Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Minister! Die heutige Haushaltsdebatte findet knapp ein Jahr nach dem Start der Ampelregierung statt – ein guter Anlass zu einer ersten Bilanz der Ampel- Rechtspolitik. Geprägt ist dieses erste Ampeljahr in der Rechtspolitik von Absichtserklärungen, Eckpunktepapieren, aber eben kaum von konkreten Gesetzentwürfen, die das Kabinett passiert hätten. Aus einem Wasserfall von Ankündigungen wurde bis heute ein tropfendes Rinnsal an Gesetzgebung. Dass eine solche Untätigkeit am Beginn einer Wahlperiode keineswegs einem politischen Naturgesetz folgt, zeigt ein Blick auf die letzte Wahlperiode: Da hatten wir schon vor der Sommerpause große Gesetzgebungsvorhaben abgeschlossen, etwa das Gesetz zur Einführung der Musterfeststellungsklage. Ohne die Anträge unserer Fraktion, der Unionsfraktion, würde der Rechtsausschuss derzeit fast nur Themen anderer Ausschüsse mitberaten. Der direkte Vergleich zwischen unseren Initiativen und dem eigenen Vakuum ist der Ampel im Rechtsausschuss offenbar wirklich peinlich, da sie seit Wochen Anhörungen zu unseren Anträgen verhindert. Beispiele sind der Gesetzentwurf zur Unterbringung in einer Erziehungsanstalt, unser Antrag zur IP‑Adressenspeicherung oder der Gesetzentwurf zu digitalen Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht. Unser Antrag, mit dem wir die längst überfällige Unterstützung der Bundesregierung für ein internationales Sondertribunal gegen den russischen Angriffskrieg einfordern, wurde gleich ganz in den Auswärtigen Ausschuss geschoben. Die Rechtspolitik, meine Damen und Herren, war einst das Herzstück der Gesetzgebung im Bundestag. Unter der Ampel droht nun der Herzstillstand. Dass Sie hier Oppositionsrechte unterminieren, ist die eine Sache. Die andere Sache aber ist, was Sie damit unserer parlamentarischen Demokratie antun. Wenn wir gemeinsam in Europa für die Macht des Rechts werben wollen, dann wirkt es wenig glaubhaft, wenn für Sie im Deutschen Bundestag nur die Macht der Mehrheit zählt. Mit Ihrer Mehrheit – ich muss das leider ergänzen – scheuen Sie auch nicht davor zurück, die Entscheidungen von Richterinnen und Richtern in unserem Land zu diskreditieren. Sie stellen die neue, wie ich finde, absurde Gesetzgebungsregel auf, dass bei Änderung einer Rechtsnorm nicht nur das Recht für die Zukunft angepasst wird, sondern zugleich die Gerichtsurteile der Vergangenheit kassiert werden, so etwa bei der beschlossenen Zulassung von Werbung für Abtreibungen oder bei der geplanten Cannabis-Legalisierung, bezogen auf das Bundeszentralregister. Ich will Ihnen gerne glauben, dass das nicht Ihre Absicht ist; aber auch so kann man das Vertrauen in die Gerichte als zentrale Institution unseres Staates untergraben. Ich habe darauf hingewiesen: Mangels Masse kann man Ihre Rechtspolitik bisher kaum anhand von Gesetzgebung beurteilen. Schauen wir aber auf die diversen Ankündigungen zu Gesetzen, so kann ich dem aktuellen Stillstand der Gesetzgebung manchmal sogar etwas abgewinnen. Dazu nur zwei Kostenproben. Beim sogenannten Selbstbestimmungsgesetz soll die Trennung von biologischem und rechtlichem Geschlecht nicht mehr eine Ausnahme sein – als solche brauchen wir natürlich die Möglichkeit, es zu trennen –, sondern Geschlecht und Vorname sollen jährlich frei wählbar werden. Passend dazu ermuntert die Familienministerin Kinder schon heute, Pubertätsblocker einzunehmen. Auch mit der geplanten Abstammungsrechtsreform ist ein familien- und gesellschaftspolitischer Umbau geplant. Mit solchen und ähnlichen Projekten wollen Sie das Koordinatensystem unserer Gesellschaft massiv nach links verschieben. Wenn dann ein angefressener FDP-Vorsitzender am Abend der Niedersachsen-Wahl beklagt, die FDP werde in der Öffentlichkeit als linke Partei in einer linken Koalition wahrgenommen – so hat es Herr Lindner gesagt –, so sollte er mal seinen Justizminister fragen, ob das vielleicht einfach an linker Politik liegen kann. Das ist ganz einfach; es ist wie in der Wirtschaft: Wer mit dem Image seines Produktes nicht zufrieden ist, der kann viel Geld für Marketing ausgeben, aber besser ist es, das Produkt einmal zu überarbeiten. Dieser problematische Kurs verschont auch das Wirtschaftsrecht nicht. Ich nenne das Hinweisgeberschutzgesetz. Das ist im Kern europarechtlich vorgegeben, aber eben nicht in der Ausprägung. In der öffentlichen Anhörung haben es Sachverständige zerpflückt, insbesondere wegen der übermäßigen Belastung der Wirtschaft. Dieser Bürokratieaufwuchs ist das glatte Gegenteil des vom Finanzminister versprochenen Belastungsmoratoriums. Ich empfehle bei diesem Gesetz daher: Gehe zurück auf Los! Das Richtige soll gemacht werden, und das möglichst schnell. Schauen wir in den Haushalt, dann sehen wir, dass dieser – ja, linken – Gesetzgebung auch noch eine kleinmütige Haushaltspolitik gegenübersteht. Frau Kollegin Hoppermann hat dazu schon einiges ausgeführt. Aus Ihrem Haushalt spricht an allen Ecken und Enden ein minimalistisches Verständnis von der Rolle des Bundes in der Rechtspolitik. Den Pakt für den Rechtsstaat soll es nur noch digital und projektbezogen geben. Da war mal mehr vorgesehen, nämlich die Fortführung unseres, von der CDU/CSU initiierten, Rechtsstaatspaktes. Das haben Sie jetzt klammheimlich abgeräumt. Auch dass Sie die Bundesfinanzierung des Regensburger Instituts für Ostrecht schrittweise auf null zurückfahren wollen, mag zwar ein kleines Beispiel sein, aber ein besonders skandalöses. Sie verweisen im Ausschuss lapidar auf den Freistaat Bayern, der sich doch um die Rechtsentwicklung in Osteuropa kümmern solle. Wir meinen: Gerade in diesen Zeiten hätten die Rechtsordnungen unserer europäischen Partner auch die Aufmerksamkeit des Bundes verdient. Meine Damen und Herren, besonders bitter ist schließlich, dass Ihr mangelndes Engagement für den Rechtsstaat im föderalen Verbund seine Entsprechung im fehlenden effektiven Einsatz für die Schwächsten in unserer Gesellschaft findet, nämlich im mangelnden Einsatz für unsere Kinder. Sie weigern sich – das Thema kennen Sie –, den Spielraum des Europäischen Gerichtshofs zur Speicherung der IP‑Adressen zu nutzen. Damit verhindern Sie die Aufklärung von schweren Missbrauchsfällen. Wir lassen Ihnen das nicht durchgehen und werden es immer wieder ansprechen. Nach europäischem Recht bestünde die Möglichkeit, da etwas zu tun. Sie nutzen nur Quick Freeze, das so gut wie gar nichts bringt. Wir fordern weiterhin ein effektives Schutzinstrument für unsere Kinder ein. Meine Damen und Herren, ich verstehe, dass das alles schmerzhaft für Sie ist. Ich könnte diese Mängelliste fortsetzen, will das mit Blick auf die Zeit nicht tun. Aber ein Unterschied ist ziemlich deutlich geworden, nämlich der zwischen Ihrer und unserer Rechtspolitik. Sie sehen die Rechtspolitik als Vehikel für den Umbau der Gesellschaft. Wir sehen sie als gemeinsame und gesamtstaatliche Aufgabe zur Stärkung des Rechtsstaates und zum Schutz der Menschen. Vielen herzlichen Dank.