Moin, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Werte AfD, ich glaube, man muss Ihnen mal den Unterschied zwischen Enteignung und Diebstahl erklären. Es wird seit Jahrzehnten in Deutschland enteignet. Das hat nichts mit Diebstahl zu tun. Im Infrastrukturbau ist das ganz normal: Wenn Autobahnen irgendwo lang müssen und man muss die Flächen haben, dann wird das bezahlt. Das ist etwas ganz Normales. Denn privates Eigentum ist ein hohes Gut. Es genießt den besonderen Schutz unserer Verfassung. Dieser Schutz ist Basis für Vertrauen und Wertschöpfung in unserem Land. Enteignungen sind schwere Eingriffe in diese Eigentumsrechte – so weit, so klar –, und deswegen sind sie auch nur in einem wirklich engen verfassungsrechtlichen Rahmen nach Artikel 14 des Grundgesetzes überhaupt möglich, und zwar mit einer entsprechenden Entschädigung. Alles andere würde das Vertrauen in unseren Rechtsstaat gefährden, werte Damen und Herren; denn der Staat hat den Auftrag, das Eigentum zu schützen. Aber es gibt Szenarien, in denen wir das Vertrauen in unseren Rechtsstaat nur gewährleisten, indem wir für das Interesse aller die Interessen Einzelner zurückstellen. Es ist dabei wichtig, dass wir dieses konkrete Mittel auch in Krisenzeiten nutzen können; denn in so einer Krise – ich glaube, das ist unbestritten – befinden wir uns jetzt. Darum brauchen wir die Novelle des Energiesicherungsgesetzes, die wir gerade vorbereiten. Denn wir mussten nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine lernen, dass Privateigentum nicht nur geeignet ist, Marktinteressen zu befriedigen und ein Angebot für die Nachfrage sicherzustellen. Nein, wenn es um kritische Infrastrukturen wie Gasspeicher, Pipelines und Ähnliches geht, kann das auch als Waffe eingesetzt werden. Darum haben wir im Frühjahr reagiert – das wurde gerade schon genannt –: Wir haben die damalige Gazprom Germania auf gesetzlicher Grundlage unter staatliche Kontrolle gestellt. Das war auch richtig so, das war gut, und es hat uns das beschert, was wir jetzt haben: Wir haben gerade die absurde Situation, dass wir so viel Gas verfügbar haben, dass der Preis in den Keller gerauscht ist. Wir sind bei 9 Cent auf dem Spotmarkt, wir sind auf den Terminmärkten sogar bei 12 Cent pro Kilowattstunde. Jetzt machen wir uns auf den Weg, dafür zu sorgen, dass die Preise auch bei den Verbrauchern ankommen, und zwar über die Gas- und Strompreisbremse; das wurde schon gesagt. Auch das ist ein staatlicher Eingriff. Die Möglichkeiten der staatlichen Eingriffe zur Treuhand und zur Enteignung, die wir für Infrastrukturen und für Energieträger geschaffen haben, haben das gesellschaftliche Vertrauen also nicht geschwächt, sondern ganz im Gegenteil: Sie haben es gestärkt. Das war ein wesentlicher Beitrag für mehr Versorgungssicherheit in Deutschland, meine Damen und Herren. Nun zeichnen sich kritische Infrastrukturen dadurch aus, dass sie eine besondere Bedeutung haben – sonst würden sie nicht „kritisch“ heißen –, und sie sind wichtig für die Gewährleistung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in diesem Land. Die von mir gerade angesprochenen Gasspeicher und Pipelines gehören dazu, in dieser Krise allemal. Aber es gibt auch kritische Güter. Das sind Güter, die unerlässlich dafür sind, dass wir die Infrastruktur überhaupt nutzen können. Ich meine Güter, die zwar wichtig, aber auch sehr knapp am Markt sind und im Extremfall auch nicht mehr zu beschaffen sind, wie zum Beispiel diese Rohre. Mit der Änderung des Energiesicherungsgesetzes müssen wir es in irgendeiner Weise schaffen, diese Rohre in unseren Besitz zu bringen, um damit die Sicherheit dieses Landes gewährleisten zu können. Das wird alles vergolten werden, das wird alles bezahlt werden. Damit stärken wir die Versorgungssicherheit in Deutschland weiter, meine Damen und Herren. Anders gesagt: Während sich die Union mit Strafen für Klimakleber beschäftigt, kümmert sich die Ampelkoalition um die großen Herausforderungen in diesem Land. Die Enteignung kritischer Güter ist zugegebenerweise sehr riskant und sehr abstrakt. Aber sie muss gemacht werden, damit wir sicherstellen können, dass wir weiterkommen in diesem Land und dass wir die Produktion und die einzelnen Heizungen im Land laufen lassen können. Deswegen haben wir auch frühzeitig entschieden, LNG-Infrastruktur an den deutschen Küsten aufzubauen, um Flüssiggas beziehen zu können: Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Stade, Lubmin; das muss ich jetzt nicht alles wiederholen. Von den Speichern, in denen das Gas dann eingespeichert wird – in Jemgum, Etzel, Kraak und vielen anderen –, wird es ins Netz gespeist, und wir werden damit gut durch den Winter kommen. Das ist ein Erfolg dieser Ampel. Es ist aber trotzdem ein Problem, dass auch die beste Infrastruktur noch gebaut werden muss. Damit die Fließbänder laufen, damit die Wohnungen warm bleiben, müssen die schwimmenden Terminals mit dem Gasnetz verbunden werden. Und da haben wir die große Herausforderung; denn wir alle kennen die angespannte Situation auf dem Weltmarkt. Wir sehen, was in Sachen Stahlproduktion los ist, und wir wissen, wie viele stahlrohrproduzierende Firmen es überhaupt noch gibt. In Deutschland gab es noch zwei; eine ist gerade ins Straucheln geraten. Also müssen wir als Staat, als Ultima Ratio, auch in der Lage sein, privates Eigentum zu nutzen, um diese Infrastruktur zu bauen und das wirtschaftliche und soziale Leben in diesem Land aufrechtzuerhalten: Opfer im Kleinen bringen, um das große Ganze zu schützen. Ja, Enteignungen sind schwere Eingriffe in das Privateigentum. Darum bin ich auch der Meinung, dass wir diese Eingriffe nur in Krisen vornehmen dürfen. Trotzdem ist es aber wichtig, dass wir aktuell eventuell Einzelne belasten, um Schaden von allen abzuwenden. Denn das ist unser Auftrag hier im deutschen Parlament. Wir sind die Vertretung aller hier in Deutschland. Das muss im Mittelpunkt stehen. In diesem Sinne vielen Dank.