- Bundestagsanalysen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst will ich für meine Bundestagsfraktion sagen: Wir nehmen den Dank der Ampelkoalition gerne an; denn wenn Sie sinnvolle Vorschläge machen, wenn Sie in Verhandlungen auf uns eingehen, dann stimmen wir Ihren Vorschlägen auch zu. So machen wir das heute bei der Änderung von Artikel 82 des Grundgesetzes, der Digitalisierung des Bundesgesetzblattes. Da verhelfen wir Ihnen zur verfassungsändernden Mehrheit. Es ist ein sinnvoller Vorschlag, und konstruktive Opposition heißt auch, Sinnvolles mitzumachen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Natürlich kann jetzt mancher sagen: Namentliche Abstimmung, Verfassungsänderung – das ist doch eigentlich ein Mikrothema, so eine Kleinigkeit; das betrifft schließlich das Verkündungs- und Bekanntmachungswesen. – Zugegebenermaßen: Es betrifft vielleicht nur eine kleine Zahl von Menschen in ihrer Lebensrealität. Die allerwenigsten werden die Wochenenden mit dem Studium des papiergebundenen Bundesgesetzblattes verbringen. Die müssen jetzt im Zweifel auf das iPad ausweichen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen schon klar sagen: Im Verfassungsrecht gibt es keine Belanglosigkeiten, da gibt es keine Petitessen, da gibt es von der Opposition aber auch keine Geschenke.
Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deshalb ist es gut, dass Sie heute auf unsere Wünsche eingehen. Konstruktivität ist bei einer jeden Verfassungsänderung sinnvoll.
Ich will es in der Sache kurz machen. Eine Digitalisierung des Bundesgesetzblattes ist sinnvoll, ist angebracht. Dagegen kann man eigentlich nichts haben. Das haben wir deutlich gemacht. Um dieses Ziel zweifelsfrei, klar umgrenzt zu erreichen, war es wichtig, dass wir uns explizit darauf festgelegt haben, im Text des Grundgesetzes die elektronische Form zu fixieren. Dafür haben wir im parlamentarischen Verfahren auf Wunsch meiner Bundestagsfraktion Artikel 82 Absatz 1 Satz 2 neu in das Grundgesetz eingefügt. Zugegebenermaßen führt das dazu, dass man bei fortschreitender technischer Entwicklung das Grundgesetz vielleicht in 10, 20, 30 Jahren noch einmal ändern muss. Aber ich sage Ihnen, das ist besser als eine Blankoermächtigung für den einfachen Gesetzgeber. Wir jedenfalls finden: Der verfassungsändernde Gesetzgeber muss jederzeit bereit sein, auf technische Änderungen zu reagieren. Deswegen keine zu weite Ermächtigung. Sie sind uns da entgegengekommen, und das ist auch gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will bei dieser Gelegenheit aber ein grundsätzliches Wort sagen. Auch wenn wir heute über eine kleine Verfassungsänderung reden: Meine Bundestagsfraktion ist davon überzeugt, dass die Verfassung sich nicht einfach im Lichte des Zeitgeistes ändern darf, sondern die Verfassung ändert sich dadurch, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber, dass wir mit Zweidrittelmehrheit Änderungen beschließen. Wir wollen keine Living Constitution. Wir wollen keine Veränderung in der Verfassung, ohne dass der verfassungsändernde Gesetzgeber entscheidet.
Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deswegen war es richtig, dass wir keinen zu weiten Ausgestaltungsvorbehalt gemacht haben, sondern dass wir in Zukunft wieder mit Zweidrittelmehrheit gefragt sind. Wir wünschen uns, dass Sie diesen Grundgedanken auch bei künftigen Verfassungsänderungen berücksichtigen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Aber ehe Sie jetzt in zu großer Sorge sind, dass wir nur in Staatstheorie abgleiten und zu viel Lob für die Ampel übrig bleibt, will ich einige politikpraktische Bemerkungen loswerden. Auch wenn wir heute Artikel 82 des Grundgesetzes in der Neufassung zustimmen, bleibt das ganze Verfahren mit mindestens zwei Schönheitsfehlern behaftet:
Erstens. Sie haben sich für eine Mikroverfassungsänderung im Verkündungs- und Bekanntmachungswesen entschieden. Wir hätten es stattdessen besser gefunden, wenn Sie mit uns durchaus offen Gesamtverhandlungen über die verschiedenen Verfassungsänderungen geführt hätten, die derzeit auf dem Tisch liegen und die Sie wollen: aktive Cyberabwehr, Kinderrechte ins Grundgesetz, Fragen des Wahlrechts, der Staatsorganisation. Da gibt es unterschiedliche Fragen, und es wäre besser gewesen, nicht dieses Mikromanagement zu machen, sondern ein Gesamtpaket zu verhandeln. Wir hätten dafür zur Verfügung gestanden, und einer selbsterklärten Fortschrittskoalition hätte das auch gut zu Gesicht gestanden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Der zweite und letzte Schönheitsfehler. Sie digitalisieren sozusagen die Verkündung von Gesetzen, den Digitalisierungsprozess im Gesetzgebungsverfahren selbst bleiben Sie aber schuldig. In der Frage der Geschäftsordnung entscheiden Sie sich für ein kleines Reförmchen. Da macht die Ampel einen Alleingang ohne uns. Bei der Frage des Digitalchecks große Ankündigungen, wenig Umsetzung! Das ist zu wenig. Das ist Rosinenpickerei.
Ich sage Ihnen am Ende: Das kann nur der Anfang sein. Artikel 82 stimmen wir zu. Im Großen und Ganzen wäre von Ihnen mehr zu erwarten gewesen. Ich sage: Digitalisierte Gesetze allein helfen nicht. Ein schlechtes Gesetz, das digital verkündet ist, –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– bleibt ein schlechtes Gesetz. Deswegen muss das Ziel sein, gute Gesetze zu machen, und dafür stehen wir zur Verfügung.
Herzlichen Dank.
Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner ist für Bündnis 90/Die Grünen Dr. Till Steffen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)