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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon grotesk: Immer wenn es hier um Änderungen bei der Erbschaftsteuer geht,
wenden Sie als Gegner dieser Steuer verlässlich dieselben Kommunikationsstrategien an. Der Bevölkerung wird suggeriert, dass bei Erbschaften künftig viel höhere
Steuern anfallen. Das wird unterfüttert mit den allerschlimmsten, dramatischsten Horrorszenarien: Enkel müssen das von Oma geerbte Haus verkaufen, weil die
Steuerlast so stark steigt; Familienbetriebe werden an Hedgefonds verkauft, damit die Erben die Steuerzahlung leisten können. – Es sollen sich möglichst viele
Menschen angesprochen fühlen, auch diejenigen, die vielleicht ein relativ normales Erbe erwarten oder eventuell auch gar nichts erben. Frei nach dem Motto
„Vorsicht, der Staat will euch was wegnehmen“.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Strategie konnten wir zum Beispiel 2016 in voller Blüte beobachten, als wir die Erbschaftsteuer nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
das letzte Mal reformiert haben bzw. reformieren wollten. Es gab damals nämlich eine sehr aggressive Lobbykampagne, die in Ihrer Fraktion auf offene Ohren
stieß. Dadurch wurde der gute Vorschlag, mit dem das Steuerprivileg für Erben von Betriebsvermögen reformiert werden sollte, am Ende total verwässert.
Gerade das ist ja am Ende die große Ungerechtigkeit. Bei hohen Erbschaften handelt es sich in der Regel um hohe Unternehmensanteile. Wer
beispielsweise mehr als 20 Millionen Euro erbt, zahlt im Durchschnitt weniger als 2 Prozent Erbschaftsteuer, wer hingegen weniger als 500 000 Euro erbt, das
klassische Eigenheim etwa, muss im Durchschnitt über 10 Prozent Erbschaftsteuer zahlen. Das ist nicht Maß, das ist nicht Mitte, das ist die eigentliche
Ungerechtigkeit im Erbschaftsteuersystem.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aufgrund Ihrer bekannten Kommunikationsstrategie ist die Erbschaftsteuer so unbeliebt. Befragungen zeigen, dass sich etwa 70 Prozent gegen die
Erbschaftsteuer aussprechen. Dabei erbt die Mehrheit der Deutschen überhaupt nichts. Tatsächlich erben weniger als 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland
etwas. Diejenigen, die frühmorgens aufstehen und hart arbeiten, erarbeiten sich ihr Vermögen durch Lohnarbeit und nicht durch das Erben von höheren
Vermögenswerten und Immobilien.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Die sollen das auch vererben dürfen!)
Insgesamt ist auch die Höhe der Erbschaften sehr ungleich verteilt. Zwei Drittel aller Erbschaften gehen an die 20 Prozent der Menschen mit den
höchsten Vermögen. Dabei geht es um richtig viel Geld. Circa 300 Milliarden Euro werden pro Jahr vererbt. Dagegen ist das Aufkommen der Erbschaftsteuer mit
knapp 10 Milliarden Euro eher gering. Das zeigt, wie klein das Problem, das Sie in Ihrem Antrag hochschreiben, eigentlich ist.
Es ist ja auch nicht so, dass alle Erbschaften voll versteuert werden. Die Freibeträge sind angesprochen worden: 500 000 Euro für Ehepartnerinnen und
Ehepartner, bis zu 400 000 Euro für Kinder, 200 000 Euro für Enkel. Der selbstgenutzte Wohnraum muss von den benannten Personengruppen überhaupt nicht
versteuert werden, jedenfalls nicht, wenn der Erblasser zuvor in der Immobilie gewohnt hat und die Erben mindestens zehn Jahre weiter darin wohnen.
In einer Wohngemeinschaft!)
Wer also das berühmte normale Haus von Oma und Opa erbt, um darin zu wohnen, der wird in Deutschland keine Erbschaftsteuer zahlen. Sie machen aus
einer Mücke einen Elefanten. Das muss man hier mal deutlich machen.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was ist der Anlass für diese Debatte? Das Bundesverfassungsgericht hat uns einen Auftrag gegeben: Wir müssen dafür sorgen, dass bei der Berechnung der
Erbschaftsteuer der tatsächliche Wert der Immobilien, also der Verkehrswert, verwendet wird. Das ist fair und richtig. Bei anderen Vermögenswerten wird schon
der tatsächliche Wert berücksichtigt; bei Immobilienwerten ist das noch nicht der Fall. In diesem Zusammenhang – das haben Sie schon gesagt – ist die
Immobilienwertermittlungsverordnung geändert worden. Und zwar von wem? Vom Bundesinnenministerium. Damaliger Innenminister war? Richtig, Horst Seehofer von der
CSU.
Die geänderte Verordnung soll nun auf das Bewertungsgesetz und damit auf die Erbschaftsteuer übertragen werden. Es ist richtig, das kommt vom
Bundesfinanzministerium. Es war aber von allen zu erwarten. Das war nichts Überraschendes.
Das muss man noch mal deutlich sagen! Das ist richtig!)
Es hat keine Hintertür, keine Tricks gegeben, wie Sie es hier zu suggerieren versuchen.
Aber dafür fühlt ihr euch ziemlich ertappt!)
Die neue Berechnungsgrundlage führt natürlich dazu, dass eine Immobilie höher bewertet werden kann. Das liegt daran, dass der Wert einer Immobilie
steigt; das haben Sie eben gut beschrieben. Es kann aber auch das genaue Gegenteil der Fall sein. Werte von Immobilien sind unterschiedlich und ändern sich. Wie
bereits erwähnt, wird in den allermeisten Fällen aufgrund der Freibeträge und des selbstgenutzten Wohneigentums gar keine Erbschaftsteuer fällig werden.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])
Obwohl die Union diese Änderung 2021 selbst eingeleitet hat, sind Sie sich heute nicht zu schade, wieder eine klassische Angstkampagne zu führen.
Flankiert wird diese Kampagne dann meistens von den einschlägigen Lobbyverbänden, Anwaltskanzleien, Notaren,
Ganz schlimme Mitbürger!)
die natürlich fleißig daran mitverdienen. Dazu kommen dann die wildesten Rechenbeispiele. Diese kursieren zuerst in den sozialen Medien und werden
dann von der Tagespresse nachgeplappert. Sie senden eigentlich die Botschaft: Die Ampel will abkassieren, wenn du Wohneigentum erbst.
Das wollen Sie doch auch!)
Das soll heimlich, still und leise eingeführt werden.
Kollege Oehl, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Stefinger?
Vielen Dank, Herr Kollege, vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben gerade Lobbyverbände angesprochen. Herr Kollege,
ich möchte Sie fragen, wie Sie denn die Aussagen des Mietervereins München beurteilen, der sagt, die Erbschaftsteuer führe gerade in Ballungsräumen wie
beispielsweise München zu steigenden Mieten.
Das hat Kollege Schrodi gerade erklärt!)
Ich bin sicher, dass es bei diesem Thema nicht um links oder rechts geht.
Lachen bei Abgeordneten der SPD)
Mietervereine und Eigentümerverbände sind sich einig,
Wo ist denn da Einigkeit?)
dass die Erbschaftsteuer ein Miettreiber in Ballungsräumen ist. Ich darf darauf hinweisen, dass ich aus München komme. In dieser Stadt befinden sich
80 Prozent der Mietwohnungen in Privateigentum. Hier wird bei den Mieten eine drastische Veränderung eintreten, weil sich nämlich viele Erben die
Erbschaftsteuer gar nicht mehr leisten können. Sie können diese nicht zahlen, es sei denn, sie erhöhen die Mieten drastisch, weil sie nur dann ein Bankdarlehen
bekommen,
Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
oder sie verkaufen an Investoren, die dann nicht mehr 9 oder 10 Euro für den Quadratmeter verlangen, sondern 15 oder 20 Euro oder sogar noch mehr in
Innenstadtlagen.
Zuruf des Abg. Michael Schrodi [SPD])
– Doch, das stimmt. Ich lade Sie herzlich nach München ein.
Herr Schrodi erklärt Ihnen das!)
Ich meine, dass gerade die SPD, auf deren Plakaten im Wahlkampf es auch um Respekt vor Mietern ging, hier eine entsprechende Rolle zu spielen hat. Ich
lade Sie herzlich ein. Vielleicht unterhalten Sie sich auch mal mit dem Münchener Oberbürgermeister, SPD, über dieses Thema.
Denn genau diese Erbschaftsteuer und diese Bewertungsregeln führen dazu, dass Mietwohnungen verkauft werden.
Würden Sie das bitte anerkennen? Ich stelle in dieser Debatte fest, dass weder die Linken noch die SPD –
Er hat keine Redezeit von seiner Fraktion bekommen! Das ist das Problem!)
– noch die Grünen irgendwas für günstige Mieten machen. Von daher möchte ich Sie hier um Ihre Bewertung bitten.
Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege, ich gehe gerne darauf ein. Das, was Sie beschreiben, ist ja das Problem, das man in Bayern hat, nämlich dass der Wohnraum, der mal in
öffentlicher Hand war, privatisiert wurde. Das ist ja das eigentliche Problem
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Weil ihr schlecht gewirtschaftet habt! Ihr habt das
Tafelsilber verscherbelt! Das ist eure Schuld!)
in der Wohnraum- und in der Mietpreisdebatte. Das ist nicht nur ein bayerisches Problem, das ist auch ein hessisches Problem. Da wurde das Tafelsilber
verscherbelt. Ich komme aus der Rhein-Main-Region. Ich weiß sehr gut, wovon Sie reden. Aber – ich habe es eben angesprochen – es gibt Freibeträge, gerade für
die unmittelbaren Erben, für die Kinder. Meine Eltern haben ein Haus im Rhein-Main-Gebiet, und meine Brüder und ich werden es wahrscheinlich irgendwann mal
erben. Aber mit diesen Freibeträgen, glaube ich, wird es weiterhin eine gute Lösung geben. Wie gesagt, das Problem, das Sie ansprechen, besteht darin, dass zu
viel Wohnraum in privater Hand ist und damals von der öffentlichen Hand verkauft wurde.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Genau! Sehr gut! Ihr weicht immer mehr zu den
Kommunisten aus!)
Ich fahre fort. Die Union nutzt jetzt natürlich diese selbstinitiierte Debatte, um höhere Freibeträge zu fordern. Ich bin der Meinung: Die aktuellen
Freibeträge und Regelungen reichen aus, damit in den meisten Fällen für selbstgenutztes Wohneigentum gar keine Erbschaftsteuer anfällt. Wenn eine Villa im Wert
von mehreren Millionen Euro vererbt wird, dann muss dafür Erbschaftsteuer gezahlt werden. Das ist richtig und wichtig so.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Darüber, dass Sie jetzt in dem Antrag eine regionale Anpassung der Freibeträge fordern, musste ich ein bisschen schmunzeln; denn diese Forderung kam
ja aus Bayern, kam von Markus Söder. Das geerbte Haus am Starnberger See ist natürlich stärker im Wert gestiegen als beispielsweise ein Haus in der Uckermark.
Aber wieso für dieses Haus ein höherer Freibetrag gelten soll als für ein ebenso wertvolles Haus in Hessen, in Mecklenburg-Vorpommern oder in Brandenburg, das
erschließt sich mir überhaupt nicht. Das ist am Ende weder Maß noch Mitte. Das ist am Ende wieder bayerische Klientelpolitik.
Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich rate den Bürgerinnen und Bürgern Folgendes: Bleiben Sie cool!
Cool bleiben bei Ihrer Energiepolitik!)
Befassen Sie sich in Ruhe mit den Fakten! Dann stellen Sie am Ende fest, dass sich für Sie in den meisten Fällen gar nichts ändert. Den Kolleginnen
und Kollegen rate ich: Lehnen Sie diesen Antrag ab!
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Für die AfD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Kay Gottschalk das Wort.
Beifall bei der AfD)