Sie haben jetzt reingerufen: nein, die Atomkraft wird beendet sein –, dann ist das schon eine hohe Form der Dialektik, der wir nicht mehr folgen können. Guten Morgen, sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär Kühn, dass Sie hier so gegen Ihren Koalitionspartner FDP austeilen, hätte ich jetzt nicht gedacht. Sie haben eben gesagt, Sie hätten bei der Anhörung zugehört. Es gibt schon einen Unterschied zwischen Zuhören und Verstehen und dann auch noch böser Unterstellung. Ich verstehe ja, dass gerade die Grünen ein Problem haben, dass es Ihnen schwerfällt, diesen Gesetzentwurf heute einzubringen und Ihre Haltung zur Kernkraft zu überarbeiten und stückweise der Realität anzupassen. Das kann ich verstehen. Aber was ich nicht verstehen kann, ist, dass Sie Ihre Schmerzen und Windungen abarbeiten an einer Opposition, die mit Fakten argumentiert und nicht mit Ideologie, so wie Sie das hier machen. Ich kann Sie verstehen, liebe Grüne, wenn man einen Jürgen Trittin in den eigenen Reihen hat, der immer quer im Stall steht und sagt, er lasse sich sein Lebenswerk nicht – Zitat – versauen. Daran sieht man natürlich, dass die Kernkraftdebatte für Sie zu einem Selbstzweck geworden ist. Es geht hier überhaupt nicht um die Frage, wie wir dieser Energiekrise, die Menschen Arbeitsplätze kostet, die diesen Wirtschaftsstandort Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig macht, die die Menschen abends wegen der steigenden Energiepreise mit Sorgen ins Bett gehen lässt, mit einer Zeitenwende Herr werden können. Eigentlich bedarf es einer Neujustierung der politischen Sichtweisen. Aber wenn jemand bei Ihnen sagt: „Ich lasse mir mein politisches Lebenswerk nicht zerstören“, oder in Niedersachsen plakatiert wird: „Bye-bye, AKWs“, dann geht es Ihnen nicht mehr um die Sache, nicht mehr um die Menschen, sondern um Ihren Gründungsmythos, und das wird diesem Land nicht gerecht. Das will ich Ihnen sehr deutlich sagen. Auch mit einem weiteren Märchen möchte ich mal aufräumen. Wir haben einen jährlichen Strombedarf von etwa 600 Terawattstunden in Deutschland. Die Hälfte davon wird durch Strom aus erneuerbaren Energien gedeckt. Da kann ich nur sagen: Danke für 16 Jahre Bundesregierung unter CDU und CSU! – Ja, Sie lachen jetzt. Ich weiß, dass Fakten wehtun. Deshalb lachen Sie ja heute auch Ihre große Ikone Greta Thunberg aus. Sie haben sie ja lange beklatscht, aber jetzt lachen Sie sie aus. Im Übrigen lachen Sie auch die Experten Ihrer Gaspreiskommission aus. Sie lachen damit jetzt die Wirtschaftsweisen aus. Sie lachen damit jetzt Studien der Uni Erlangen aus, die genau das besagen, nämlich dass am Ende durch einen Energiemix der Energiepreis gesenkt und die Unabhängigkeit in Deutschland gesichert werden könnte. Es geht doch nicht um alles oder nichts. Es geht doch darum, wie wir einen guten Energiemix hinbekommen. Das wäre mit einer Laufzeitverlängerung um zwei Jahre möglich. Eines habe ich jetzt gelernt, und zwar vom Kollegen Träger, der ja schon den Sekt kalt stellt. Nach Ihrer Lesart und der der Ampel ist es ja so, dass der Krieg sehr sicher am 15. April 2023 beendet sein wird. Dass Sie das wissen, ist hochinteressant. Und wenn Sie sagen, dass dann auch die Energiekrise beendet sein wird – Sie sagen, die Kernkraftnutzung sei so schlimm, dass Sie das Ihren Kindern nicht zumuten können, und das habe nichts mit dem Krieg zu tun – Stichwort: 15. April nächsten Jahres. Wenn Sie Ihren Kindern in die Augen schauen wollen, müssten Sie die Kernkraftnutzung heute beenden. Warum stimmen Sie dann heute überhaupt noch der Verlängerung zu? Also, Sie müssen doch mal ehrlich bleiben und sagen, was Sie hier umtreibt. Entweder sind es Fakten, oder es ist Ideologie, oder es ist das Machtwort des Kanzlers, der bei einer so wichtigen Frage heute nicht hier sitzt. Es geht hier auch um die Standortfrage. Ich will in diesem Zusammenhang eines betonen: Ihr Lieblingswort im Koalitionsvertrag ist ja „Transparenz“; fast 30‑mal haben Sie dieses Wort genutzt. Aber eine ergebnisoffene und transparente Prüfung hat ja nicht stattgefunden, weil ein grüner Staatssekretär den Passus, dass eine AKW-Laufzeitverlängerung eine CO2-Reduktion um 25 bis 30 Millionen Tonnen bewirken würde, aus dem Vermerk streichen ließ. Das heißt, Ihnen geht es doch gar nicht mehr um den Klimaschutz. Ihnen geht es doch nur noch um Parteiprogrammatik, und da nehmen Sie Doppelmoral in Kauf. Das, muss ich sagen, ist mehr als fragwürdig; denn Sie entsolidarisieren sich mit anderen Ländern in Europa. Bei Uniper steigt der Bund ein, Uniper baut Kernkraftwerke in Schweden. Andere Länder in Europa müssen höhere Preise zahlen, auch ärmere Länder, nur Deutschland nutzt die eigenen Möglichkeiten nicht. Ich sage sehr klar: Wir haben auch eine Verantwortung anderen gegenüber. Wir wollen gefracktes Gas importieren, aber selber hier nicht fördern. Wir wollen Kernenergie importieren, aber selber hier nicht produzieren. Das ist Wegschieben von Verantwortung. Das ist wie moderner Kolonialismus, und das haben die Grünen zu verantworten. Ich bin sehr froh – und damit schließe ich –, dass unser Fraktionsvorsitzender im Vergleich zu dem der FDP, der das nicht ertragen kann, heute da ist. Hiermit gratuliere ich ihm sehr herzlich zu seinem heutigen Geburtstag.