Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen aus vielen Debatten und Entscheidungen dieses Bundestages: Die Unionsfraktion ist grundsätzlich gewillt, in den Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik und auch in den großen Fragen der Außenwirtschaftspolitik diese Bundesregierung zu unterstützen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es eine erkennbar kohärente Politik der Bundesregierung gibt. Nachdem mittlerweile das Verhältnis zu Frankreich auf einem Tiefststand ist, nachdem mittlerweile viele Bündnispartner in der NATO, insbesondere im Osten, Zweifel an der Verlässlichkeit Deutschlands haben, stellen wir diese Kohärenz, diese Klarheit in der Politik mittlerweile auch im Verhältnis zur Volksrepublik China nicht mehr fest. Dabei ist die China-Politik von herausragender Bedeutung. Es ist unstreitig, dass es eine der größten Herausforderungen für die deutsche und die europäische Politik ist, einem Staat gerecht zu werden, der einerseits unser größter Handelspartner ist, der aber andererseits ganz eindeutig das Ziel formuliert hat – das ist jüngst auf dem Parteikongress noch einmal geschehen –, die stärkste politische, wirtschaftliche und bestimmende Nation auf dieser Erde zu werden. Zu diesem Zweck sind dem Regime in China alle Mittel heilig: millionenfache Menschenrechtsverletzungen durch Unterdrückung der Uiguren, der Bruch internationalen Rechts – wie wir gesehen haben, wird die Vereinbarung mit dem Vereinigten Königreich betreffend Hongkong nicht eingehalten, künstliche Inseln werden geschaffen –, die De-facto-Errichtung eines diktatorischen Regimes, das am Ende nur noch von einer Person abhängig ist, nachdem Präsident Xi sich jetzt dort hat erneut wählen lassen – das erste Mal seit Mao Tse-tung eine so starke Stellung. Und was passiert in dieser Situation? Was erleben wir in dieser Situation? Eine Zerstrittenheit der Bundesregierung, eine Zerstrittenheit der Koalitionsfraktionen und einen Bundeskanzler, dem es bei seiner Reise nach Peking schlicht und ergreifend darum ging, sagen zu können: Ich bin der Erste, der diesem Diktator nach diesem Kongress die Hand geschüttelt hat. – Das ist keine China-Politik, die den Ansprüchen Deutschlands an eine europäisch und transatlantisch abgestimmte China-Politik gerecht wird, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Es ist überhaupt nicht erkennbar, was Ihre gemeinsame Position ist. Wir haben doch alle gemeinsam in der Europäischen Union mittlerweile eine gemeinsame Position entwickelt, indem wir festgestellt haben: In Fragen des Klimaschutzes und auch bei der Bekämpfung der Covid-Krise wollen wir versuchen, Sachen gemeinsam mit China zu regeln. – Ja, das ist notwendig, und das ist auch unvermeidbar. China ist in manchen Bereichen Wettbewerber; aber China ist auch systemischer Rivale. China akzeptiert gemeinsam mit Russland überhaupt nicht die internationale Ordnung, sondern will sie zerstören, greift sie an und will eine eigene sinozentrische Ordnung aufstellen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu erwarten wir eine Politik der Bundesregierung, die dem klar entgegentritt und unser internationales Regelwerk verteidigt. Was erleben wir? Wir erleben einen Bundeskanzler, der dort hinreist und schlicht bekannt gibt, dass China auch gegen einen Atomkrieg sei. Das ist längst bekannt. Wir erleben eine Bundesaußenministerin, die den Zeitpunkt und wohl auch die Reise an sich aus dem Ausland kritisiert. Es ist eigentlich gute Sitte in Deutschland, dass noch nicht einmal die Opposition das macht. Sie erlauben sich derartige Zänkereien innerhalb der Regierung. Es ist im Grunde zum außenpolitischen Fremdschämen, was Sie hier abliefern. Das ist keine kohärente Politik. Es gab keinen Versuch des Bundeskanzlers bei seinem Besuch in Peking, China einmal darauf aufmerksam zu machen, was unsere gemeinsame europäische Position ist: dass nämlich Präsident Xi aufgefordert ist, Putin zu stoppen. Er hätte das klare Signal überbringen müssen, dass Peking diesen Krieg nicht weiter dulden oder auch noch fördern darf. Das ist unterlassen worden. Das ist ein schwerer außenpolitischer Fehler, den der Bundeskanzler gemacht hat. Dass das ohne den französischen Staatspräsidenten, – – der angeboten hatte, gemeinsam zu reisen, geschehen ist, zeigt einmal mehr: Der Bundeskanzler ist offensichtlich überfordert, eine europäisch abgestimmte Politik zu machen, – – die deutsch-französische Achse am Leben zu erhalten – sie ist eine Lebensader der Europäischen Union – – und dafür zu sorgen, dass wir diesem Regime geschlossen entgegentreten. Herzlichen Dank.