Als Europäer müssen wir den Unterschied machen: die aktive Zivilgesellschaft, Frauen und Jugend zu fördern, zu helfen, Fachkräfte zu qualifizieren. Wir dürfen dabei kein Staubsauger sein, sondern müssen Ventilator für Wissen und für Bildung sein. Und wir müssen verstehen, dass die afrikanischen Staaten eine eigene Sicht auf die Welt haben. Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor genau zwei Wochen stand ich mit der Delegation des Vorstandes der Parlamentariergruppe Südliches Afrika an dem Punkt des Kontinents, an dem am meisten Wind weht: in der ältesten Wüste der Welt, im Süden von Namibia. Da, in Lüderitz, hat der erste Deutsche einen Fuß auf den afrikanischen Kontinent gesetzt, und die deutsche Kolonialgeschichte nahm ihren Lauf. Erst kam es zur wirtschaftlichen Erschließung von Rohstoffen und Diamanten, und dann vollzog sich dort, was wir heute „Völkermord“ nennen: schreckliche Verbrechen. In Andenken an die Opfer haben wir auf Shark Island einen Kranz niedergelegt. Künftig soll dort die neue Wasserstoffpartnerschaft zwischen unseren Ländern begründet werden. Minister Habeck reist noch in diesem Jahr mit einer großen Wirtschaftsdelegation in das Land, das wie viele Länder Afrikas vom Klimawandel besonders betroffen ist – ein Beispiel dafür, dass Vergangenheit und Zukunft so eng verknüpft sind wie die Geschichte Europas und Afrikas. Nur muss das nächste Kapitel, das wir gemeinsam aufschlagen, eines sein, in dem es nicht nur einen Gewinner gibt, sondern das ein Gewinn für die Menschen wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Afrika wird in der zukünftigen Weltordnung eine immer größere Rolle spielen – politisch, wirtschaftlich, aber auch kulturell. Wenn es um Afrika geht, geht es um viel mehr: Die internationale Ordnung, Rechtsstaatlichkeit, Multilateralismus, Demokratie bleiben nur bestehen, wenn wir dafür gemeinsam aktiv etwas tun. Und das entscheidet Afrika mit. Denn schon heute hat der Kontinent ein großes Gewicht in der VN-Generalversammlung. Deswegen ist es gut, dass wir heute über Afrika reden, dass wir auch gute Ansätze im vorliegenden Antrag sehen; denn wir erleben gerade eine weltweite demokratische Rezession, in der Russland eine entscheidende Rolle zukommt. Allerdings, liebe Union, ist es auch ein bisschen kleinteilig gedacht, Afrika alleine durch das Prisma von Russlands wachsendem Einfluss wahrzunehmen. Die Türkei zum Beispiel hat seit 2002 die Zahl ihrer Botschaften in Afrika von 12 auf 43 fast vervierfacht. Turkish Airlines fliegt mittlerweile über 60 Ziele in Afrika an, mehr als jede andere Fluggesellschaft. In zehn Jahren haben 14 000 afrikanische Studierende Stipendien bekommen, um in der Türkei zu studieren. Es ist erst mal gut, mit Afrika zu kooperieren, sehr gut sogar. Das brauchen wir. Russland und China allerdings sind inzwischen strategische Partner. Durch seine Kredit- und Schuldenpolitik schafft China neokoloniale Abhängigkeiten, und in der Kultur- und Bildungspolitik zeichnet China auch mit den Konfuzius-Instituten gezielt ein positives Bild von sich. Russland spielt eine immer gewichtigere Rolle mit Militär und Geheimdienst; das haben wir gerade gehört. Und deswegen ist es richtig, dass wir sehr genau überlegen, ob und wie wir Einsätze verkleinern oder aussetzen oder uns zurückziehen. Das Ergebnis darf kein Vakuum sein, das diese anderen füllen. Jenseits von historischen Erfahrungen ist die Zustimmung zu Russland auf dem Kontinent sicher auch das Ergebnis von Propaganda, von Desinformation. Und ich meine: Deswegen müssen die strategische Kommunikation und die internationalen Kultur- und Bildungsmittler in ihrer Bedeutung auch in die Sicherheitsstrategie der Bundesregierung aufgenommen werden. Nur dann kann die vielgepriesene Partnerschaft auf Augenhöhe überhaupt funktionieren. Das heißt nicht, dass man in der Frage des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eine neutrale Position einnehmen kann; der Krieg bricht mit den Prinzipien der Weltgemeinschaft und ist eine humanitäre Tragödie. Diese Diskussion müssen wir führen. Vor allem aber sollten wir mit den Staaten Afrikas an einer gemeinsamen Zukunftsperspektive arbeiten und über Chancen sprechen. Bundeskanzler Olaf Scholz ist kurz nach seinem Amtsantritt in den Senegal, nach Niger, nach Südafrika gereist, hat Südafrika und den Senegal zur Bekämpfung der Armuts- und Hungerkrise, die droht, zum G-7-Gipfel eingeladen. Das war wichtig. Ich hoffe, dass bald die binationale Kommission zwischen Deutschland und Südafrika tagen wird. Das Auswärtige Amt muss das vorbereiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir erleben aktuell eine Zeit des Umbruchs, eine Zeitenwende. Wir befinden uns in einer Weltunordnung, und wir können heute nicht sagen, wie die Welt in zwei Jahren aussehen wird. Aber wir können zeigen, dass wir es ernst meinen – mit Kooperation, Gemeinschaft und mit der Kraft der Demokratie.