- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Urteil vom 16. Dezember 2021 hat das Bundesverfassungsgericht den verfassungsrechtlichen Rahmen dahin gehend abgesteckt, dass niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Diese Feststellung begrüße ich hier außerordentlich. Was das Gericht mit seinem Urteil allerdings nicht getan hat, ist, die Ex-post-Triage zu thematisieren. Insofern ist es, gelinde gesagt, merkwürdig, dass die Bundesregierung bei einer gesetzlichen Regelung zur pandemiebedingten Triage einen Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot konstruiert. Sie haben mit Ihrer Kommunikation wieder mal sehr viel Porzellan zerschlagen, indem Sie die Betroffenen nicht beteiligt haben.
Beifall bei der CDU/CSU)
Es wäre der Sache dienlich gewesen, wenn Sie im Vorfeld der heutigen Debatte die Einschätzung von Fachjuristen eingeholt hätten. Es wäre der Sache auch dienlich gewesen, wenn Sie vorher mit den Leuten aus der notfall- und intensivmedizinischen Praxis gesprochen hätten. Und es wäre der Sache dienlich gewesen, wenn Sie auch die Menschen mit Behinderung eingebunden hätten in diesen Prozess.
Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den deutschen Notfallambulanzen und auf den Intensivstationen, wo tagtäglich tragische und belastende Entscheidungen getroffen werden, herrschen höchste fachliche und ethische Standards. Diese gilt es jetzt gesetzlich zu verankern. An dem Thema Ex-post-Triage, das behinderte wie nicht behinderte Menschen gleichermaßen betrifft, haben Sie sich vorbeigemogelt.
Das stimmt doch gar nicht!)
Wenn man sie zulässt, birgt das natürlich Gefahren; wenn nicht, natürlich auch.
Die Überlebenswahrscheinlichkeit lässt sich bei vielen Patienten erst nach einem intensivmedizinischen Behandlungsversuch verlässlich abschätzen. Beim Ausschluss der Ex-post-Triage entfällt diese Möglichkeit.
Können Sie sich mal einigen in der Union? Ich glaube, Sie haben Diskussionsbedarf!)
Außerdem wären bei einem starken Zustrom schwerkranker Intensivpatienten und Infektionspatienten die Intensivkapazitäten auf absehbare Zeit vollständig ausgelastet. Dadurch hätten später eintreffende Patienten – auch mit anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen; und die gibt es nun mal auch noch, Herr Minister – eine deutlich verringerte Chance auf eine Intensivbehandlung.
Glücklicherweise kam es in Deutschland auch zu Hochzeiten der Pandemie zu keiner Triage. Dennoch brauchen wir einen wirksamen und umsetzbaren Schutz vor Diskriminierung. Wir brauchen auch die Handlungsfähigkeit der Ärzte, damit diese über die Zuteilung dieser knappen Ressourcen fundiert und gerecht entscheiden können.
Liebe Kollegen, die Triage ist nicht nur ein Thema der Pandemie. Es kann uns auch in anderen Lebenssituationen treffen. Daher verdient dieses Thema einen ganzheitlichen Ansatz.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Beifall bei der CDU/CSU)