Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Juni 2009 durften Millionen Unionsbürgerinnen und Unionsbürger im Alter von 18 bis 23 Jahren das erste Mal an einer Europawahl teilnehmen. Ich selber war einer von ihnen, kurz nach meinem 18. Geburtstag. Meine Entscheidung damals beruhte nicht auf einer Erkenntnis, die mich am Tag meines 18. Geburtstags von oben herab erreicht hat, sondern auf Überzeugungen, die in den Jahren zuvor aus jahrelanger Auseinandersetzung mit den politischen Themen und den Antworten der Parteien hierauf erwachsen sind. Dennoch wird von Kritikern des Wahlalters ab 16 immer wieder angebracht, die Jugend solle erst mal etwas leisten, bevor sie in der Politik mitbestimmen darf. Dabei leisten junge Menschen einen immensen Beitrag zu unserer Gesellschaft, auch wenn dieser regelmäßig – leider auch von prominenter Stelle – durch die immer selbe Debatte über ein soziales Pflichtjahr in Abrede gestellt wird. Die Statistiken beweisen jedoch, dass die Jugend heute schon einen erheblichen Beitrag leistet: Jeder fünfte Minderjährige zahlt Steuern, da er sich in Ausbildung befindet. Über die Hälfte der 14- bis 17‑Jährigen ist ehrenamtlich aktiv, die Tendenz ist steigend. Erst dieser großartige Beitrag zu unserer Gesellschaft ermöglicht uns in vielen Bereichen den Austausch und das gesellschaftliche Miteinander. Ich glaube, diesem Engagement und diesem Einsatz gebühren Respekt und Anerkennung, auch abseits, aber eben auch nicht entkoppelt von der heutigen Debatte. Die junge Generation zeichnet sich aber nicht nur durch steigendes Verantwortungsbewusstsein für die Gesellschaft aus, sondern auch durch ein politisches Bewusstsein. Das ist wohlgemerkt nicht ein schnelllebiger Trend in Zeiten von Greta, sondern eine konstante Entwicklung über die letzten 20 Jahre hinweg, wie wir in allen Studien sehen. Dabei stimmt es auch, dass sich junge Menschen weiterhin in politischen Parteien und ihren Jugendorganisationen organisieren. Daher finde ich es schon bigott, dass man sowohl bei der CDU und CSU als auch bei der AfD mit 16 Jahren Mitglied werden kann, also reif genug für die innerparteiliche Willensbildung ist, aber nicht reif genug ist, um wählen zu können. Das ist bigott. Die politisch aktiven Jugendlichen von heute haben aber auch andere Möglichkeiten der Partizipation: Sie organisieren sich in überparteilichen Initiativen zu bestimmten Themen, betreiben Campaigning in den sozialen Medien und arbeiten grenzüberschreitend. Dieses Engagement zeigt uns zwei Dinge: dass die junge Generation mitarbeiten möchte und dass sie es auch konstruktiv tun will. Und dass sie das will, ist auch nur logisch. Denn die Entscheidungen, die wir hier im Parlament treffen, haben eine Halbwertszeit, die länger ist als nur bis zur nächsten Legislaturperiode, und die Konsequenzen reichen weit darüber hinaus. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das Wahlrecht ist das kostbarste Gut, das wir in der Demokratie haben. Dabei will aber der Ausschluss vom Wahlrecht gut begründet sein und nicht das Wahlrecht an sich. Der Ausschluss der 16- und 17‑Jährigen ist meines Erachtens nicht mehr haltbar. Also: Debattieren wir lieber mal darüber, wie wir jungen Menschen – und übrigens nicht nur denen – das Rüstzeug in die Hand geben, wehrhafte Demokratinnen und Demokraten zu werden. Erweitern und fördern wir politische Bildung an Schulen. Schaffen wir nicht nur Verständnis dafür, wie die Parteien heißen und welche Wahlgrundsätze es gibt, sondern befähigen wir sie, kritisch zu hinterfragen, sich eigene Meinungen zu bilden und billigen Populismus als solchen zu erkennen. Das ist die Aufgabe der Politik. Und zuletzt möchte ich noch ein Gerücht aus der Welt schaffen: Es geht nicht, wie manche behaupten, darum, bestimmten Parteien durch eine Absenkung des Wahlalters einen Vorteil zu verschaffen. Wer glaubt, dass junge Menschen so einfach in die Tasche zu stecken wären, dass sie einfach aus Gewohnheit immer eine Partei wählen, ignoriert demoskopische Realitäten und beleidigt darüber hinaus den Intellekt unserer Bürgerinnen und Bürger. Anstatt die Jugend für naiv zu halten, sollten sich politische Parteien aus ureigenstem Interesse fragen, warum sie gewissen Wählergruppen kein gutes Angebot machen können. Dazu kann ich nur sagen: Wer bei Klimaschutz und der Zukunft der Rente, bei Bildungspolitik und Digitalisierung kein vernünftiges Konzept vorlegen kann, muss sich nicht wundern, wenn junge Menschen ihre Antworten woanders suchen. Dafür ist aber nicht das Wahlrecht verantwortlich. Wir glauben jedenfalls an die Jugend in Deutschland und in Europa. Wir glauben daran, dass sie einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaft leistet, ihre eigenen Themen setzt und Lösungen entwickelt. Wir glauben daran, und wir wissen, dass sie es verdient hat, ihre eigene Zukunft frei bestimmen zu können. Darum ist das Wahlalter mit 16 richtig. Danke schön.