Leider noch nicht endgültig; denn nach wie vor ist die Endlagerfrage für den hochradioaktiven Atommüll ungelöst. Der Zeitplan kann, so wissen wir heute, nicht gehalten werden. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine stellt uns jetzt vor neue Herausforderungen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Noch vor einem Jahr hätte ich mir nicht träumen lassen, diese Rede hier zu halten. Für mich und meine Fraktion ist die heutige Änderung des Atomgesetzes eine schwere Entscheidung. Meine große Tochter wurde im Herbst 1985 geboren. Der erste Frühling, den sie erlebt hat, war der Frühling, der keiner war. Im April 1986 gab es radioaktiven Fallout in weiten Teilen Europas, der die Kinder zum Drinnenbleiben zwang und kein Krabbeln im Freien auf dem Boden erlaubte. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wurde noch deutlicher, was vielen schon lange klar war: Atomkraft ist keine Lösung. Sicher ist nur das Risiko. 2001 war der rot-grüne Atomausstieg geschafft, aus dem Union und FDP 2010 wieder ausgestiegen sind. Aber nach Fukushima hat dieser Bundestag einstimmig erneut beschlossen, endgültig aus der Atomenergie auszusteigen. Diese Entscheidung war eine der wichtigsten Entscheidungen der Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung, mit der ein gesellschaftlicher Großkonflikt befriedet wurde. Erstens. Putin setzt Energie als Waffe ein. Die Abhängigkeit von russischem Gas, in die uns 16 Jahre unionsgeführte Bundesregierungen gebracht haben, hat sich als fatal erwiesen. – Es ist so. Zweitens. Obwohl die deutschen Gasspeicher dank der Bemühungen des BMWK heute zu nahezu 100 Prozent gefüllt sind, müssen wir weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Energieversorgung in Betracht ziehen. Drittens. Die Atomenergiepolitik unseres französischen Nachbarn gefährdet die dortige Energieversorgung massiv, weil die Hälfte der französischen Atomkraftwerke wegen technischer Mängel oder Wassermangel stillstehen. Das stellt auch unsere Energieversorgung vor Herausforderungen; denn damit erhöhen sich die deutschen Stromexporte nach Frankreich. Wir stellen uns dieser Herausforderung auf ganzer Linie. Zum einen haben wir die 16‑jährige Blockade der Union der erneuerbaren Energien aufgelöst und auf allen Ebenen den Ausbauturbo eingelegt bei Wind- und Solarenergie. Weil das aber nicht kurzfristig durch den Winter hilft, ergreifen wir zahlreiche Maßnahmen zur Substitution russischen Erdgases. Die sind alle schon genannt. Es ist gut, dass wir zunächst alle diese Register der Energieversorgung gezogen haben, statt wie andere sofort auf die Atomkraft zu schielen. Denn die aktuelle Energiekrise hat nichts, aber auch gar nichts an der Gefährlichkeit atomarer Technologie geändert. Ganz im Gegenteil: Sie hat uns deren Verwundbarkeit deutlich vor Augen geführt. Gerade wenn wir in die Ukraine sehen, wo Atomkraftwerke zu Angriffszielen werden, wissen wir doch: Jeder Tag länger bei der Atomenergie ist ein Tag zu viel. Der Stresstest hat deutlich gezeigt, dass die drei zur Rede stehenden AKW nur wenig zur Stabilisierung beitragen können. Gerade deshalb wäre die Vorhaltung als Notfallreserve, wie wir sie ursprünglich vorgeschlagen haben, eine angemessene Lösung gewesen. Das Atomkraftwerk Emsland trägt nun gar nichts dazu bei, ist auch energetisch kontraproduktiv, was den Ausbau der erneuerbaren Energien angeht. Die heutige Lösung mit sofortigem Streckbetrieb für alle drei Atomkraftwerke bis längstens 15. April 2023 entspricht dem nur in Teilen. Wir können sie aber aus folgenden Gründen mittragen: Erstens. Es bleibt beim Atomausstieg. Zweitens. Es werden keine neuen Brennelemente beschafft und damit auch kein neues Risikomaterial und keine Grundlage für weitere Verlängerungen. Die Union legt uns hier den Ausstieg aus dem Atomausstieg vor. Alle zwei Jahre wollen Sie eine Laufzeitverlängerung machen. Sie nehmen dabei das dadurch entstehende Risiko billigend in Kauf. Wie Sie das in Kauf nehmen, haben wir gesehen, als Ihr Sachverständiger in der Anhörung in Bezug auf den Betrieb von Atomkraftwerken gesagt hat: Wo gehobelt wird, fallen Späne. – Atomkraftwerke sind keine Hobelmaschinen, und den Atommüll können Sie auch nicht unter den Teppich kehren. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die zeitlich befristete Erweiterung des Leistungsbetriebs ist für mich und die meisten Mitglieder meiner Fraktion eine Zumutung. Aber wir muten sie uns zu, weil der Atomausstieg damit bestehen bleibt und weil es im Gegensatz zum Entwurf der Union keine Laufzeitverlängerung gibt und keine neuen Brennstäbe und weil wir keine Abstriche bei der nuklearen Sicherheit machen. Das Wort des Kanzlers ist auch unseres. Am 15. April 2023 ist Schluss. Danke schön.