Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern war ein großartiger Tag. Wir als Koalition leiten ein neues Kapitel in der Handelspolitik ein – ein Kapitel, das Klimaschutz und Nachhaltigkeit endlich in den Mittelpunkt der Handelspolitik stellt und nicht, wie es in der Vergangenheit passiert ist, als Anhang betrachtet. Deshalb war es so wichtig, dass das Bundeskabinett gestern entschieden hat, aus dem Energiecharta-Vertrag auszusteigen; das ist ein historischer Schritt. Deutschland kündigt den klimaschädlichsten Handelsvertrag auf, den die Europäische Union jemals abgeschlossen hat. Es war völlig absurd, dass deutsche Unternehmen die Niederlande vor einem internationalen Schiedsgericht verklagen konnten, weil die Niederlande den Kohleausstieg beschlossen haben. Es ist völlig absurd gewesen, dass Vattenfall vor einem internationalen Schiedsgericht gegen den deutschen Atomausstieg klagen konnte. Damit ist in Zukunft Schluss. Wir haben uns in der Koalition auf eine umfassende Neuausrichtung der Handelspolitik geeinigt. In Richtung der Union – weil ich mir ungefähr vorstellen kann, was Frau Klöckner, die gleich nach mir spricht, sagen wird –: Das geht, wenn man sich zuhört. Das geht, wenn man die Argumente gegenseitig ernst nimmt und nicht stur mit dem Kopf durch die Wand will, wie die Union das in den letzten Jahren praktiziert hat. Sie haben in der Handelspolitik in den letzten Jahren nämlich einfach gar nichts hingekriegt. Mit der Ampel geht es jetzt voran. Wir haben uns darauf verständigt, auf europäischer Ebene zuzustimmen, als die Kommission den Vorschlag gemacht hat, dass künftig Klimaschutz und Nachhaltigkeit mit einklagbaren Standards versehen werden. Das ist etwas, was vor einigen Jahren nur die Grünen und die Umweltbewegung in Deutschland gefordert haben. Jetzt wird das gemeinsame europäische Realität. Dass man solche Handelsabkommen vereinbaren kann, hat die Europäische Union vor Kurzem mit Neuseeland gezeigt. Es ist richtig und es ist gut, dass die Kommission das Abkommen mit Neuseeland zum Goldstandard ihrer Handelspolitik erklärt hat. Wir haben auf der anderen Seite auch klar gesagt: Mit dem alten System der Schiedsgerichte ist Schluss. Deswegen haben wir uns darauf verständigt, Investitionsschutzabkommen in Zukunft nur noch dann ratifizieren zu wollen, wenn sie sich auf die beiden Paragrafen konzentrieren, die für Unternehmen wirklich relevant sind, nämlich direkte Enteignung und Diskriminierung aufgrund der Tatsache, dass man ein ausländisches Unternehmen ist. Mit den anderen beiden Paragrafen, die missbräuchlich angewendet wurden, die Grundlage für viele Klagen waren, ist in Zukunft aufgrund unserer Handelsagenda Schluss. Und ja, wir zeigen auch bei CETA, was geht, wenn man sich einig ist, was geht, wenn man einander zuhört. Wir haben es geschafft, gemeinsam mit der Europäischen Kommission, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten der EU und gemeinsam mit Kanada einen Vorschlag zu machen, genau diese beiden missbrauchsanfälligen und gefährlichsten Standards der Investitionsschutzverträge zu reformieren, einzuschränken, klarzumachen, was in Zukunft alles nicht gemeint ist. Damit werden missbräuchliche Klagen gegen Klimaschutz und gegen Nachhaltigkeit in Zukunft Geschichte sein. Ein letzter Punkt, weil ich ja aus der Union höre, dass Sie von einem neuen TTIP träumen. Ich frage mich immer wieder, ob Sie eigentlich eine Politik ohne jeglichen Bezug zur Realität machen. Denn: Wo sind denn die USA, über die Sie da reden? Wo sind denn die USA, die bereit wären, ein solches Abkommen mit uns zu verhandeln? Die existieren heute nicht, und die haben auch in der Vergangenheit nicht existiert. TTIP ist gescheitert, schon unter Obama – nicht aufgrund der europäischen Umweltschutzbewegung. Ich hätte mich gefreut, wenn ich mich hier hätte hinstellen und sagen können: Das war unser Erfolg. – Tatsächlich war es das Ergebnis von nicht übereinzubringenden Interessen ökonomischer Art zwischen der EU auf der einen Seite und den USA auf der anderen Seite. Diese Differenzen existieren heute in noch größerem Maße. Deswegen ist Teil einer realistischen Handelspolitik, dass man sich anschaut, was geht, dass man nicht von gigantischen Monsterverträgen träumt, die sich gegenseitig blockieren und die zu Recht von den Menschen infrage gestellt werden, sondern dass man sagt: Lasst uns kleinere Regeln finden! Lasst uns da vorangehen, wo es pragmatisch auch sinnvoll ist! Lasst uns Gremien nutzen, wie den transatlantischen Trade and Technology Council, wo wir eh schon miteinander über Standards sprechen! Da kann man realistisch vorankommen. Lasst uns über Umweltschutzgüter sprechen! Lasst uns mal Ernst machen damit, dass die EU und die USA ein großer gemeinsamer Wirtschaftsraum für Nachhaltigkeit sind, so wie es die amerikanische Regierung auch verkündet hat! Da liegen Chancen. Wer immer in der Vergangenheit hängen bleibt, der kann die Zukunft nicht gestalten. Das ist vielleicht eine Lehre für Sie als Union.