Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist noch gar nicht so lange her, da durften oder mussten wir uns an einem Freitagnachmittag in einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der AfD über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unterhalten. Wirklich Neues gab es damals nicht. Der erste Redner versprach, dass der zweite Redner etwas ankündigen wolle, und das tat er dann auch. Er kündigte an, dass seine Fraktion einen Antrag in den Deutschen Bundestag einbringt. Aha. Der Rest war das bekannte Geschwurbel, der oft vorgetragene Hass auf Journalisten und Medienschaffende, das Lamento über Ungerechtigkeiten und Unverstandensein; das Übliche halt. Die Kollegen vom rechten Rand haben aber tatsächlich Wort gehalten. Sie haben einen Antrag eingebracht, allerdings keinen Antrag, in dem sie ihre Vorstellungen und Reformideen für die Medienlandschaft in Deutschland aufzeigen; vielleicht gibt es die ja auch gar nicht. Stattdessen wollen sie eine Enquete-Kommission einberufen. Auch gut – oder eben nicht. Denn während die bisherigen Enquete-Kommissionen die großen Themen und Herausforderungen ihrer Zeit einer umfassenden, tiefen und ausgewogenen Diskussion und Durchleuchtung unterzogen, ist das durch den vorliegenden Antrag gar nicht erst vorgesehen. Schon bei den zu diskutierenden Fragestellungen werden die Stichworte vorgegeben: „Haltungsjournalismus“, „Mainstreaming“, „selektive Nachrichtenauswahl“, eben das, was Sie in Ihren Redebeiträgen schon immer präsentiert haben, eben das, womit Sie glauben Ihre Filterblase zu befriedigen. Sie stellen die deutsche Medienordnung infrage und wollen die Legitimität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überprüfen. Sie wollen die Axt anlegen an das Fundament unserer freien, pluralistischen Medienordnung. Wir nicht. Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Staatsferne, das gleichberechtigte Nebeneinander von privaten und öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen, föderale Verantwortlichkeit: All das ist durch unser Grundgesetz geschützt, und wir werden es verteidigen. Ja, es ist kompliziert: Abstimmungsprozesse, Staatsverträge, Landes- und Bundesebene und Europa. Aber gerade die föderale deutsche Medienordnung wurde in den Gründungsjahren der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der bitteren Erfahrungen am Ende der Weimarer Republik gewählt, zum Schutz der Freiheit und der Vielfalt. Natürlich verändern sich die Medienlandschaften rasant. – Nein, danke. – Zeitungsverlage sterben. Die jüngeren Generationen beziehen ihre Informationen aus dem Netz, begegnen dort Fake News und Hasskampagnen. Unsere Medienlandschaft ist durch Disruption geprägt. Die Sendeanstalten, Verlagshäuser und Medienunternehmen müssen selbst erst eine Antwort darauf finden. Das betrifft Programminhalte genauso wie Geschäftsmodelle. Voraussetzung für Medienvielfalt sind aber lebendige und zahlreiche Medienhäuser und Sendeanstalten. Es ist unverständlich, dass Vorschläge zur Presseförderung immer noch nicht vorliegen. Hier hat sich in der letzten Wahlperiode bereits die Große Koalition lächerlich gemacht. Herr Habeck – Frau Brantner ist zwischenzeitlich auch weg –, Frau Roth, kommen Sie endlich in die Puschen! Mit Gutachten allein und dem Warten darauf werden Sie das Zeitungssterben nicht verhindern; die Zeit drängt. Wer in diesem Zusammenhang die Nase über Anzeigenblätter mit redaktionellen Inhalten rümpft, hat keine Ahnung davon, wie die Informationsversorgung im ländlichen Raum funktioniert. Ganze Generationen – hier die älteren – haben im ländlichen Raum genau diese Anzeigenblätter oft als einzige Informationsquelle für regionale Nachrichten. Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger hat recht, wenn er die großen Herausforderungen der Medienordnung der Zukunft in der Frage sieht, ob sich meinungsbildende Qualitätsinhalte auch in Zukunft unternehmerisch noch lohnen. Ja, auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich der kritischen Diskussion stellen. Die Vorschläge von kundigen Privatpersonen wie Tom Buhrow überhäufen sich und sind radikaler, als vor einigen Monaten noch vorstellbar. Aber auch hier tragen wir die Verantwortung, Reformprozesse anzustoßen, die Diskussion mit den Ländern zu suchen und gleichzeitig die Stärken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht zu zerreden. Keine Enquete-Kommission ersetzt, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Länder selbst leisten müssen. Gerade in Zeiten von Polarisierung und Desinformation müssen die Sendeanstalten glaubhaft und breit informieren und ihre zentralen Beiträge dazu leisten, dass wir eine offene, vielfältige, tolerante und demokratisch gefestigte Gesellschaft bleiben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere Aufgabe, den rasanten Veränderungsprozess in der weltweiten Medienlandschaft auch regulatorisch vernünftig zu begleiten. Es ist unsere Verantwortung, die Werte unseres Grundgesetzes, die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger, zu verteidigen. Es ist unsere Pflicht, durch eine vielfältige, lebendige Medienlandschaft Informationsquellen für alle Menschen zu ermöglichen, für Jung und weniger Jung, in der Großstadt wie im ländlichen Raum. Damit schützen wir Freiheit und Vielfalt. Damit stärken wir unsere Demokratie. Danke.