Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! China ist neben Indien das einwohnerreichste Land der Welt. Es ist die zweitgrößte Volkswirtschaft, Mitglied des UN-Sicherheitsrates und sowohl mit uns als eben auch mit Russland wirtschaftlich eng verbunden. Klar ist darum: Wer Druck auf Moskau ausüben will, den furchtbaren Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden, der muss Peking ins Boot holen. Und darum war es richtig, dass Kanzler Scholz nach China gereist ist. Ich frage mich nur: Warum erst jetzt? Das hätte früher geschehen müssen. Aber schlimmer noch als dieses Zögern ist, dass Ihre Außenministerin Annalena Baerbock bisher noch gar nicht in China war. Ihr diplomatischer Beitrag beschränkt sich auf fragwürdige Provokationen. Vor einer Woche bezeichnete sie China als „systemischen Rivalen“. Was ist das denn? Der politische Beitrag der Chefdiplomatin Deutschlands in dieser Krise besteht allen Ernstes darin, sich in der Rhetorik des Kalten Krieges zu ergehen. Das ist unverantwortlich. Und ja, es stimmt, China ist kein demokratischer Staat. Es stimmt, dass dort gravierende Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Minderheiten werden systematisch unterdrückt, die Meinungsfreiheit ist erheblich beschnitten. Für Millionen Menschen gibt es keinen Arbeitsschutz oder Arbeitnehmerrechte. Das ist alles absolut inakzeptabel. Das alles ist aber leider auch absolut nichts Neues; das ist seit Jahren so. Nennen wir es beim Namen: Der Grund, warum die Menschenrechtsverletzungen in China jetzt so ein Thema sind, ist der Umstand, dass sich die Konkurrenzsituation zwischen den USA und China in Bezug auf die Frage verschärft hat, wer Weltmacht Nummer eins ist bzw. wird. Das ist die Wahrheit, und wer glaubt, dass sich die Menschenrechtslage in China dadurch verbessert, dass Europa sich gegen China abschottet, ist einfach auf dem Holzweg. Das ist keine menschenrechtsbasierte Außenpolitik; das ist eine Instrumentalisierung von Menschenrechten, und das geht nicht. Was ist das Ergebnis dieser beginnenden Abschottungspolitik? China rückt immer näher an Russland heran. Die Gefahr eines mächtigen Blockes, bestehend aus Russland, China, Indien und dem Iran, der die EU und die USA wirtschaftlich und geopolitisch an den Rand drängen kann, wächst, und diese Entwicklung darf man doch nicht auch noch befördern, Kolleginnen und Kollegen. Die Welt ist nicht mehr so, dass die westlichen Staaten sie sich einfach untereinander aufteilen können. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Und Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass man die größte Krise unserer Zeit, die Klimakrise, nur mit und eben nicht gegen China bewältigen kann. Wenn China zur Klimakonferenz in Ägypten gerade mal einen Klimadiplomaten und kein Regierungsmitglied schickt, dann muss uns das Sorge bereiten. Stattdessen greift Annalena Baerbock sprachlich wieder mal in die Mottenkiste des Kalten Krieges, und das geht so nicht; ich muss es einfach sagen. Außerdem wissen Sie – auch Sie, Herr Trittin – ganz genau, dass Deutschland bei der Lieferung von Seltenen Erden, auf die wir angewiesen sind, um auf erneuerbare Energien umstellen zu können, aktuell fast vollständig abhängig ist von China. Wenn also die Energiewende gelingen soll, dann sind wir auf Lieferungen aus dem Land angewiesen, das Annalena Baerbock als „systemischen Rivalen“ bezeichnet. Was ist das denn? Ernsthaft! Ist Ihnen die Bekämpfung des Klimawandels wirklich weniger wichtig, als die geopolitischen Interessen der USA zu protegieren? Das kann ja wohl nicht wahr sein! Klar ist: Ein Wirtschaftskrieg mit China hätte verheerende Folgen für unser Land. Unzählige Arbeitsplätze wären in Gefahr. Das ist der falsche Kurs. Ein falscher Kurs ist es aber auch, kritische Infrastruktur an Firmen zu verhökern, wie Herr Scholz das gerade beim Hamburger Hafen auf den Weg gebracht hat. Nein, kritische Infrastruktur gehört nicht an chinesische Firmen verkauft. Sie gehört überhaupt nicht verkauft; sie gehört in öffentliche Hand. So ist das! Lernen Sie eigentlich gar nichts aus der aktuellen Energiekrise? Sehen Sie nicht, dass die auch dadurch verschärft worden ist, dass die Gasspeicher in Deutschland an die russische Firma Gazprom verkauft wurden? Das hatte damals übrigens die Regierung bestehend aus SPD und Union zu verantworten. Nichts für ungut, Kolleginnen und Kollegen von der Union, Ihre Krokodilstränen jetzt über den Verkauf des Hamburger Hafens glaubt Ihnen wirklich niemand. Was wir brauchen, ist eine realistische und vernunftgeleitete China-Politik. Was wir nicht brauchen, hat der Journalist Lutz Herden kürzlich in „der Freitag“ auf den Punkt gebracht. Er sagte, es habe „wenig Sinn“, der chinesischen Wirtschaftspolitik „mit einer ideologisch unterfütterten Symbolpolitik begegnen zu wollen“. Das ist die Wahrheit. Danke schön. – Ich habe Herrn Herden zitiert. Vielleicht haben Sie es nicht mitgekriegt.