Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie wenig überraschen: Wir lehnen Ihren Haushalt heute ab, und zwar aus einer ganzen Reihe von Gründen. Sie geben auch mit diesem Haushalt keine überzeugende Antwort, wie Sie der Inflation in diesem Land fiskalpolitisch entgegenwirken wollen. Stattdessen halten Sie die öffentliche Nachfrage weiter hoch, womit Sie die Inflation im Zweifel weitertreiben. Herr Minister, Sie haben von Rekordinvestitionen gesprochen. Sie haben nicht davon gesprochen, dass auch die konsumtiven Ausgaben des Staates bei Ihnen auf einem Rekordniveau liegen. Vor allem lehnen wir Ihren Haushalt aber deswegen ab, weil der Bundeshaushalt für 2023 die finanzpolitische Realität in diesem Land nicht widerspiegelt. Herr Minister, Sie sagen, dass Sie nach drei Jahren den Bundeshaushalt in eine Lage der Normalität zurückführen würden und die Schuldenbremse wieder einhalten wollen. Sie haben heute deutlich tiefer gestapelt als in der Vergangenheit – aus meiner Sicht richtigerweise; denn oft verschweigen Sie dabei, dass Sie sich in diesem Jahr 360 Milliarden Euro in Sondervermögen vom Bundestag haben genehmigen lassen, um die Politik für die nächsten Jahre durchzufinanzieren. Vor allem – und das ist viel weitreichender – verschweigen Sie, dass Sie mit diesem Vorgehen, Rücklagen in der Notsituation zu bilden – unter Hinweis auf die Notfallklausel der Schuldenbremse –, die Blaupause dafür geschaffen haben, wie Sie und kommende Finanzminister – und im Übrigen auch die Länder – die Schuldenbremse künftig immer dann umgehen können, wenn Regierungskoalitionen das wollen. Dass Sie mit diesem Vorgehen die Blaupause dafür geliefert haben, zeigt sich nicht nur daran, dass Sie dieses Vorgehen dieses Jahr zweimal angewendet haben, sondern auch daran, dass wir, wenn man in das Saarland oder nach Niedersachsen schaut, jetzt auch schon die ersten Bundesländer sehen, die so handeln. Herr Minister, Sie wollen mit diesem Bundeshaushalt den Eindruck erwecken, der Verteidiger der Schuldenbremse zu sein. Tatsächlich steht – Stand heute – zu befürchten, dass Sie damit, dass Sie diese Blaupause erfunden haben, als der Finanzminister in die Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik eingehen werden, der den Weg dafür gebahnt hat, die Schuldenbremse umgehen zu können. Herr Minister, Sie haben als liberaler Finanzminister in einem Jahr Amtszeit das geschafft, woran Ihr sozialdemokratischer Vorgänger vier Jahre lang durch den Widerstand der Union gescheitert ist, nämlich die Schuldenbremse auszuhöhlen und die Glaubwürdigkeit der Schuldenbremse zu untergraben. Daran ändert auch die Argumentation nichts, dass Sie die Schulden zur Krisenbewältigung vom regulären Haushalt, von den regulären Ausgaben trennen wollen. Ich kann durchaus verstehen, dass Sie, um Ihre Koalitionspartner mit ihren Ausgabenwünschen im Zaum halten zu können – SPD und Grüne haben allerlei Ideen, für was die eigentlich für die Krisenbewältigung vorgesehenen Mittel stattdessen ausgegeben werden sollten –, ein entsprechendes Instrument brauchen. Sie selber haben das gerade Selbstbindung genannt. Es mag für den einen oder anderen hier überraschend klingen, aber man kann auch ohne eine solche Trennung der beiden Ausgabenarten im regulären Bundeshaushalt Ausgaben transparent darstellen, sparsam mit Steuergeld umgehen und Mehrausgaben und damit weitere Schulden vermeiden. Das würde allerdings voraussetzen, Prioritäten zu setzen, und das würde erfordern, dass Sie angesichts der aktuellen Krisen, die Sie richtigerweise ansprechen, kostspielige Projekte Ihres Koalitionsvertrages erst einmal hintanstellen. Und um an der Stelle mit einer Legendenbildung aufzuräumen, die auch heute hier wieder oft zu hören war: Wie man priorisieren kann, wie das geht, haben wir Ihnen allein in der Bereinigungssitzung mit 370 Änderungsanträgen gezeigt, die Sie allesamt abgelehnt haben. Damit wären 19 Milliarden Euro an Einsparpotenzial generiert worden. Herr Minister, ich sehe durchaus, wie Sie, Ihr Haus und auch Ihre Fraktion versuchen, den Bundeshaushalt zusammenzuhalten. Um das zu erreichen, würde es allerdings nötig sein, dass Sie sich als Finanzminister in dieser Regierung die Kapitänsbinde anziehen und sich gegen Ihre Koalitionspartner durchsetzen. Was Sie stattdessen tun, ist, die Glaubwürdigkeit der Schuldenbremse zu unterwandern, um den ohnehin brüchigen Burgfrieden in Ihrer Koalition zu erhalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Gefüge einer Volkswirtschaft ist der Staat kein unabhängiger Dritter, der unbegrenzt Geld schaffen, Geld schöpfen kann, um es unbegrenzt zu verteilen und alles zu kompensieren, was volkswirtschaftlich gerade passiert. Die Aufgabe von Haushaltspolitik ist es stattdessen, einen Teil dessen, was erwirtschaftet worden ist, politisch sinnvoll im Land umzuverteilen. Wird die Schuldenbremse umgangen, dann ebnen wir den Weg, Ausgaben dauerhaft mit Schulden zu finanzieren. Das heißt am Ende nichts anderes, als dass wir Geld ausgeben, das nicht erwirtschaftet worden ist und das kommende Generationen erst noch werden erwirtschaften müssen. In diesem Zusammenhang ist der Bundeshaushalt, über den wir heute abstimmen, keine Trendwende in der Finanzpolitik der Ampel, sondern ein weiteres Puzzleteil im Gesamtgefüge einer Finanz- und Haushaltspolitik, die auf Rekordschulden und eine Unterwanderung der Schuldenbremse abzielt. Angesichts dessen, dass Sie den Weg dafür bereitet haben, wie heute und in Zukunft Bund und Länder im Zweifel die Schuldenbremse umgehen können, werde ich, lieber Otto Fricke, nicht mit Shakespeare enden, sondern stattdessen mit Goethe. Wenn wir sehen, was manche Länder jetzt beginnen, Herr Minister, dann könnte man sagen: Sie sind gewissermaßen der Zauberlehrling der kreativen Buchführung mit dem Ziel, die Schuldenbremse zu umgehen. Deswegen hoffe ich inständig, dass wir nicht bald von Ihnen und aus Ihren Reihen hören werden: Vielen Dank.