Die Aufregung hierüber ist groß – zu Recht, wenn man bedenkt, was das für die Menschen dort oftmals an existenzieller Not bedeutet. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lange wurde darüber geredet, jetzt ist es so weit: Die Heizperiode hat begonnen. Und? Sind wir gut vorbereitet? Leider nicht. Man muss es so deutlich sagen. Die Speicher sind zwar voll – das klang ja gerade schon an –, aber der Preis dafür war hoch. Gefracktes Gas wurde teuer eingekauft. Aber was in dem Zusammenhang noch viel schlimmer ist: Sie haben ärmeren Ländern das Gas auf den Weltmärkten vor der Nase weggeschnappt. Nicht minder groß ist die Aufregung darüber, dass in der aktuellen Mangellage alte Kohlekraftwerke zum Einsatz gebracht werden, während die viel klimafreundlichere Alternative Atomstrom von Ihnen ausgeklammert wird – bis, ja, bis auf den kläglichen Streckbetrieb, über den wir heute in erster Lesung beraten. Viele aus Ihrem Lager sagen immer wieder gebetsmühlenartig, das sei eine Hochrisikotechnologie. Darüber, meine ich, lässt sich streiten. Zumindest wird das im Ausland ganz überwiegend nicht so gesehen, und man findet den Begriff auch gar nicht in der wissenschaftlichen Literatur. Sicher ist aber, dass Sie mit Blick auf das Klima inzwischen eine Hochrisikopolitik betreiben. Und wenn Sie mir schon nicht glauben, dann zitiere ich hier noch mal Herrn Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung – das ist in der „FAZ“ vom Wochenende nachzulesen –: „Die Klimakrise ist zu ernst, um bestehende Kernkraftwerke zu schließen.“ Nur Sie wollen es einfach nicht verstehen. Nein, ich würde gerne weitermachen. Der Einsatz der Kernkraftwerke würde im Vergleich zu Strom aus Kohle die Emissionen um jährlich 70 Millionen Tonnen CO2 verringern. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: 70 Millionen Tonnen CO2. Das sind knapp 10 Prozent aller unserer Emissionen oder 40 Prozent der Emissionen, die wir bis 2030 einsparen müssen, wenn wir die Pariser Klimaziele einhalten wollen. Deutschland wird seine CO2-Ziele in den nächsten Jahren krachend verfehlen. Und dafür tragen Sie die Verantwortung. Jetzt höre ich – sehr guter Hinweis, Herr Ebner – aus Ihrem Lager immer wieder: Hätte Deutschland die erneuerbaren Energien stärker ausgebaut, hätten wir das Energieproblem nicht. Das ist – das muss man mal so deutlich sagen – blanker Unsinn. Zum einen, weil Deutschland die erneuerbaren Energien deutlich stärker ausgebaut hat als fast alle anderen Länder auf dieser Erde. Das habe ich hier an dieser Stelle auch schon wiederholt ausgeführt. Noch schlimmer aber ist, dass Sie die Dimension des Problems verkennen. Von 600 Terawattstunden Strom, die wir jährlich brauchen, kommen aktuell 300 Terawattstunden aus den Erneuerbaren. Das sind 50 Prozent – ein schöner Erfolg der letzten 16 Jahre, über den ich mich wirklich freue. Unser jährlicher Energiebedarf beträgt in toto aber nicht 600 Terawattstunden, sondern 3 400 Terawattstunden, also mehr als das Elffache. Verstehen Sie mich nicht falsch. Auch ich will, dass die Erneuerbaren ausgebaut werden, und das mit Tempo. Aber seien Sie doch endlich mal ehrlich zu den Menschen. Das wird Zeit brauchen, viel Zeit. Auch ein Scheitern ist möglich, weil Geld, Technologien und Fachkräfte fehlen. Deshalb wäre es klug – vielleicht mal zuhören –, alle Energieformen so lange zu nutzen, bis wir wissen, dass wir es geschafft haben, und sie nicht vorher abzuschalten. In dieser dramatischen Situation beraten wir heute in erster Lesung ein Atomgesetz, das einen Weiterbetrieb nur bis zum 15. April vorsieht, aber nicht mit neuen Brennstäben, was sinnvoll wäre, sondern im dürftigen Streckbetrieb; ich habe es schon gesagt. Und das auch nicht aus tieferer Einsicht heraus, sondern weil der Kanzler mit einem Last-minute-Machtwort den Koalitionsfrieden retten musste. Ich war im Sommer mit dem Umweltausschuss in Schweden. Sie, Herr Ebner, waren ja auch dabei. Auch da will man aus der Kernenergie aussteigen. Das macht man aber mit einem gewissen Pragmatismus. Man steigt nämlich erst dann aus, wenn die Erneuerbaren hinreichend ausgebaut sind. Das würde ich mir auch für Deutschland wünschen. Aber das würde erfordern, dass Sie einen klaren Plan haben, wie wir die Energiewende unter den dramatisch geänderten Rahmenbedingungen tatsächlich hinbekommen. Der liegt aber bislang leider nicht vor. Und es würde erfordern, dass Sie Ihrer Verantwortung endlich gerecht werden und wirklich alle Optionen auf den Tisch bringen. Dazu gehört in der aktuellen Krise auch ein Weiterbetrieb der bestehenden Kernkraftwerke über den 15. April hinaus. Kein Wiedereinstieg wohlgemerkt, aber schon so, dass es für die Menschen und die Unternehmen einen Unterschied macht. Das ist in Ihrem Gesetzentwurf nicht der Fall. Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. Vielen Dank.