Mithin ist die angebliche Stärkung in Wahrheit eine Schwächung unseres Rechtsstaats. Ich bitte Sie, dies entsprechend zu überdenken. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die Bewältigung der Klimakrise ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben unserer Zeit. Aus diesem Grund nimmt sie in politischen Debatten und auch in politischen Entscheidungen der letzten Jahre sehr, sehr großen Raum ein. Das erklärte Ziel der Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ aber ist die Erzeugung von Aufmerksamkeit und die Störung. Dies hat nichts mit Klimaschutz zu tun. Hier muss unser Rechtsstaat mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln konsequent handeln. Es gibt viele Wege, sich in der Demokratie an der politischen Meinungsbildung zu beteiligen. Die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und die Begehung von Straftaten sind selbstverständlich keine legitimen Protestmittel; das hat hier im Hause auch keiner angezweifelt. Ein Fernziel wie der Klimaschutz rechtfertigt nicht konkrete Tatziele wie die Störung des Straßenverkehrs oder eben die Sachbeschädigung. Das vorweggenommen. Aber kommen wir zum vorliegenden Antrag der Unionsfraktion, zu dem ich auch als ehemalige Strafrichterin einige wichtige Punkte sagen muss; denn dieser zeugt von einem populistischen Ruf nach strafrechtlichen Verschärfungen, die weder den Ermittlungsbehörden helfen noch weitere Straftaten verhindern könnten. Er zeugt lediglich von rechtlicher und auch tatsächlicher Unkenntnis. Viel schlimmer noch: Er vermittelt den Eindruck, dass unser Rechtsstaat nicht handlungsfähig wäre. Das ist falsch, und das ist ebenso fahrlässig. Unser Strafrecht bietet zahlreiche Möglichkeiten, konsequent durchzugreifen; einige Tatbestände sprechen Sie in Ihrem Antrag auch an. In Betracht kommen die Nötigung mit Androhung einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe, der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr mit Androhung einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe sowie die gemeinschädliche Sachbeschädigung, ebenso mit Androhung einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Freiheitsstrafen sind hier also möglich, wenn sie tat- und schuldangemessen sind. Gerade bei Straßenblockierern ist seit Langem höchstrichterlich entschieden, dass bei der Verursachung eines Staus, der aufgrund von physischen Straßenblockaden entsteht, der Tatbestand der Nötigung einschlägig ist und dass die Beschmutzung von Gegenständen, die das Erscheinungsbild erheblich verändert, eine gemeinschädliche Sachbeschädigung ist. Diese Tatbestände sind anwendbar. Hierzu wird auch ermittelt, und hier liegen auch schon einige Urteile zu den beschriebenen Taten vor. Das heißt: Der Rechtsstaat handelt. Zu einem weiteren Punkt Ihres Antrags: Bestimmung des Strafmaßes und die Frage der Aussetzung der Bewährung. Auch dies regelt das Gesetz. Das erheblich rücksichtslose Vorgehen der „Letzten Generation“ gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern zum Beispiel wird ebenso wie in anderen Fällen bereits jetzt strafschärfend berücksichtigt. Ebenso ist die Begehung einer Straftat unter laufender Bewährung eines der wichtigsten Entscheidungskriterien gegen eine weitere Bewährungsstrafe. Auch ich musste als Strafrichterin solche Entscheidungen treffen. Aber die Strafrichterinnen und Strafrichter können doch am besten gucken, ob noch eine positive Sozialprognose vorliegt oder nicht. Das ist nicht Sache der Politik. All dies ist durch die erkennenden Richter zu beurteilen. Ich fasse zusammen. Der vorliegende Antrag zeugt von einem mir unerklärlichen und gar respektlosen Misstrauen gegenüber unserer Justiz und gegenüber der Fähigkeit unserer Richterinnen und Richter, tat- und schuldangemessene Entscheidungen zu treffen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion, dieses Misstrauen hätte ich gerade von Ihnen nicht erwartet. Aber aus welchem Grunde wollen Sie denn sonst die Mindeststrafen entsprechend hochsetzen? Abgesehen davon ist schon lange wissenschaftlich belegt, dass härtere Strafen nicht abschrecken. Außerdem zwingt mich Ihr Antrag, zu betonen, dass in einem Rechtsstaat nicht besonders harte Strafen gegen einen einzelnen Täter verhängt werden können, um quasi weitere potenzielle Täter abzuschrecken. Exempel zu statuieren, ist kein Merkmal eines rechtsstaatlichen Systems, sondern ein Merkmal von autoritären Regimen; und so eines haben wir gerade nicht. Die Höhe einer Strafe bestimmt sich nach der Tat und der Schuld des Täters im konkreten Einzelfall. Die Unterstellung, dass entsprechende Taten nicht hart genug bestraft werden, ist anmaßend. Die Politik hat sich aus solchen Entscheidungen herauszuhalten. Der zuständige Strafrichter soll sich einen sachgerechten Eindruck vom Angeklagten verschaffen und hinsichtlich einer positiven oder negativen Sozialprognose entscheiden, auch über eine Bewährung. Aber, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion, verdutzt hat mich in Ihrem Antrag noch ein weiterer Punkt. Die Forderung einer Erhöhung der Mindeststrafe auf drei Monate Freiheitsstrafe ist doch auch quasi, in rechtlichen Termini gesprochen, ein untauglicher Versuch. In der Praxis würde diese Strafverschärfung keine Wirkung zeigen und wohl auch nicht zu mehr Freiheitsstrafen führen. Denn § 47 StGB sagt doch richtigerweise, dass Freiheitsstrafen unter sechs Monaten nur in unerlässlichen Ausnahmefällen zu verhängen sind. Diese Ausnahmefälle bestimmen sich nach der konkreten Tat und der Persönlichkeit des Täters und gelten gerade nicht für ganze Fallgruppen. Mithin würde nach § 47 Absatz 2 StGB die Mindeststrafe von drei Monaten bei einer Tat auch zu einer Geldstrafe führen. Mein Tipp an Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion, für kommende rechtspolitische Anträge: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Abschließend bleiben drei Dinge zu sagen. Erstens. Eine echte Stärkung unserer Strafverfolgungsbehörden und Gerichte erreichen wir nicht durch Strafverschärfung, sondern durch Digitalisierung, Modernisierung und eine gute Ausstattung. Dafür setzt sich die Ampel ein. Zweitens. Unabhängig von den ungerechtfertigten Taten der „Letzten Generation“ erwarten die Zivilgesellschaft und die junge Generation gerade zu Recht, dass wir weiter effektiven Klimaschutz betreiben. Wir als SPD-Fraktion wissen, dass effektiver Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammengedacht werden müssen. Und drittens. Anstelle des Rufes nach höheren Straftaten sollten Sie von der Union lieber Ihre politische Blockadehaltung beim Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien überdenken und beispielsweise in Bayern die 10‑H-Regel kippen. So können wir im ganzen Land effektiven Klimaschutz betreiben und gut zusammenarbeiten. Vielen Dank.