Sie haben mit dieser Kampagne großen Schaden angerichtet. Sie haben das Klima vergiftet und viele Menschen zutiefst verletzt. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Deutschland sind über 10 Millionen erwachsene Menschen nicht wahlberechtigt. Viele von ihnen sind hier geboren. Sie leben und arbeiten hier. Sie sind Teil der Gesellschaft, aber eben nicht vollständig. Sie dürfen nicht wählen und nicht zu Wahlen antreten, weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft haben. Ihr Leben wird bestimmt durch politische Entscheidungen, an denen sie nicht durch Wahlen mitwirken können. Vor 60 Jahren kamen die ersten Gastarbeiter nach Deutschland. Ihnen wurde das Wahlrecht vorenthalten, genauso wie die Anerkennung ihrer Lebensleistung. Deutschland ist ein Einwanderungsland, und diese Realität muss sich endlich auch im Wahl- und im Staatsbürgerschaftsrecht widerspiegeln. Im Jahr 1972 lag der Anteil der Wahlberechtigten an der Gesamtbevölkerung bei 91 Prozent. Seitdem sinkt der Anteil stetig; 2021 lag er nur noch bei 73 Prozent. Das ist ein Problem für die Demokratie. Und hinter diesen Zahlen stehen Menschen, die ausgegrenzt werden als Einwohner zweiter Klasse. Die Einbürgerungsquote ist im europäischen Vergleich niedrig; denn eine Einbürgerung ist mit vielen Hürden, Kosten und Zeitaufwand verbunden. Das schreckt viele Menschen ab, überhaupt einen Antrag zu stellen. Deshalb begrüßen wir, dass die Bundesinnenministerin eine Erleichterung von Einbürgerungen angekündigt hat, wie auch im Koalitionsvertrag der Ampel versprochen wurde. Wer schon viele Jahre In Deutschland lebt, der soll nach fünf statt bisher nach acht Jahren eingebürgert werden können, und die doppelte Staatsbürgerschaft soll einfacher werden. Gut so! Diese Reform ist lange überfällig, um allen dauerhaft hier lebenden Menschen Partizipation zu ermöglichen, meine Damen und Herren. Und was macht die Union? Sie erklärt, die deutsche Staatsbürgerschaft werde entwertet und verramscht, wenn sie ohne Leistung vergeben werde. Was ist das denn für eine bekloppte Argumentation! Wie kann denn etwas verramscht werden, was Hunderttausende Menschen jedes Jahr ohne jede Leistung und ohne eigenes Zutun bekommen, nämlich nur durch Geburt, weil ihre Eltern zufällig Deutsche sind? Was haben Sie denn für den deutschen Pass geleistet, Herr Merz? Genauso viel wie ich: nämlich gar nichts, genauso wie die meisten Deutschen! Es ist reiner Zufall. Es ist Spermienlotterie, in welchem Land und in welche Familie man geboren wird. Warum sollte man also dieses Dokument und die damit verbundenen Rechte so vielen Menschen vorenthalten, die genauso hier geboren wurden, die genauso hier leben und arbeiten wie alle anderen? CDU und CSU spalten die Menschen, und sie spielen sie gegeneinander aus. Als würde auch nur irgendein Deutscher irgendetwas dadurch verlieren, dass jemand anders eingebürgert wird. Der Pass wird ja deshalb niemandem weggenommen. Nicht der Pass wird entwertet – Sie entwerten Menschen durch solche Debatten, meine Damen und Herren! So bereitet man den Nährboden für Hass und Gewalt auf Kosten derer, die alltäglich von Rassismus betroffen sind. Und die Gefahr von rechts wächst doch: die Morde des NSU, Halle, Hanau, der Mord an Walter Lübcke. Alle paar Tage brennt eine Flüchtlingsunterkunft. Wer in einer solchen Situation gegen Einwanderer polemisiert und Stimmung macht, der weiß doch ganz genau, was er tut. Sie sprechen, ganz im AfD-Slang, von der Einwanderung in Sozialsysteme, von Sozialtourismus und einer inflationären Vergabe von Pässen. Das ist ein gefährlicher Unsinn, und es ist ein Schlag ins Gesicht der vielen Menschen, die in den letzten Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag zum Wohlstand dieses Landes geleistet haben und an den hohen Einbürgerungshürden gescheitert sind, meine Damen und Herren. Ich fordere die CDU und die CSU, insbesondere die Hessen-CDU, dringend auf, nicht erneut eine rassistische Kampagne zur Staatsbürgerschaft zu führen! Obwohl sie bekanntermaßen Teil der Ampelkoalition ist, distanziert sich die FDP jetzt auch von der geplanten Reform. Wie schon beim Bürgergeld fungiert die FDP als Verstärker von Merz und Söder auf Kosten der Menschen, die ausgegrenzt und diskriminiert werden, ob aufgrund von Armut oder ihrer Migrationsgeschichte oder aufgrund von beidem. Die angekündigten Erleichterungen müssen schnell umgesetzt werden, sie müssen barrierefrei sein und unabhängig vom sozialen Status. Die zuständigen Behörden müssen entsprechend ausgestattet werden. Und wir werden alle Schritte unterstützen, die Menschen demokratische Teilhabe ermöglichen. Lassen Sie mich zum Schluss kurz aus den „Flüchtlingsgesprächen“ von Bertolt Brecht zitieren: Für uns zählt der Mensch!