaltsgesetz. Er behandelt einen in der Vergangenheit abgeschlossenen
Vorgang. Deswegen war es hier schon möglich, diese Menschen fünf Jahre
abzuschieben. Da brauchen wir nicht noch einmal ein Jahr, während wir bei der
anderen Personengruppe noch ein Jahr brauchen, um die Abschiebung
durchzuführen.
Herr Kollege Thomae, danke für die Frage.- Sie gibt mir die
Gelegenheit, noch ein paar Erklärungen zu machen. Sie haben den Stichtag
angesprochen, indem Sie gesagt haben, dass es nach hinten wirkt. Wissen Sie, was
ein Stichtag eigentlich bedeutet? Der bedeutet, dass man als Gesetzgeber weiß,
dass man etwas macht, was eigentlich falsch ist.
Deswegen will man sich durch einen Stichtag vor den weiteren Wirkungen
dieses Gesetzes schützen. Das ist so. Sie wollen Nachahmer vermeiden, die sich
dann auf dieses Gesetz berufen können. Sie erkennen also, dass etwas falsch ist.
Das Problem bei Stichtagen, Fristen und wie auch immer in der Gesetzgebung – das
war bei uns ganz genau so, wie es bei Ihnen zukünftig sein wird – ist: Sie
werden meistens aufgehoben, entfristet, und es wird daraus eine Dauerlösung
gemacht. Dadurch, dass Sie die Frist jetzt schon zum 31.10. dieses Jahres
verlängert haben, zeigen Sie, dass Sie auch an dem Stichtag weiter drehen
werden.
Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege Thomae, Sie haben gefragt nach dem Widerspruch bei § 104c
zwischen den Jugendlichen, die, wenn sie gut integriert sind, in diesen zwölf
Monaten Vorduldungszeit abgeschoben werden können, und den sogenannten
Erwachsenen, die nicht unter § 25a Aufenthaltsgesetz fallen. Nein, Sie haben die
Situation nicht richtig erkannt. Es geht nicht um die Frage, wann, nach wie
vielen Jahren jemand abgeschoben werden kann – nach drei oder nach fünf
Jahren –, sondern es geht darum, dass Sie ein Gesetz machen, bei dem der
rechtstreue Jugendliche bis 21, 27 Jahren, der eine Schule besucht hat, einen
Abschluss gemacht hat, Deutsch spricht, bestens integriert ist – die wollen wir
auch hier behalten, jedenfalls bis 21 Jahre –, nach Ihrem Änderungsantrag über
diese zwölf Monate Vorduldungszeit abgeschoben werden kann. Der Rechtsuntreue,
der von mir aus zwei Jahre länger hier ist – fünf Jahre –, der nicht gut
integriert ist, weil er seine Identität nicht geklärt hat – wer seine Identität
nicht offenbart, kann schon per Gesetzesdefinition nicht gut integriert
sein –,
Beifall bei der CDU/CSU)
erhält von Ihnen über das Chancen-Aufenthaltsrecht quasi einen
Abschiebeschutz. Nicht einen Tag in der Zeit, in der er sich in Deutschland
befindet, kann er abgeschoben werden. Das ist der Widerspruch. Das ist der Murks
in Ihrer Gesetzgebung, Herr Kollege Thomae.
Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kollegen, ich bedanke mich grundsätzlich für jede
Zwischenfrage.
Zur Rückführungsoffensive. Für die Vergangenheit bereinigen Sie die
Statistik, für die Zukunft gibt es großzügige Bleiberechte, und für die
Problemfälle schaffen Sie im nächsten Migrationspaket die eidesstattliche
Erklärung zur Identitätsklärung. Es bleiben zum Schluss nur noch die Straftäter
übrig, die abgeschoben werden. Ihre Rückführungsoffensive, die der FDP so
wichtig ist, ist ein reiner Etikettenschwindel. Deswegen lehnen wir das Gesetz
heute ab.
Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Adis Ahmetovic.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten
der FDP)