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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Herr Dr. Baumann hat nun wirklich ein extrem selektives,
düsteres, schwarzmalerisches Bild von der Wirklichkeit gemalt.
Das ist einfach die Realität!
„Braun“ nennt man das! Dunkelbraun!)
Aber alle Politik beginnt mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit. Wie
ist denn die Wirklichkeit bei uns? Deutschland ist ein Land, in das ungeheuer
viele Menschen kommen, weil sie hier ein besseres Leben führen wollen, weil sie
Hilfe und Schutz vor Gewalt, Krieg und Bürgerkrieg suchen. Deswegen müssen wir
uns in zweifacher Hinsicht ehrlich machen: Wirklichkeit eins ist: Deutschland
ist ein Einwanderungsland.
Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN –
Dr. Franziska Kersten [SPD]: Schon lange!)
Seit Jahrhunderten ist Deutschland ein Einwanderungsland. Das haben
nur viele in den letzten Jahrzehnten nicht so richtig wahrhaben wollen, obwohl
die Gastarbeiter der Nachkriegsjahre einen enormen Anteil hatten am Aufbau des
deutschen Wirtschaftswunders. Jetzt sind wir wieder in einer Situation, wo viele
Arbeitgeber händeringend nach Arbeitskräften suchen. Wenn man sich mit
Unternehmern unterhält, dann werden immer zwei Sorgen adressiert, die die
Unternehmen in ihrem Fortkommen und ihrem Bestand bedrohen: Das sind aktuell die
hohen Energiepreise. Das sind aber seit langer Zeit – die Lage verschärft sich
zunehmend – die fehlenden Arbeitskräfte.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Deswegen müssen wir lernen, Einwanderung als Chance zu verstehen, aber
auch als Notwendigkeit. Das ist die eine Wahrheit.
Und die zweite Wahrheit ist: Ja, nicht alle Menschen, die bei uns Asyl
beantragen, haben auch einen validen Asylgrund, und nicht alle, die gerne bei
uns arbeiten möchten, bringen dafür auch die notwendigen Voraussetzungen mit.
Deswegen müssen wir auf diese beiden Wahrheiten auch auf zweierlei Weise
reagieren: Wir brauchen eine wirksame Migrationskontrolle; wir brauchen aber
auch eine bessere Integrationsförderung bei uns im Land.
Vor allem brauchen wir
Migrationsbegrenzung!)
Das ist kluge Migrationspolitik: beides im Blick zu behalten. Deswegen
legen wir heute zwei Gesetzentwürfe vor, die auf diese beiden Aspekte
abzielen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Erste ist, dass die Asylgerichtsverfahren bei uns viel zu lange
dauern. Sie dauern im Bundesschnitt über 26 Monate. Das ist zu lang. Das müssen
wir beschleunigen, natürlich mit der Behutsamkeit, die wir immer brauchen, wenn
wir rechtsstaatliche Grundsätze nicht über Bord werfen wollen. Deswegen gehen
wir vorsichtig und behutsam vor, versuchen, an verschiedenen Stellen
beschleunigende Schritte zu ergreifen. Wir wissen natürlich genau, dass es nicht
den einen Knopf gibt, mit dem man den Turbo einschalten kann. Wir gehen behutsam
und vorsichtig und doch wirksam vor.
Wir entlasten auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; denn
wir sehen künftig davon ab, dass jeder Asylbescheid regelmäßig wieder überprüft
werden soll. Das bindet beim BAMF enorme Personalressourcen und führt nur in
etwa 5 Prozent der Fälle tatsächlich zu einer Korrektur der Asylbescheide. Das
ist ineffizient. Deswegen wollen wir künftig eine Asylprüfung nur noch
anlassbezogen vornehmen lassen.
Ja, ich weiß. Die einen sehen die Verlängerung der Abschiebehaft sehr
kritisch. Und die anderen sehen die staatliche Förderung einer
behördenunabhängigen Asylverfahrensberatung sehr kritisch. Aber bei der
Abschiebehaft treten wir nur an Straftäter heran und klammern die Minderjährigen
aus. Und bei der Asylverfahrensberatung haben wir uns das Modell der Schweiz vor
Augen gehalten, wo auch eine Trennung von Beratung und Entscheidung vorgenommen
wird, und das mit viel Erfolg. Und keine Angst, es wird Standards geben, wie
diese Beratung ausgestaltet sein muss. Das ist der eine Gesetzentwurf.
Beifall bei der FDP sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN])
Der zweite Gesetzentwurf betrifft den Chancen-Aufenthalt. Wir müssen
bei der Integration der Menschen endlich mehr in die Offensive gehen. Über
130 000 Menschen in Deutschland sind seit über fünf Jahren geduldet, können aber
nicht abgeschoben werden, bekommen aber auch keinen Aufenthaltstitel und hängen
im Sozialsystem fest, anstatt in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Da
müssen wir doch vorankommen. Wir dürfen nicht dauernd versuchen, die Falschen
abzuschieben. Wir müssen diejenigen, die sich integrieren wollen, integriert
sind und auch arbeiten wollen, doch arbeiten lassen. Das ist doch ein
Widerspruch: einerseits über Arbeitskräftemangel zu klagen, andererseits aber
diejenigen, die bei uns arbeiten wollen, daran zu hindern, ihnen Steine in den
Weg zu legen.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen ist unser Chancen-Aufenthaltsrecht ein wichtiger Baustein. Es
richtet sich an Menschen, die über fünf Jahre hier sind, gut integriert sind und
die Sprache beherrschen, straffrei sind, deren Identität geklärt ist. Der
Gesetzentwurf richtet sich vor allem nur an Vorgänge in der Vergangenheit. Für
die Zukunft wollen wir eine neue Regelung zur Fachkräfteeinwanderung
durchsetzen. Dafür ist in dieser Woche auch ein Eckpunktepapier im Kabinett
beschlossen worden.
Insofern beinhaltet unser Migrationspaket beides: Es schafft
Verbesserungen bei der Migrationskontrolle und Verbesserungen bei der
Integrationsförderung. Das ist ein Beispiel für kluge Migrationspolitik, meine
Damen und Herren.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Clara Bünger.
Beifall bei der LINKEN)