Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir gegen Ende der Debatte drei Bemerkungen. Herr Kollege Hartmann, wir sind uns nicht immer einig, so auch heute nicht bei der Rede. Aber in der Wahlrechtskommission hat Kollege Hartmann einen sehr klugen Satz gesagt. Er sagte nämlich – und das ist die erste Bemerkung –: Das Wahlrecht muss über jeglichen Zweifel erhaben sein. – Gemeint ist damit, dass wir, wenn wir hier über das Wahlrecht diskutieren, immer alles unternehmen müssen, um parteiübergreifend und im Übrigen auch unter Einbindung der Opposition zu einem Ergebnis zu kommen, sodass eben nicht an irgendeiner Stelle der Eindruck entsteht, hier könnten tatsächlich parteipolitische Eigeninteressen eine Rolle gespielt haben. Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Wir von der Union sind schon besorgt, wenn wir sehen, wie Sie vor allem die zwei Anträge von uns, die der Kollege Heveling vorhin skizziert hat, im Innenausschuss mit einer fadenscheinigen Begründung einfach weggewischt haben. Im Übrigen sind das Anträge, die für die europäischen Wahlen wirklich wichtig gewesen wären, weil wir uns ernsthaft die Frage stellen müssen: Wie bringen wir das Europarecht, dieses ominöse Ding „Brüssel“, näher an den Wähler? Da wären sowohl die Sperrklausel als auch der Direktwahlakt ein taugliches Instrument gewesen. Das wischen Sie weg. Was Sie haben wollen, ist die Altersgrenze 16 Jahre. Die Erklärung ist auch ganz einfach – und da wird es schon schwierig –: Die Ampel ist sich einig, und dann verkündet sie. Nein. Die Kollegin von den Grünen, glaube ich, oder von der SPD hat vorhin so dick aufgetragen, dass ich keine Zwischenfragen zulasse. Die zweite Bemerkung. Wir brauchen maximale Sachlichkeit in diesen Debatten. Entschuldigung, schauen Sie sich die Debatte heute doch mal an. Ich hätte es mir leicht machen – da oben sehe ich viele junge Menschen – und in die Runde rufen können: „Wir trauen euch das zu“, und das Ding wäre gefrühstückt gewesen und hätte Applaus bekommen. Aber, meine Damen, meine Herren, so einfach ist die Fragestellung nicht. Tatsächlich war es doch so, dass keiner Ihrer Redner heute ein ernsthaftes wahlrechtliches, verfassungsrechtliches oder staatsrechtliches Argument gebracht hat. Vielmehr ging es darum, Emotionen und Stimmungen zu bedienen. Es ist keiner Ihrer Redner auf die Anhörungen eingegangen, außer der Kollege Hartmann, der offensichtlich in einer völlig anderen Anhörung war; denn in der Anhörung haben namhafte Verfassungs- und Staatsrechtler erhebliche Bedenken gegen die Senkung des Wahlalters vorgebracht. Sie bringen im Übrigen nicht ein tragfähiges Argument zur Kernfrage. Die Kernfrage ist ganz einfach: Warum liegt das Wahlalter aktuell bei 18? Das Wahlalter liegt deshalb bei 18, weil es in unterschiedlichen Bereichen – medizinisch, psychologisch und biologisch fundiert – Studien und Erkenntnisse gibt, dass man davon ausgehen kann, dass ein junger Mensch ab 18 die Konsequenzen seines Handelns überblicken kann. Deswegen gilt die Geschäftsfähigkeit ab 18. Deswegen können Sie ein Fahrzeug ohne Begleitung mit Führerschein führen, wenn Sie 18 sind. Selbst das Jugendstrafrecht tritt ab 18 in den Hintergrund; allerdings hat der Gesetzgeber noch eine Art Sicherheitszulage bis 21 eingeräumt. Sie können an keiner Stelle erklären, warum das jetzt ausgerechnet beim Wahlrecht in Europa anders sein soll. – Frau Präsidentin, es gibt eine Zwischenfrage. Die Kollegin drängt es. Selbstverständlich. – Ich darf mir das immer noch aussuchen. Ich bin für Ihre Frage sehr dankbar. Der Sachverhalt ist in der Anhörung ganz konkret angesprochen worden. Noch mal: Namhafte Verfassungsrechtler, im Übrigen auch Verfassungsrichter, haben genau erklärt, wo der Unterschied besteht. Es ist nämlich nicht so, dass man ein Wahlrecht ab Geburt hat, was dann vorenthalten wird, sondern es wird letztendlich qua Gesetz zugeteilt. Das ist genau derselbe Grund, warum Jugendliche zum Beispiel keinen Handyvertrag abschließen dürfen. Das wäre auch Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit, und trotzdem kann es der Gesetzgeber beschränken. Sie können letztendlich nicht erklären – und das ist doch das Problem –, warum Sie hier einerseits behaupten: „Wir trauen jungen Menschen zu, zu wählen“, und andererseits sagen: Wir trauen ihnen nicht zu, einen Handyvertrag abzuschließen. Vorhin kam das Argument: 53 Prozent der jungen Menschen engagieren sich öffentlich, auch in Debatten. Das ist ja richtig – das bestreitet niemand von uns –, aber Sie würden doch nie gelten lassen, wenn ich argumentiere: Ungefähr 100 Prozent aller jungen Menschen mit 16 haben ein Handy, und deswegen müssen wir jetzt plötzlich das Recht ändern und den Menschen die Möglichkeit einräumen, einen Handyvertrag abzuschließen. – Solange Sie diese Inkongruenz nicht erklären können, gibt es in Ihrer Argumentation einen massiven Widerspruch. Das müssen Sie einfach gelten lassen. – Danke. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zu meiner dritten Bemerkung kommen. Heute ist wieder der Satz „Mehr Demokratie wagen“ angeklungen. Tatsächlich geht es aber um eine Rollenverteilung, mit der hier gespielt wird. Sie sagen: „Wir sind die guten Demokraten, weil wir alles tun, damit jeder wählen kann“, und die Union ist böse. Es gab Redner, die sich während ihrer ganzen Redezeit an der Union abgearbeitet haben. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wer dieses Guter-Demokrat-Sein daran festmacht, der muss sich natürlich schon fragen lassen: Wie ist das eigentlich mit der Aufarbeitung des Wahldebakels in Berlin? Sie erklären immer, dass das Wahlrecht des Einzelnen das vornehmste Recht in einer Demokratie ist. Die Durchführung der Wahl war allerdings – Entschuldigung – ein Saustall. Aber noch viel liederlicher und peinlicher ist die Aufarbeitung der Fehler bei der Wahl. Darüber wird diskutiert, und man muss ehrlicherweise sagen, dass Sie dieses höchste Recht des Wählers mit Füßen treten. Der Berliner Verfassungsgerichtshof möchte eine Wiederholung in allen Stimmbezirken, der Landeswahlleiter in 50 Prozent; das sind immer noch über 2 000 Stimmbezirke. Die Ampel will eine Wiederholung der Wahl in gerade einmal 431 Stimmbezirken. Deswegen glaube ich nicht, dass wir hier Nachhilfestunden in Sachen Demokratie brauchen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.