Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf betrifft ein dringendes Problem. Der Maßregelvollzug ächzt unter der Überlastung durch Fehlbelegungen. Straftäter ohne Therapiebedürftigkeit, Motivation oder Therapiefähigkeit gehören nicht in ein Krankenhaus, sondern in den Knast. Der Berliner Maßregelvollzug ist geprägt von unzureichender Infrastruktur, akutem Personalmangel, eingeschmuggelten Drogen und Angriffen auf die Mitarbeiter. Die Zustände sind für Pfleger und Ärzte genauso wie für die Patienten längst untragbar. Anders gesagt: Krisenmanagement anstatt Therapie. Dazu passt ein Schreiben des Landgerichts Berlin, über das der „Tagesspiegel“ vor zwei Tagen berichtet hat. Aktuell befinden sich zwölf Verurteilte trotz Anspruchs auf Behandlung in Strafhaft. Es geht um die konkrete Befürchtung, dass für die Allgemeinheit gefährliche Straftäter wegen fehlender Behandlungsplätze wieder entlassen werden müssen, wie schon einmal im September geschehen. Der Reformbedarf ist unbestritten, und die Vorschläge der von der Justizminister- und Gesundheitsministerkonferenz eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe liegen seit gut einem Jahr vor. Am 18. März 2022 erhielten wir, alle Mitglieder des Rechts- und vermutlich auch des Gesundheitsausschusses, einen Brandbrief des ZfP Südwürttemberg. Denn auch im Ländle sind Überbelegung und Personalmangel mittlerweile so katastrophal, dass keine der von mir angefragten Einrichtungen sich personell in der Lage sah, einen Besuch vor Ort zu ermöglichen. Die Probleme sind dringend, und eine Lösung liegt auf dem Tisch. Leider hat die Koalition seit dem 18. Mai 2022 die Durchführung einer öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf immer wieder vereitelt. Die Begründung war das Warten auf eine große Reform, die in Arbeit sei. Die Wahrheit ist: Wenn man an anderen Stellschrauben dreht, ja, dann kann sich das auch auf den Maßregelvollzug auswirken. Aber es gibt keine zwingende Verknüpfung zwischen Unterbringung und anderen Reformen. Sicherlich lässt sich die vorgeschlagene Lösung noch verbessern. So bezweifle ich, dass die vorgeschlagene Änderung von § 246a StPO wirklich eine große Entlastung für die Rechtspraxis bewirkt. Solche Dinge zu klären, ist aber gerade der Zweck einer öffentlichen Anhörung, bei der Sachverständige aus Theorie und Praxis auf Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten hinweisen. Man muss es nur zulassen, statt es zu verhindern. Als Konsequenz wird heute ein dringend notwendiger und inhaltlich beinahe unstreitiger Gesetzentwurf abgelehnt werden – nur weil der Entwurf von der Opposition und nicht von der Regierung kommt. Ein solches Schmierentheater ist einer Demokratie unwürdig und die pure Arroganz der Macht. Und vor allem ist es schäbige Parteipolitik auf dem Rücken der betroffenen Mitarbeiter in den Einrichtungen, denen ich für ihre wichtige Arbeit danke und die ich heute um Verzeihung dafür bitte, dass der Bundestag sie im Regen stehen lässt. Vielen Dank.