Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Kraft, ich habe Ihren Antrag ausführlich gelesen und war bei Ihren einleitenden Worten durchaus sehr überrascht, weil Sie von den sieben Minuten Redezeit, die Sie hatten, sechs Minuten auf alles geschimpft haben, was es gibt, und sich in einer Minute mit Ihrem eigenen Antrag beschäftigt haben. Ich habe mir dann durchaus auch die Frage gestellt, ob Sie Ihren Antrag selbst gelesen haben. Der ein oder andere Kollege hat darauf hingewiesen, dass der Antrag wohl nicht der aktuellste ist. Die meisten Fußnoten sind vom 21. April, danach folgt der 12. Mai. Mir ist das Ganze eigentlich nur aufgefallen, weil ich irgendwann auf den Satz gestoßen bin: 35 Prozent unseres Gases kommen aus Russland. Also, jeder in diesem Haus, der im letzten halben Jahr aufgepasst hat, weiß, dass wir davon seit Langem weit entfernt sind. Aus Russland wird zum aktuellen Zeitpunkt gar nichts mehr geliefert, und das schon seit September. Das heißt, wenn jemand von Ihnen sich seit Anfang September mit diesem Antrag beschäftigt hätte, dann hätten Sie irgendwann mitbekommen, dass die Russen uns kein Gas mehr liefern. Dass das im Übrigen schon lange geplant gewesen ist, das weiß jeder, der im letzten halben oder im letzten Dreivierteljahr Energiepolitik gemacht hat. Ich komme aus einer Region, wo die bayerisch-thüringische Glasindustrie zu Hause ist. Die energieintensiven Unternehmen in meiner Heimat haben sich das erste Mal im November, Dezember 2021 an mich gewendet mit dem Satz: Wir haben ein unglaubliches Problem, Energie auf den Spotmärkten einzukaufen. Da gibt es nichts mehr. – Mittlerweile wissen wir, dass die Russen die Gasspeicher im kompletten Jahr 2021 nicht vollgefüllt haben, und sie haben den Spotmarkt nicht bedient. Das alles waren unmittelbare Kriegsvorbereitungen Putins. Wenn man Ihren Antrag mit der einen oder anderen Formulierung liest, dann stellt man fest: Es kommt genau das dabei heraus, was man auch als Schwurbeln begreifen kann. Sie schreiben hier von Gesundheitsrisiken, von Elektrosmog, also von allem, wovor Menschen, die sich Aluhüte aufsetzen, Angst haben. Sie bedienen damit Narrative, die wir eigentlich alle gemeinsam überwunden haben. Jedem in diesem Haus sollte es darum gehen, dass Deutschland aktuell und auch in der Zukunft eine gute Energieversorgung hat. Wenn man ganz ehrlich ist: Sie machen damit das, was Ihre Fraktionsvorsitzende auf ihren Social-Media-Kanälen macht. Ich kann mich erinnern, dass Alice Weidel irgendwann in dieser Woche suggeriert hat, die USA hätten die Pipelines gesprengt. So was macht sie nicht wortwörtlich, sondern da werden dann Narrative in den Raum gestellt, Fragen gestellt, nach dem Motto: Jetzt hört doch mal hin, und schaut doch einfach mal zu. Selbstverständlich. Ganz grundsätzlich: Kollege Ernst, das können Sie im Protokoll meiner Rede nachlesen. Ich habe gesagt, dass die Russen im November, Dezember die Mengen, die sie auf die Spotmärkte geliefert haben, massiv begrenzt haben und dass wir im Nachhinein erfahren haben, dass auch die Gasspeicher nicht aufgefüllt worden sind – was zum damaligen Zeitpunkt keiner hören wollte. – „Vertragsgemäß“? Nein. Ich habe das aber nie in Abrede gestellt, sondern ich habe gesagt: Das, wozu die Russen verpflichtet sind, haben sie zu diesem Zeitpunkt gemacht. Aber sie haben auf dem Spotmarkt nicht geliefert. Damit haben die Russen das komplette Energiesystem bei uns destabilisiert. Das sind unmittelbare Vorbereitungen eines Wirtschaftskriegs gewesen. Dass das mit den Gasspeichern keinem aufgefallen ist, das wissen wir, die wir seit einem Dreivierteljahr Energiepolitik machen, mittlerweile alle. Das heißt, wenn Sie jetzt versuchen, zu suggerieren – genau das tun Sie mit Ihrer Zwischenbemerkung –, dass die Russen alles richtig gemacht hätten: Das ist falsch. Wir waren unmittelbaren Kriegsvorbereitungen ausgesetzt. Die Ersten, die sich bei mir gemeldet haben, waren die Unternehmen der Glasindustrie. Wir haben viel um Lösungen gerungen. Wir haben immer wieder versucht, Möglichkeiten zur Unterstützung der Industrie zu finden. Im Nachhinein ist da leider zu wenig passiert. Genau das ist jetzt auch das Grundproblem mit dem Antrag zur Einsetzung einer Enquete-Kommission. Wenn wir uns über die Energiewende unterhalten, dann wissen wir alle, dass der Faktor Zeit überhaupt das Schwierigste in der aktuellen Situation ist. Wir haben nämlich keine Zeit. Egal wie schnell man eine Enquete-Kommission durchführt, am Ende braucht man mindestens zwei Jahre, um Lösungen zu präsentieren. Diese zwei Jahre haben wir aber nicht. Die Ersten, die sich an uns gewendet haben, waren die energieintensiven Unternehmen. Die Nächsten, die gekommen sind, waren die kleinen Mittelständler, die ihre Strom- und Gasverträge für das kommende Jahr abgeschlossen haben. Mittlerweile betrifft diese Krise jeden einzelnen Privaten. Sie alle wissen aus Ihren Bürgersprechstunden, wie die Menschen auf uns zugehen. Ich habe vor vier Wochen ein Gespräch mit einer Krankenschwester geführt, die in ihrem eigenen Haus wohnt, in der großen Wohnung, alleinerziehend mit ihren Kindern. Sie überlegt sich, in die kleine Wohnung umzuziehen, weil sie ihre Energiekosten nicht mehr tragen kann. Ich habe vor drei Wochen ein Gespräch mit einem Brauer aus Rödental geführt, der mir erklärt hat, wie er in seiner Gaststätte in Zukunft Kosten anders umlegen muss. Anfang des Jahres hat der Sauerbraten 15 Euro gekostet. Wenn er die Energiekosten umlegen muss, kostet der Sauerbraten 20 Euro. Das kann sich bei uns in der Region keiner mehr leisten; es kann sich niemand leisten. Die Menschen in diesem Land haben Angst und fürchten sich. Und dass wir alle, zumindest in einem Teil dieses Hauses, die Ängste der Menschen ernst nehmen, das ist, glaube ich, unbestritten. Aber wir haben eine andere Wahrnehmung in dem, was richtig und was falsch ist und wo gehandelt werden müsste. Das ist der Vorwurf, den Sie sich gefallen lassen müssen: Wir haben vier Monate mit Ihnen gerungen, ob die Wasserkraft weiter gefördert wird. Sie haben sieben Monate herumgetan, ob der Biogasdeckel aufgehoben wird. Wir haben im Februar das erste Mal angeregt: Lasst doch die Kernkraftwerke länger laufen; prüft es gescheit. Wir hätten im Februar die Chance gehabt, die drei Atommeiler, die vom Netz gegangen sind, wieder hochzufahren. Das versäumt zu haben, ist der Vorwurf, den Sie sich gefallen lassen müssen; denn bei Energie geht es eben leider auch um Ideologien, und Ideologien sind in dieser Situation völlig fehl am Platze. Die Menschen im Land haben Angst. Das ist die Krankenschwester, das ist der Brauer, das sind die Zehntausende in der Industrie, die um ihre Arbeitsplätze fürchten. Vor allen Dingen ist es jeder Einzelne, der nicht mehr weiß, wie er seine Strom- und Gasrechnung im nächsten Jahr bezahlen soll. Für die Menschen daheim ist es eben keine Lösung, zu sagen, dass wir irgendwann im April einen Gaspreisdeckel kriegen; vielmehr bräuchten ihn die Menschen, genauso wie die Industrie, im Januar. Überlegen Sie sich, was Sie tun. Helfen Sie den Menschen – möglichst sofort. Der Faktor Zeit ist entscheidend. Deswegen werden wir den Antrag der AfD nach der Überweisung ablehnen. Aber Sie sind genauso herausgefordert, zu handeln. Vielen Dank.