Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob sich noch jemand an den Vertrag von Aachen erinnert. Da ging es um die Vertiefung der deutsch-französischen Freundschaft. Die AfD hat uns damals erzählt, dadurch werde sich Deutschland auflösen. Ich weiß nicht, ob sich jemand an den Global Compact for Migration erinnert. „Wir werden alle sterben“, haben Sie gesagt. Nichts davon ist passiert. Jetzt kommt die nächste Geschichte. Sie reden einfach den Weltuntergang herbei, wollen die Leute verunsichern. Ich kann Ihnen versichern: Die Deutschen sind zu schlau, um auf diesen Schwachsinn reinzufallen. Dass das die AfD macht, ist nicht neu. Was aber neu und – ich gebe zu ‑befremdlich ist, ist, dass eine Klaviatur, die ein bisschen ähnlich klingt – ich hoffe, dass sie nur so klingt –, jetzt von der Union an dieser Stelle auftaucht. Ich verstehe es nicht. Wir erinnern uns alle – zumindest wir Älteren erinnern uns – an das Sommermärchen 2006 in Deutschland. So viele Klischees über unser Land sind beseitigt worden, und zwar im Bild dieses Landes draußen in der Welt. Wir waren gastfreundlich, wir waren modern, wir waren weltoffen. So ist dieses Land, und so wird dieses Land auch draußen gesehen. Ich kann nur davor warnen, mit diesem Bild zu spielen; das wäre nicht verantwortlich. Aber es geht nicht nur um das Bild, sondern es geht auch um gesellschaftlichen Zusammenhalt, und es geht um unsere Wirtschaft. Ich verstehe ernsthaft nicht, was hier passiert. Sie reden ja auch mit der Wirtschaft. Wir reden viel mit Unternehmerinnen und Unternehmern. Ich hab das Gefühl, dass da Ihrerseits vielleicht auch mal zugehört werden sollte. Wenn man mit ihnen redet, dann sagen sie: Es gibt drei Stellen, wo der Schuh drückt. Der Schuh drückt bei den Energiepreisen. – Ja, die kostengünstigen Erneuerbaren sind von der Union in den letzten Jahren nicht ausgebaut, sondern blockiert worden. Wir bauen sie gerade aus. – Er drückt bei Rohstoffen und Lieferketten. Wir sind einseitig abhängig. Wir diversifizieren gerade mit großer Geschwindigkeit. – Und er drückt bei Arbeitskräften. Es fehlen an ganz vielen Orten Arbeitskräfte. Deshalb hat diese Koalition das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht. Das ist nicht die einzige Lösung. Das wissen wir, aber das ist nicht das Thema. Wir machen ein Chancen-Aufenthaltsrecht, damit es auf dem Arbeitsmarkt vorangeht, und wir schaffen Perspektiven für die besten Köpfe, die im internationalen Wettbewerb schauen, wo sie hinwollen. Das ist doch besser für Deutschland. Das ist das, was wir hier gerade veranstalten. Die Bluecard ist auch deswegen nicht vorangekommen, weil es diese Perspektive nicht gegeben hat. Sie machen Identitätspolitik, wir machen Wirtschaftspolitik. Sie machen Populismus, wir machen Integrationsarbeit. So ist die Arbeitsteilung in diesen Zeiten, und das ist bedauerlich. Die Lautstärke lässt vermuten, dass es eigentlich um die Zerrissenheit im Umgang mit dem Erbe von Angela Merkel geht. Dafür kann das Land aber nichts. Daher: Setzen Sie sich zusammen, und überlegen Sie, was Sie machen wollen! Ich bin dankbar und froh über diejenigen, die uns zustimmen wollen, und weiß, dass das mutig ist. Ich habe selber auch schon mal gegen meine eigene Fraktion gestimmt. Aber wenn man schaut, wie viele Leute aus Ihrer Fraktion, die nicht irgendwelche Leute sind, im Kabinett Merkel gesessen haben oder auch andere gewichtige Positionen in der Union innehatten und jetzt für unser Chancen-Aufenthaltsrecht stimmen wollen, dann sieht man doch, dass es eigentlich um die inneren Zerwürfnisse der Union geht. Dabei müssen Sie gar nicht auf uns hören. Rita Süssmuth hat damals die Kommission geleitet, die gesagt hat: Wir brauchen ein Punktesystem. – Der Baustein „Einwanderung“ ist ein Asset des Standorts Deutschland. Hören Sie doch auf den BDI, die BDA, den DIHK oder die Wirtschaftsweisen; die werden Ihnen alle dasselbe sagen. Aber ich will noch eine Sache wirklich versuchen zu verstehen. Ich verstehe, ehrlich gesagt, schlicht und einfach nicht, wenn hier beispielsweise vom „Verramschen“ gesprochen wird in Bezug auf Leute, die überhaupt nur zu uns kommen können, wenn sie ihren Lebensaufenthalt selber verdienen können. Ich frage mich das als einer, der hier heute nicht stehen könnte, wenn es die Mehrstaatigkeit in Härtefällen in diesem Land nicht geben würde, eine Gesetzgebung, von der Sie heute sagen: „Die wird doch reichen“, die Sie damals im Übrigen komplett bekämpft haben. Ich frage mich: Warum haben Leute weniger Rechte, wenn andere mehr Rechte haben? Das ist doch das, was Sie hier suggerieren. Sie führen hier eine Neiddebatte. Das macht aber überhaupt keinen Sinn. Die einzige Möglichkeit, wie ich mir das erklären kann, ist eine Loyalitätsparanoia. Aber dahinter ist halt einfach nichts. Diese Loyalitätsparanoia braucht es nicht. Ich bitte wirklich flehentlich darum: Lassen Sie diese Debatten sein! Die Krisen sind zu groß. Dieses Land steht vor immensen Herausforderungen. Wir müssen an dieser Stelle zusammenstehen und alles dafür tun, um nicht noch weiter zu spalten. Das ist so dringend notwendig! Wir strecken die Hand aus, um solche Debatten normal, sachlich und rational miteinander zu führen, beispielsweise zur Frage: Was ist gut für den Arbeitsmarkt? Das sollten wir zusammen tun zum Wohle unseres Landes. Herzlichen Dank.