Aber Sie vergessen dann, dass wir Pumpspeicherkraftwerke haben, dass wir Wasserkraft haben und dass wir in Zukunft – und das müssen wir eben tun – auch mit Grünem Wasserstoff Energie ins Netz speisen. Es muss jetzt darum gehen, Netze intelligent zu betreiben. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer in dieser krisengeschüttelten Welt langfristig sicher Strom aus der Steckdose bekommen will, braucht die Energiewende und braucht 100 Prozent erneuerbare Energien. Die AfD will anscheinend über die Energiewende reden, so wie ich ihren Antrag lese. Deswegen sage ich: Reden wir über die Energiewende. Das mache ich gern. Es ist nur schade, finde ich, dass Sie intellektuell immer bei der Erkenntnis stehen bleiben, dass – Überraschung! – nachts die Sonne nicht scheint und manchmal kein Wind weht. Deswegen behaupten Sie: Die Energiewende kann nicht funktionieren, weil es Solaranlagen und weil es Windkraftanlagen gibt. Danke, sage ich, dass Sie mir die Zeit schenken, dass ich hier das Gegenteil erklären darf. Wo Sie sich immer irren, ist bei dem Begriff „Grundlast“. Den verwenden Sie falsch, und Sie lassen sich davon in die Irre führen. Sie sagen: Die erneuerbaren Energien seien nicht grundlastfähig. Das ist teils falsch und, wie gesagt, teils irreführend. Der Begriff ist hier gar nicht relevant. Ich will Ihnen erklären, was entscheidend ist. Entscheidend ist, dass in unserem Stromnetz immer so viel Strom ist, wie wir in dem entsprechenden Moment verbrauchen. Das ist wichtig. Dem Stromnetz ist es erst einmal egal, aus welchem Kraftwerk dieser Strom kommt, ob das jetzt grundlastfähig ist oder nicht. Also müssen wir uns die Frage stellen: Können wir in Zukunft mit erneuerbaren Energien immer genügend Strom ins Netz kriegen? Die ganz kurze Antwort ist: Ja. Übrigens, der Strombedarf in Deutschland – auch das vernachlässigen Sie immer mit Ihrem ausgeprägten Schwarz-Weiß-Denken „Die Sonne scheint, die Sonne scheint nicht“ – schwankt über den Tag. Das Schöne ist: Die Solarenergie zum Beispiel schwankt nicht. Wir brauchen nachts deutlich weniger Strom als tagsüber, und das vernachlässigen Sie permanent. Dann kommen Sie noch mit Ihrem Winter. Da sage ich: Ja, im Winter scheint die Sonne weniger, aber dafür weht im Winter mehr Wind. Die erneuerbaren Energien sind, wenn ich das sagen darf, intelligenter als Sie, und deswegen ist das Problem kleiner, als Sie das immer darstellen. Natürlich gibt es da noch eine Herausforderung; auf die will ich auch eingehen. Man könnte jetzt fragen – und das tun Sie ja auch –: Na ja, ist es nicht einfacher, überall AKWs und Kohlekraftwerke ans Netz zu hängen, die dann immer irgendwie – was auch nicht stimmt – zuverlässig Energie ins Netz pumpen? Ich sage Ihnen: Erstens. Einfacher ist nicht immer besser. Die fossilen Energien und die Atomkraft sind teuer. Die günstigste Art, Energie zu erzeugen, sind die erneuerbaren Energien. Zweitens. Die fossilen Energien zerstören unseren Planeten. Atommüll strahlt. Das passiert uns mit erneuerbaren Energien nicht. Drittens. Die fossilen Energien machen uns abhängig, häufig von Diktaturen. Viertens – da kommt wieder Ihr Fetisch der Grundlastfähigkeit ins Spiel –: Die Atomkraftwerke grätschen uns gerne in die erneuerbaren Energien rein. Das tun sie, weil wir Atomkraftwerke nicht einfach an- und ausschalten können. Was wir stattdessen machen müssen, ist, die Erneuerbaren vom Netz zu nehmen. Das ist dämlich, weil die ja viel günstiger als das sind, was Sie da laufen lassen wollen. Sie reden über Ideologie; dabei haben wir die intelligente Lösung. Sie haben den Fetisch „Grundlastfähigkeit“, dabei haben Sie den Begriff noch gar nicht verstanden. Ich habe also gezeigt: Es lohnt sich, ein Netz mit 100 Prozent erneuerbaren Energien zu betreiben. Nein, ich möchte die Frage nicht erlauben. Danke. Jetzt ist die Frage: Geht das überhaupt? Ich möchte Antworten geben. Die kurze Antwort auf die Frage „Kann man ein Netz mit erneuerbaren Energien betreiben?“ ist: Ja. Die lange Antwort passt nicht in diese Rede, weil Energieversorgung komplexer ist als die Parolen, die Sie permanent raushauen. Deswegen die mittellange Antwort: „Grundlast“ ist hier nicht der relevante Begriff. Googeln Sie lieber „Residuallast“. Dabei geht es um das Delta zwischen Solar- bzw. Windenergie und der Energie, die wir sonst noch brauchen. Deswegen – das sage ich auch an die CDU/CSU –: Es geht nicht um den Gratismut, sich selber ein bisschen halbherzig das Etikett „Energiewende“ ans Revers zu heften. Die Energiewende funktioniert nicht, wenn es mal genehm ist und es keine Bürgerinitiative gibt, die dagegen ist, ein Windkraftrad oder eine Photovoltaikanlage aufzustellen. Wir brauchen genügend Netze dafür. Wenn wir Strom in Zukunft intelligenter verteilen müssen, brauchen wir andere Netze. Wir haben – Stand heute; das ist auch an Ihre Adresse gerichtet – Strom, den wir wegregeln müssen, den wir gar nicht ins Netz reinkriegen. Deswegen gehört zur Energiewende, dass wir die Netze ausbauen. Folglich sollten konservative Ministerpräsidenten aufhören, den Netzausbau auszubremsen. Ich habe Ihnen gezeigt, dass wir 100 Prozent erneuerbare Energien brauchen, und ich habe gezeigt, dass wir so unsere Energieversorgung sichern können. Ist also alles gut? Nein. Die Umstellung, das ist das Harte, das kostet Geld, da ändern sich Geschäftsmodelle. Umstellung ist immer hart. Aber es hilft halt nicht, sie aufzuschieben; denn wenn wir sie aufschieben, wird sie nur noch härter. Also müssen wir jetzt umstellen. Was Sie auch durcheinanderbringen: Der Krieg, den wir erleben, die Situation, die Energiekrise, das hat erst mal nichts mit der Energiewende zu tun. Also hören Sie auf – das ist meine Bitte –, das durcheinanderzubringen. Hören Sie auf, diese Panik zu verbreiten. Denn für das, was Sie ankreiden, haben Sie ja selber keine Lösungen. Und: Unterstützen Sie die Energiewende. Wenn wir das klug machen – deswegen braucht es kluge Leute dafür –, können wir das schaffen. Behalten Sie die Hoffnung, auch wenn die Sonne abends untergeht. Ich kann Ihnen sagen: Sie geht auch wieder auf.