Sehr geehrter Herr Präsident! Ich habe mich als Erstes gefragt, welche Rechte denn die Union an dem Buch hat. Also, eine bessere PR-Veranstaltung zwei Tage nach Erscheinen dieses Buches kann man im Grunde genommen gar nicht haben. Ich danke aber den Unionskollegen und ‑kolleginnen sehr für die Gelegenheit, diese Skandalakte Cum-ex und Cum-cum heute noch mal aufzurollen. Dabei ist die Fixierung auf den Bundeskanzler Olaf Scholz als Oppositionsreflex der Union natürlich sehr nachvollziehbar. Allerdings sollten wir nicht darauf reinfallen. Wir müssen durchaus noch weitere Hintergründe und Verantwortlichkeiten dieses Skandals benennen. Dabei wird klar, dass die Union besser nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen sollte; manchmal ist auch der Blick in den Spiegel durchaus angebracht. Worüber wir reden, ist jetzt vielfach ausgeführt worden. Noch unter dem damaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ereignete sich der größte Steuerbetrugsskandal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Gauner haben sich viele Milliarden Euro durch sogenannte Cum-ex- und Cum-cum-Betrügereien vom Fiskus, also von uns allen, erschlichen. Erschreckenderweise war das BMF unter seinem damaligen Minister erst in den Jahren 2012 und 2016 nach jahrelanger Untätigkeit zu dem Entschluss gekommen, dem Betrug ein Ende zu setzen. So wurden 2012 Cum-ex-Geschäfte verboten, und noch einmal vier Jahre später folgte dann ein Verbot von Cum-cum-Geschäften. Alleine durch diese Verzögerung sind Schätzungen zufolge nochmals mehrere Milliarden Euro für den deutschen Fiskus verloren gegangen. Alle Beteiligten und der politisch verantwortliche Finanzminister wussten also spätestens seit 2011, dass Betrügereien im Milliardenbereich liefen, und dennoch vergingen bis zu fünf Jahre, bis der Geschäftemacherei ein Riegel vorgeschoben wurde. Seit vielen Jahren beschäftigen wir uns nun im Parlament mit der Aufarbeitung der damaligen Fehlerketten. In den Regierungsjahren der Großen Koalition war an dieser Stelle leider wenig Enthusiasmus zu erkennen. Die in die Opposition gewechselte Union scheint aber endlich bereit zu sein, auch die eigene unrühmliche Verantwortung für den Jahrhundertbetrug an den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern aufzuarbeiten. Selbstverständlich gehört dabei auch die Frage nach Verantwortlichkeit auf allen Ebenen auf den Tisch. Das Parteibuch darf dabei einer lückenlosen Aufklärung nicht im Wege stehen. Nur durch vollständige Transparenz bei allen Beteiligten kann verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückgewonnen werden. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz muss diesem Anspruch gerecht werden und darüber aufklären, was er wann wusste und was er genau wann getan hat. Dasselbe gilt aber selbstverständlich auch für den ehemaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble und die jeweils verantwortlichen Fachminister auf Landesebene. Ich freue mich sehr über den offenkundigen Willen der Union, auch diese für sie sicherlich eher unbequemen Fragen endlich anzugehen. Dasselbe gilt aber auch für den Bundeskanzler. Mit seinen bisherigen Ausführungen zu diesem Themenkomplex hat er aus meiner Perspektive nachvollziehbar dargestellt, wie er sich in seiner Zeit als Erster Bürgermeister von Hamburg verhalten hat. Sollte es darüber hinaus allerdings Aspekte geben, die zur Aufklärung beitragen, müssen diese natürlich ebenfalls offengelegt werden. Auch Olaf Scholz selbst sollte ein großes Interesse daran haben, den Diskussionen und Verdächtigungen mit maximaler Transparenz entgegenzutreten. Die FDP-Fraktion wird dabei niemanden vorverurteilen; allerdings bekommt von uns auch niemand einen Freifahrtschein. Wir arbeiten daher sowohl im Finanzausschuss als auch in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium an der Offenlegung aller Details zum Cum-ex- und Cum-cum-Skandal. Die Akte Warburg ist dabei ein wichtiges Puzzleteil, welches durch möglicherweise weitere Beiträge von Olaf Scholz an die richtige Stelle gerückt werden sollte. Herzlichen Dank.