Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Stracke hat ja recht, wenn er sagt: Auf der einen Seite haben wir fast 2 Millionen offene Stellen und auf der anderen Seite über 2 Millionen Menschen ohne Job. – Wann also, wenn nicht jetzt, wäre der beste Moment, um möglichst viele Arbeitsuchende wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen? Denn, Herr Teutrine, in unseren 16 Jahren haben wir es geschafft, mit Hartz IV die Anzahl der Arbeitslosen zu halbieren. Das ist die Benchmark, an der Sie sich messen lassen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Genau diese Chance lässt das Bürgergeld im wahrsten Sinne des Wortes links liegen. Man erkennt es schon an Ihrem Gesetzestitel: Es geht Ihnen fast ausschließlich ums Geld, und, Herr Teutrine, wenn Sie nicht wollen, dass Fake News verbreitet werden, dann tun Sie das bitte auch nicht. Wir haben überhaupt kein Problem damit, wenn die Hartz-IV-Sätze sich in der Inflation um 50 Euro erhöhen. Aber es geht um das, was Sie drum herum machen. Denn Sie wollen nämlich nicht mehr prüfen, ob jemand die Leistung überhaupt noch wirklich braucht. Es interessiert Sie nicht mehr, ob jemand noch angemessen heizt. Es ist Ihnen egal, ob es Leute gibt, die hartnäckig gegen alle Regeln verstoßen. Das ist respektlos. Es ist respektlos gegenüber der überwältigenden Mehrheit von Arbeitsuchenden, die sich an die Regeln halten und alles dafür tun, wieder in Arbeit zu kommen. Es ist auch respektlos gegenüber allen, die mit ihren Steuern unseren Sozialstaat finanzieren. Die SPD nannte sich einst Arbeiterpartei. Aber mit diesem Gesetz geben Sie gerade die Leute auf, die etwas mehr als Hartz IV verdienen und mit ihren Steuern auch unseren Sozialstaat finanzieren. Angesichts der steigenden Energiepreise werden die Menschen mit sehr kleinen Einkommen ganz genau rechnen, ob sie nicht besser damit fahren, ihren Job an den Nagel zu hängen und stattdessen Bürgergeld zu beantragen. Arbeit muss sich immer lohnen. Wenn das nicht mehr gilt, gefährden Sie den sozialen Frieden in unserem Land. Sehr gerne. Also, wenn ich Ihnen antworten soll, muss es ein bisschen leiser sein!) Also, es ist ja interessant, zu sehen, was passiert, wenn man keine Redezeit von seiner Fraktion zugestanden bekommt. Herr Audretsch, nur weil Ihnen Kritik unlieb ist, ist das noch lange keine Hetze. Und ich finde es gefährlich unter Demokratinnen und Demokraten – und wir als Christdemokraten und Christsoziale sind stolze Demokratinnen und Demokraten, die dieses Land 70 Jahre lang geprägt haben –, uns in eine Ecke zu stellen, wo Sie wissen, dass wir definitiv nicht dorthin gehören, und damit zu versuchen, sich leidiger Kritik zu entledigen; das lassen wir Ihnen nicht durchgehen, nicht bei diesem Gesetz und bei allen anderen Debatten auch nicht. Das ist ein gefährliches Spiel, das Sie da treiben. Herr Minister, ich möchte auch auf Ihren Verweis, man dürfe Arbeitslose nicht gegen Niedrigverdiener ausspielen, zurückkommen. Das ist vollkommen richtig. Aber man kann, wie ich gerade gesagt habe, berechtigte Kritik nicht einfach vom Tisch wischen, nur weil sie Ihnen unangenehm ist. Sie müssen schon dafür sorgen, dass auch die Niedrigverdiener etwas haben. Sie könnten ja mal anfangen, dafür zu sorgen, dass mehr Netto vom Brutto übrigbleibt. Stattdessen erhöhen Sie jetzt die Krankenkassenbeiträge, und das in Zeiten, in denen der Staat an steigenden Preisen sowieso mitverdient. Das ist ungehörig. Das Allerwichtigste wäre doch jetzt, die Menschen in Arbeit zu vermitteln, anstatt sie im System zu verwalten. Und dazu fällt Ihnen ja fast nichts ein. Wir wissen aus der Forschung: Je besser Sie sich um die Menschen kümmern, je schneller Sie sich kümmern, desto eher gelingt der Sprung in Arbeit. Das heißt, mehr Personal, bessere Betreuung – das wäre jetzt wichtig. Nur, dieser Erkenntnis folgen keine Taten. Stattdessen streichen Sie 600 Millionen Euro für den Eingliederungstitel. Sie kürzen noch einmal bei der Verwaltung, um 50 Millionen Euro. Letztes Mal haben Sie es schon um 750 Millionen Euro gestrichen. Sie machen das glatte Gegenteil. Und es ist sogar noch schlimmer. In Zukunft wollen Sie sich in den ersten sechs Monaten gar nicht mehr um die arbeitsuchenden Menschen kümmern. Dabei wissen wir: Je länger die Menschen ohne Arbeit sind, desto schwerer wird es, aus dieser Situation wieder herauszukommen. Und ich weiß, dass Sie den Menschen etwas Gutes tun wollen; aber in Wahrheit schaden Sie ihnen. Das ist respektlos gegenüber den Menschen, die schon zu lange ohne Arbeit sind. Und es ist auch respektlos gegenüber den Mitarbeitern in den Jobcentern. Sie versprechen den Menschen ab jetzt eine Behandlung auf Augenhöhe. Das war schon immer richtig. Das wird jetzt aber noch schwieriger, wenn Sie den Jobcenter-Mitarbeitern gleichzeitig die Mittel kürzen. Was mich an dem Begriff „Augenhöhe“ besonders stört, ist Folgendes: Sie unterstellen, dass in den Jobcentern die Würde der Menschen missachtet wird. Das tun Sie, und das kann man in Ihrem Gesetzentwurf auch lesen. Sie legen minutiös fest, was der Jobcenter-Mitarbeiter während der Vertrauens- und Kooperationszeit alles nicht darf. In Zukunft müssen sich die Mitarbeiter mehr um Paragrafen als um die Menschen kümmern. Ich würde vorschlagen, dass Kolleginnen und Kollegen, die schon geredet haben, nicht unbedingt noch eine Zwischenfrage stellen. Werte Kolleginnen und Kollegen, bei diesem Bürgergeld stehen nicht die Menschen im Mittelpunkt, sondern die Hartz-IV-Vergangenheitsbewältigung der SPD. Sie wollen die Menschen ruhigstellen, anstatt sie zu aktivieren, um Ihr Gewissen zu beruhigen. Das hat kein Arbeitsloser verdient. Wir als Union sagen stattdessen: Wir halten am Fordern fest und müssen beim Fördern noch besser werden: durch weniger Bürokratie, damit die Mitarbeiter mehr Zeit für die arbeitsuchenden Menschen haben. Denn Hartz IV überwindet man nicht durch einen neuen Namen. Hartz IV überwindet man durch Taten, indem man die Menschen in Arbeit bringt. Fangen Sie endlich damit an!