Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weg von plumpem Antiamerikanismus und Nationalismus, zurück zur Sache! Letzte Woche hat eine Mehrheit der afrikanischen Staaten Russlands Aggression in der Ukraine klar zurückgewiesen. 30 afrikanische Staaten stimmten der UN-Resolution gegen die Annexion der Ostukraine durch Russland zu. Kein afrikanischer Staat hat sich auf Russlands Seite geschlagen. Angola, Madagaskar, Marokko, der Senegal – der Moment den Vorsitz in der Afrikanischen Union hat –, all diese Staaten haben anders als im März diesmal mit der breiten Staatenallianz in den Vereinten Nationen gestimmt. Diese Zahlen zeigen: Auch in Afrika gab es in den letzten Monaten eine Bewegung weg von Russland. Diese Bewegung ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ein Verdienst unserer aktiven Außenpolitik durch die neue Außenministerin Annalena Baerbock. Gemeinsam mit unseren transatlantischen und unseren europäischen Partnerinnen und Partnern arbeiten wir daran, die starke Allianz gegen Russland auf der Ebene der Vereinten Nationen auszubauen, und das hat Erfolg: in Afrika, im Nahen Osten und in Lateinamerika. Es ist der Erfolg einer wertegeleiteten Außenpolitik, der die territoriale Souveränität und das Völkerrecht gegen den russischen Imperialismus verteidigt. Zur Wahrheit gehört leider dazu, dass sich 19 afrikanische Staaten bei der Abstimmung letzte Woche enthalten haben, darunter zum Beispiel Südafrika und Mali. Die Ursachen sind so vielfältig wie die Staaten selbst. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, ist ein Punkt, den Sie in Ihrem Antrag leider unterschlagen. Um Russlands Einfluss in Afrika zu verstehen, müssen wir uns mit den Bedürfnissen der einzelnen Staaten und ihrer Geschichte auseinandersetzen, vor allem auch mit unserer europäischen Kolonialgeschichte. Wir müssen uns auseinandersetzen mit den letzten zwanzig, dreißig Jahren deutscher und europäischer Afrika-Politik, bei der wir uns nicht immer mit Ruhm bekleckert haben. Viele der afrikanischen Staaten, die sich bei der Abstimmung in der letzten Woche enthalten haben, kämpften in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts gegen die Kolonialstaaten um ihre Unabhängigkeit. Dazu zählen unter anderem Südafrika, Namibia, Äthiopien und Guinea. Hilfe für ihren Kampf erhielten sie damals von der Sowjetunion, zum Beispiel beim Guerillakampf der Antiapartheidbewegung in Südafrika oder in Namibia. Die Verbundenheit dieser Staaten zu Russland resultiert aus dieser Geschichte. Dazu kommen enge wirtschaftliche, militärische und politische Verbindungen in einigen Teilen des afrikanischen Kontinents. Russland nutzt diese Verbindungen jetzt schamlos aus für seinen eigenen Imperialismus. Der Sudan ist abhängig von russischem Weizen, der Präsident der Zentralafrikanischen Republik von russischen Waffen. Die Wagner-Gruppe – das hat der Kollege Karamba Diaby schon angesprochen – wird von Putin überall dort eingeschleust, wo der Westen in den vergangenen Jahrzehnten gefährliche Leerstellen hinterlassen hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wollen wir, das können wir selbstverständlich ändern. Um das notwendige Vertrauen dafür zu schaffen, müssen wir unsere koloniale Geschichte aber endlich konsequent aufarbeiten. Wir müssen aufhören, Afrika einfach – das tun Sie in Ihrem Antrag leider noch – als Problemkontinent zu beschreiben. Wir müssen mit der jahrzehntelangen Afrika-Politik Deutschlands brechen, die allem voran die wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik als Fortschritt für Afrika verkaufen möchte. Ich bin deshalb froh, dass wir jetzt eine Außenministerin haben, die sich nicht auf eine neue alte Blockkonfrontation in Afrika einlässt und nicht eine rein interessengeleitete, sondern eine wertegeleitete Außenpolitik macht, eine feministische Außenpolitik, die darauf setzt, dass die Bedürfnisse der Staaten und eben auch ihrer Menschen, ihrer Bevölkerung und ihre komplexen Motivlagen ernst zu nehmen sind, die auf eine Stärkung der jungen und motivierten Zivilgesellschaft – die in Ihrem Antrag leider kein einziges Mal erwähnt wird – setzt, die auf die Stärkung der afrikanischen Gesundheitssysteme setzt, für die Corona immer noch ein massives Problem ist. Auch das ist leider nicht Teil dessen, womit Sie sich in Ihrem Antrag beschäftigen. Corona ist in Afrika jedoch immer noch ein extrem großes Thema. Und sie setzt auf eine zivile Krisenprävention, auf humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, die die partnerschaftliche Kooperation in den Mittelpunkt stellt. Zum Schluss komme ich gerne noch einmal auf die Wirtschaft zu sprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Denn eine effektive Klima- und Energieaußenpolitik, wie Sie sie auch in Ihrem Antrag fordern, die hätten wir längst haben können, die hätten wir längst aufbauen müssen in den letzten 16 Jahren. In der Ampelkoalition gibt es jetzt endlich eine eigens dafür bestellte Staatsministerin. Wir halten uns beim Ausbau der erneuerbaren Energien, bei Investitionen in nachhaltige Infrastruktur und die lokalen Wertschöpfungsketten an die Bedürfnisse unserer afrikanischen Partner und nicht an eine neokolonial anmutende Symbolpolitik. Dementsprechend werden wir diesen Antrag ablehnen. Mit den Herausforderungen werden wir uns natürlich weiter beschäftigen. Vielen Dank.