Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da die Debatte bereits fortgeschritten ist, möchte ich die Gelegenheit nutzen, auf den einen oder anderen Aspekt einzugehen, der bereits angesprochen wurde, ohne alles Richtige, was von vielen Fraktionen bereits gesagt wurde, zu wiederholen. Johann David Wadephul hat sich zum Koalitionsvertrag und zu den außenpolitischen Aspekten geäußert. Jawohl, wir haben uns ein wenig die Augen gerieben, als wir gelesen haben, was von den Dingen, die uns in den letzten vier Jahren in der Großen Koalition beschwert haben, laut diesem Koalitionsvertrag möglich sein könnte. Es war uns nicht möglich, eine Entscheidung zu treffen zur Anschlussbeschaffung von Flugzeugen, die wir im Rahmen der nuklearen Teilhabe brauchen. Es war uns nicht möglich, bewaffnete Drohnen anzuschaffen, weil die SPD das leider nicht mitgemacht hat. Wir sind gespannt darauf, wie es der neuen Koalition gelingt, das hinzukriegen. Ich freue mich, lieber Omid Nouripour, wenn du als – vielleicht – Parteivorsitzender der Grünen auf einem Parteitag durchsetzt, dass amerikanische Kampfflugzeuge für die nukleare Teilhabe oder bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr angeschafft werden. Wenn du das hinkriegst, dann wirst du meinen Respekt haben; aber bis dahin sei uns Skepsis bitte schön erlaubt. Das Schöne an dieser Debatte ist, dass wir uns in der Mitte des Hauses völlig einig sind in der Bewertung dessen, was das Hauptthema unserer Aktuellen Stunde ist, nämlich dass wir die Art und Weise, wie Russland massiven Druck auf die Ukraine ausübt, aufs Schärfste verurteilen. Ich finde es total zynisch, was der außenpolitische Berater des russischen Präsidenten, Herr Uschakow, im Anschluss an das Telefonat der beiden Präsidenten – USA, Russland – gesagt hat: Er wisse gar nicht, worum es gehe, wohin Russland die Soldaten verlegen solle, sie würden sich ja auf russischem Staatsgebiet aufhalten. Erster Vorschlag: Diese Truppen könnten dahin zurückverlegt werden, woher sie kommen, nämlich hinter den Ural; ein großer Teil dieser Streitkräfte ist sonst in Sibirien stationiert. Zweiter Vorschlag: Sollen wir aus dieser Aussage den Schluss ziehen, dass wir unsere einseitige Zusage der NATO gegenüber Russland, dass wir keine substanziellen Streitkräfte östlich des früheren NATO-Gebiets stationieren, um zu zeigen, dass wir friedliche Absicht haben und nicht militärisch drohen, einkassieren, weil sie offensichtlich aus russischer Sicht keine Rolle spielt? Das kann ja wohl nicht deren Ernst sein. Diesen Zynismus weise ich aufs Schärfste zurück. Ich glaube, das ist ein Stück weit entlarvend mit Blick auf die Haltung der russischen Regierung. Im Hinblick auf die Situation im Konflikt Russland/Ukraine ist die völkerrechtliche Bewertung sonnenklar. Wer hier nun sagt, Völkerrecht könne man durch „politische Klugheit“ relativieren, der bewegt sich auf dem Terrain des 19. und 20. Jahrhunderts. An die Adresse der AfD sage ich: Wäre es wirklich im Sinne Deutschlands, wenn Völkerrecht relativiert werden könne durch politische Realitäten? Das würde für ein Land wie Deutschland, das friedliebend ist und das vielleicht nicht so groß ist wie andere Länder auf dieser Erde, bedeuten, dass wir uns dem Druck etwa Chinas, Russlands oder von mir aus auch anderer großer Staaten beugen müssten. Im Gegenteil ist es gerade im Sinne Deutschlands und im Sinne deutschen Patriotismus, dass man sagt, Völkerrecht hat unbedingten Vorrang vor allen anderen Dingen. Das, finde ich, sollte man deutlich sagen. Zum Ukraine-Konflikt müssen wir nüchtern feststellen, dass sowohl aus russischer als auch aus westlicher und ukrainischer Sicht vieles von dem, was wir 2014 nach dem Einmarsch Russlands auf der Krim und der Einmischung in der Ostukraine erwartet und befürchtet hatten, so nicht eingetreten ist. Auch aus Sicht Russlands geht die Rechnung ja nicht auf, dass sich durch diese Aktion die Ukraine ein Stück weit von Europa, von der Europäischen Union entfremden würde. Im Gegenteil: Ich glaube, dass innerhalb der Ukraine die Haltung pro Europäische Union durch diese Aggression Russlands eher noch zugenommen hat. Ich glaube auch, dass Putin nüchtern feststellen muss, dass diese Aktion, die im Frühjahr 2014 begonnen hat, sehr viel Geld und sehr viele Ressourcen bindet, nicht nur militärisch, sondern auch ökonomisch, und dass das ein Abenteuer war, das letztlich in eine Sackgasse geführt hat. Unsererseits besteht natürlich die Erwartung – das sage ich in Anwesenheit des werten Herrn Botschafters –, dass die ukrainische Regierung alles dafür tut, dass dieses Land ein starkes, prosperierendes Land wird, das auch als Vorbild für alle diejenigen dient, die meinen, man könne unter russischer Vorherrschaft vielleicht besser leben als in einer freien, demokratischen, pluralistischen und marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft. Deswegen mein Appell an die ukrainische Regierung: Lassen Sie uns gemeinsam den Weg weiter voranschreiten, damit die Ukraine zu einem leuchtenden, zu einem positiven Beispiel für die ganze Region, für ganz Mittelosteuropa wird! Das hilft uns ganz entscheidend beim Zurückdrängen dieser russischen Aggression. Danke schön.