Die Worte, die Sie in Ihren Reden benutzen, unterstreichen das auch. Das kommt aus der rechten Ecke alle paar Jahre hoch wie das Ungeheuer von Loch Ness – von ganz unten. Danke. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer drei Kinder hat und 100 000 Euro im Jahr bekommt, zahlt keine Steuern mehr. – Hört sich nett an, ist aber hinterhältig. Die AfD missbraucht den Begriff „Familie“, um die Gleichberechtigung zu untergraben. Sie will das Ehegattensplitting erweitern und nennt dies wohlklingend „Familiensplitting“. Neu ist das nicht wirklich. Es folgt natürlich, ohne irgendeine Nähe zu vermuten, total zufällig der nationalsozialistischen Ideologie, mithilfe von Steuerpolitik Frauen aus dem Erwerbsleben fernzuhalten. Mit Berücksichtigung der wechselseitigen Unterhaltsverpflichtung wollen wir das Ehegattensplitting abschaffen, weil es die Partnerin – in aller Regel – mit geringerem Einkommen geradezu motiviert, keiner bezahlten und sozialversicherten Erwerbsarbeit nachzugehen. Es unterstützt das überholte Familienbild: Die Frau kümmert sich um Kinder, Küche und manchmal auch noch um Kirche. Nein. Da viele Leute keine Einkommen- bzw. Lohnsteuer zahlen, weil sie schlicht zu wenig Lohn haben, würde ihnen eine weitere Steuersenkung durch ein Familiensplitting eben nicht helfen. Für hohe Einkommen wäre es aber eine deutliche und spürbare Steuersenkung. Allerdings würde sich der fiskalische Effekt, also Steuermindereinnahmen, mit dem dann fehlenden Geld für Betreuung – Krippe, Kita, Schulen usw. – kreuzen. Wir haben es gehört: Über 67 Milliarden würden dafür fehlen. Und am Ende würde noch verstärkt, was jedenfalls wir nicht wollen: Kinder und Frauen bleiben zu Hause. Das ist der eigentliche Hintergrund des AfD-Antrags. Das ist alles ziemlich durchschaubar. In Deutschland werden Ehepaare derzeit gemeinsam besteuert. Dadurch entsteht ein Splittingvorteil, der umso größer ist, je weiter die Einkommen auseinanderliegen. Ich war letzte Woche bei einem Vortrag von Professor Marcel Fratzscher beim Deutschen Frauenrat. Er hat glasklar dargestellt, wie sich die Elemente der gemeinsamen Besteuerung, also auch unser Ehegattensplitting, in den Einkommensteuergesetzen von 17 europäischen Ländern und auch der USA auswirken: Je mehr gemeinsam besteuert wird, desto weniger Erwerbsarbeitsstunden haben die Frauen. Das sind zum Beispiel in Belgien 339 Stunden und in Deutschland 279 Stunden weniger im Jahr. In Ländern, die kein oder wenig Splitting haben, sieht es hingegen anders aus: In Norwegen sind es 38 Stunden und in Schweden null Stunden. Alleine durch das Ehegattensplitting arbeiten die Frauen hierzulande fast 280 Stunden weniger im Jahr. Was das für den Arbeitsmarkt, für den Fachkräftemangel, für den Arbeitskräftemangel heißt, muss ich hier wohl nicht erklären. Aber was ich schon erklären will, ist, was das für die Renten der Frauen heißt: In Estland beträgt die Rentenlücke von Frauen und Männern 2 Prozent, in Dänemark 7 Prozent, in Großbritannien 34 Prozent und in Deutschland 37 Prozent. Das sind auch Auswirkungen dieser Steuersplittinggesetzgebung. Deshalb können wir froh sein, wenn wir hier ein paar Zuwanderinnen und Zuwanderer haben, die auch mal unsere Renten zahlen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Es bringt uns hier nicht weiter, Reiche zu bevorzugen. Wir sind auf dem richtigen Weg mit dem Recht auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule, mit der Erhöhung des Kindergeldes, mit der Beibehaltung der Kinderfreibeträge, mit der Kindergrundsicherung. Das sind die Themen, an denen wir arbeiten. Das sind die Themen, die Familien vorwärtsbringen. Familiensplitting, das hört sich nett an. Aber nett ist halt doch nur die kleine Schwester von … Sie wissen schon. Wir wollen mit dem Steuerrecht Einkommen möglichst gerecht besteuern und nicht Rollen verteilen. Es ist also klar, dass wir den Antrag ablehnen, wie letztes Mal. Künftig können wir die Reden von der AfD aus dem letzten Protokoll kopieren und einfügen. Dann könnten wir uns viel Zeit ersparen.