Kommen wir zu Ihren inhaltlichen Ausführungen, in deren Mittelpunkt ja ein rein gesinnungspolitischer Ansatz steht, den Sie hier vorgestellt haben. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es Ihnen als AfD ernsthaft um die gegenwärtigen Skandale beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ginge, also um Fragen von Korruption, Untreue, Vorteilsnahme, Nepotismus, dann würden Sie das ja mit irgendeinem Wort in Ihrer Rede oder in dem Antrag erwähnt haben. Sie tun das aber nicht; und das ist äußerst verräterisch. Sie kommen sofort zur Grundsatzdebatte, zur allgemeinen Ausführung über die Situation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, über die angebliche Linkslastigkeit und all das. Diese Form der extrem durchschaubaren Instrumentalisierung bei Ihrem Abgesang auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist verwerflich, unredlich, übrigens unabhängig davon, wer sie betreibt. Kein Mensch kann mir erklären, inwiefern diese heftigen Skandale von Korruption, vom Missbrauch öffentlicher Gelder, vom Missbrauch von Beiträgen dadurch aufgearbeitet würden, dass wir jetzt Debatten über die Zahl von Rundfunkorchestern, über die Programmgestaltung oder Ähnliches führen. Das sind zwei getrennte Debatten. Es ist einfach unsauber, unredlich und reiner Missbrauch, das so miteinander zu verbinden. Erster Punkt. Sie beklagen, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestimmte Opfergruppen immer zu stark erscheinen, betonen Märtyrerhaltungen und Viktimisierung. Sie aber sind die Großmeister der Viktimisierung und gerieren sich hier eben wieder als die Märtyrer, die gegen das Establishment ankämpfen. Sie leben aber von diesem Establishment; ohne dieses Establishment säße keiner von Ihnen hier. Sie sollten also dankbar sein und nicht die treten, denen Sie Ihre Existenz verdanken. Unsere Meinungsfreiheit ist so groß, dass wir sogar Sie erdulden und Sie die Möglichkeit haben, hier sprechen zu können. Zweiter Punkt. Sie prangern in der Begründung Ihres Antrages auch die „Kulturkämpfer“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und im Journalismus an. Es gibt aber keine größeren Kulturkämpfer als Sie. Wenn man behauptet, es gebe Kulturkämpfer, man es in Wirklichkeit aber selbst ist, dann nennt man das „Doppelmoral“. Sie sind also auch die Weltmeister der Doppelmoral. Dritter Punkt. Sie beklagen die Identitätspolitik in den Reihen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch hier sehe ich nicht den Zusammenhang zu den gegenwärtigen Skandalen. Wer macht denn in diesem Hause und in diesem Land mehr Identitätshuberei und Identitätspolitik als Sie? Insofern formulieren Sie da offensichtlich eine Anklage gegen sich selbst. Vierter Punkt – auch das ist in Ihren Elogen längst nicht zum ersten Mal wahrzunehmen –: Sie kritisieren, wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dramatisiert würde, wie skandalisiert würde. Selbstverständlich. Ich freue mich. Ich danke ausdrücklich für diese Frage, die mir ja wunderbare Vorlagen gibt; deswegen ist das eine Art Dienstleistung Ihrerseits. Zum einen. Sie haben es ja selbst benannt; ich musste es also gar nicht aussprechen. Sie haben Populismus gleich benannt; Sie benennen gleich selbst das, was Sie tun. Dafür bin ich Ihnen erst mal dankbar. Zum Zweiten. Wenn Sie diese Kausalität sähen, wie Sie sie eben ausgeführt haben, wenn Ihre Ausführungen in dem Antrag zur Einrichtung einer Enquete-Kommission im unmittelbaren Zusammenhang mit den Skandalen um Machtmissbrauch, Verschwendung von Mitteln, sogar kriminellen Delikten stünden: Warum schreiben Sie das nicht in den Antrag hinein, und warum hat Herr Renner das hier nicht ausgeführt? Es ist eine etwas dünne Begründung, dass Sie das in der vergangenen Debatte getan hätten. Sie haben es heute nicht getan. Insofern muss ich Sie leider an dem messen, was Sie hier vorgetragen haben und was hier vorliegt. Im Übrigen würde es, selbst wenn Sie den Zusammenhang erläutern würden, logisch überhaupt nicht funktionieren. Denn Ihre ganzen Ausführungen eben in der Rede und in diesem Antrag haben überhaupt nichts mit der Bekämpfung der Missstände, über die wir reden, zu tun und bringen hier keinen Millimeter Fortschritt. Das ist ja der Verrat, den Sie begehen – das, finde ich, ist das Besondere –: Sie verraten die Mitarbeitenden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks doppelt, nämlich zum Ersten, indem Sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und all diejenigen, die da arbeiten, diejenigen, die nicht betrogen haben, sondern die für die Demokratie mit kritischem Journalismus arbeiten, nicht in ihrer tagtäglichen Arbeit unterstützen, und zum Zweiten, indem Sie so tun, als ob deren Situation durch Ihren Antrag verbessert würde. Mitnichten ist das der Fall. Zum nächsten Punkt. Da haben Sie auch vorgeführt, was ich angesprochen habe; deshalb war das hier so eine Art performative Bestätigung meiner Ausführungen. Ich habe hier gesagt, Sie gerieren sich als Märtyrer. Sie haben das verneint und haben sich dann eben selbst wieder als Märtyrer dargestellt. Das finde ich etwas widersprüchlich. Die AfD kann sich wahrlich nicht beschweren über Präsenz im privaten wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieses Land bietet Ihnen als erklärten Gegnern der Demokratie und ihrer Werte reichlich Raum. Und es bietet auch Ihren Paralleluniversen, all Ihren Kanälen, die Sie bedienen, Möglichkeiten. Die Plattformen, die Sie dort zitieren – „Die Achse des Guten“, „Tichys Einblick“ usw. –: Sind die verboten? Sind die untersagt? Nein, Sie können Ihren Irrsinn und Ihren Widersinn und Ihren Rassismus und Ihren Populismus täglich unbeschränkt in dieses Land hinausblasen. Also: Hören Sie endlich auf mit diesem unerträglichen, mimosenhaften Selbstmitleid! Das ist es nämlich. Sie klagen andere an und behaupten – das ist ja auch Ihr Geschäftsmodell –, Minderheiten würden dramatisieren und ihr Schicksal in den Vordergrund stellen. Sie sind es doch! Sie sind in Ihrem Auftreten doch die Drama Queens der deutschen Politik par excellence, und das auch noch in einer extrem patriarchalen Form. Kommen wir zu einem weiteren Aspekt Ihrer nicht nachvollziehbaren Logik. Wenn Sie behaupten – ich versuche ja, mich in Ihr Paralleluniversum und Ihren Antrag hineinzudenken –, dass die ganze Plattformisierung und Oligopolisierung Sie aufregen, Sie bekümmern, warum wollen Sie dann genau das, was ein Korrektiv darstellt, nämlich Qualitätsjournalismus, nämlich einen starken, guten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, abwickeln? Warum wollen Sie dieses Mittel gegen die toxischen Entwicklungen, die Sie angeblich so besorgen, einfach abschaffen? Das ist scheinheilig, und auch das ist wieder doppelmoralisch und widersprüchlich. Kurzum: Wenn es so käme, wie Sie es fordern, wenn also diese Enquete-Kommission letztlich das Ergebnis brächte, das Sie sich wünschen, dann hätten wir tatsächlich eine Landschaft, in der Desinformation und Hass viel größere Freiräume hätten. Das wäre für Sie sicher eine bequeme Situation. Die Pointe ist aber, glaube ich, dass Sie sich das gar nicht unbedingt wünschen. Sie wünschen sich gar nicht, dass der öffentlich rechtliche Rundfunk verschwindet; denn Ihr Business Case ist ja, dass Sie als Anti-Establishment diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer wieder anklagen können. In dieser selbstgewählten Rolle des Anklägers finden Sie sich großartig; deshalb wollen Sie auch gar nichts ändern. Sie sind null interessiert an faktischen Reformen. Ihnen kommt es darauf an, anklagen und skandalisieren und popularisieren zu können. Das ist das Motiv dahinter. Deswegen dürfen wir diesem Druck, den Sie versuchen zu erzeugen, nicht nachgeben, übrigens auch nicht in Reihen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ich warne davor, dass sich Sender unter Druck setzen lassen und diesem Druck in vorauseilendem Gehorsam auch nur ein bisschen nachgeben. Bekanntlich ist sprichwörtlicher Selbstmord aus Angst vor dem Tode kein gutes medienpolitisches Konzept, und deshalb sollte man es auch nicht anwenden. Im Übrigen – das erlauben Sie mir als jemandem, der ausdrücklich für Reformen beim Programm ist, auch für mehr Partizipation –: Ich finde, wir sollten die Verhältnismäßigkeit wahren. Wir haben jetzt im Iran und an vielen anderen Orten Revolutionen. Aber sicher löst eine Rede im Übersee-Club in Hamburg keine Revolution aus. Lassen wir die Kirche da also mal im Dorf! Zum Nächsten. Wenn Sie den Untergang der Demokratie so beschwören, sehen, dass hier die Freiheit auf dem Spiel steht, dass wir ein essenzielles Problem mit der ganzen Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben: Wo haben wir denn wirkliche Probleme? Fragen Sie mal die Opfer des NSU, die seit Jahrzehnten keine Berücksichtigung erfahren! Fordern Sie dafür Enquete-Kommissionen? Oder für Hanau? Nein! Das sind essenzielle Fragen und Skandale der Demokratie, aber gewiss nicht der Zustand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Also: Hören Sie auf mit dieser Politik der politischen Instrumentalisierung! Hören Sie auf damit, plötzlich runde Tische und große gesellschaftliche Debatten zu begrüßen, wo Sie sie sonst immer ablehnen! Das ist durchschaubar, das zerstört Vertrauen in die Politik, und damit machen Sie genau das, was Sie am öffentlich-rechtlichen Rundfunk kritisieren. Vielen Dank.