- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Staatsminister Schneider, zunächst möchte ich mich für den vorgelegten Bericht des Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland bedanken. Die neue Berichtsform ist, wie bereits dargestellt wurde, ein Novum. Sie bietet die Möglichkeit, dass der Osten durch Gastbeiträge selbst zu Wort kommt, und das ist wichtig, weil es nicht nur einen Blick von außen auf aktuelle Entwicklungen zulässt, sondern auch eine Binnensicht ermöglicht. Diese Binnensicht wahrnehmbar zu machen, ist ein Zeichen des Respekts.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Diese Binnensicht sowohl auf Problemlagen als auch auf Entwicklungschancen ist deutlich differenzierter und vielschichtiger als oftmals wahrgenommen.
Danke auch an Sie, Herr Merz, für Ihren nachdenklichen Beitrag und die konstruktiven Vorschläge. Vielen Dank, wir kommen darauf zurück.
Meine Damen und Herren, es gibt ihn nicht, den einen Osten, der oftmals von den politischen Rändern vereinnahmt wird. Deshalb lassen Sie mich noch ein paar Worte, anschließend an Herrn Kellner, zu den aktuellen Demonstrationen von links wie rechts sagen. Krisen, Frust und auch Angst vor den aktuellen Situationen treiben Menschen auf die Straße. Das ist alles völlig verständlich und auch nachvollziehbar. Man muss halt nur schauen, mit wem oder hinter wem man sich versammelt.
Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deswegen an dieser Stelle ein klares Wort an alle, die mit politisch Extremen marschieren und sich selbst in der Tradition von 1989 sehen: 2022 ist nicht 1989.
Im Oktober 1989 musste ich mich mit meiner Frau immer genau abstimmen, wer wann zu welcher Demonstration ging. Unsere Tochter war ein Jahr alt. Beide Eltern gemeinsam zur Demonstration: Das ging einfach nicht – aus Verantwortung gegenüber dem Kind. Kommen wir nach Hause zurück?
Als ich mit dem Zug vom damaligen Karl-Marx-Städter-Hauptbahnhof zur Montagsdemo nach Leipzig gefahren bin, rettete mich mein Dienstausweis als Lokomotivführer. Wovor? Vor Zuführung. Damals gab es nicht nur Verhaftungen im Vorfeld von Demos, sondern, einfach gesagt, auch Zuführungen. Einfaches Raus- und Aufgreifen von potenziellen Demonstranten im Stadtgebiet durch die Volkspolizei, im Bahnhof oder im Zug durch die Transportpolizei und stundenlang grundloses Festhalten in Polizeiobjekten. Links und rechts von mir wurden Leute zugeführt, einfach so, ohne Grund; Zuführung, Festsetzung, Klärung eines Sachverhalts, gern auch 48 Stunden lang.
Und heute? Hinter Russland-Fahnen, Reichskriegsflaggen und Querdenker-T‑Shirts, initiiert auch von AfD-Landes- und -Kreisverbänden, wird gerufen – Zitat –: „Das System ist am Ende, wir sind die Wende.“ Meine Damen und Herren, dieses System ermöglicht es, dass sie jeden Montag durch alle möglichen Städte laufen können.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Herr Holm, dieses System garantiert Ihnen, dass Sie alles Mögliche und eigentlich auch Unmögliche sagen, rufen und skandieren können.
So ist es!)
Dieses System, seine unabhängigen Gerichte und die Polizei schützen Sie und Ihre Demonstrationen. Dieses System schützt Ihre Rechte auf Meinungsfreiheit und Protest.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und deshalb – und das ist sehr persönlich –: Hören Sie endlich auf, die jetzigen Demonstrationen in den Kontext und in die Historie der Demos von 1989 zu stellen. Das ist unredlich, geschichtsvergessen und ein Verrat an der Friedlichen Revolution von 1989.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Danke.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für die CDU/CSU-Fraktion folgt Jana Schimke.
Beifall bei der CDU/CSU)