Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland sucht händeringend nach Arbeitskräften. Die Zahl der offenen Stellen befindet sich auf einem Rekordhoch; bundesweit sind über 1,9 Millionen Stellen unbesetzt, egal wohin man blickt: in der Gastronomie, im Einzelhandel, im Handwerk, in der Industrie. Gleichzeitig suchen 2,4 Millionen Arbeitslose eine Stelle, 930 000 davon bereits seit Jahren. Aufgabe muss es jetzt sein, die Arbeitslosen deutlich besser als bisher zu den offenen Stellen zu bringen. Wir müssen alles dafür tun, möglichst viele Menschen dauerhaft in Arbeit zu bringen. Das Bürgergeld wird dieser Aufgabe nicht gerecht; es ist eine verpasste Chance, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir als Union wollen arbeitslose Menschen möglichst rasch und dauerhaft in Arbeit bringen. Dabei wollen wir das Fordern bewahren und das Fördern deutlich besser machen. Die links-gelbe Koalition will die Grundsicherung vor allem besser ausstatten. Sie will mehr Leistung, deutlich weniger Mitwirkungspflichten und weniger Vermittlung in Arbeit. Das geht vollkommen in die falsche Richtung. Wir als Union wollen, dass die Hilfe des Sozialstaats denen zuteilwird, die sich selbst nicht helfen können. Das ist auch ein Gebot der Fairness gegenüber den Steuerzahlern; denn diese sind es ja, die mit ihren Steuermitteln die Leistungen erst möglich machen. Gleichzeitig wollen wir die Grundsicherung so weiterentwickeln, dass Leistung und Lebensleistung der Hilfebedürftigen besser berücksichtigt werden. Arbeit muss sich auch in der Grundsicherung lohnen. Die links-gelbe Koalition blendet demgegenüber durch eine zweijährige Karenzzeit die Erwerbsbiografie und die Lebensleistung von Menschen aus: beim Vermögen und beim Wohnen. Das ist eine eklatante Gerechtigkeitslücke. Auch da geht das Bürgergeld in die falsche Richtung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen, dass Arbeitslose nicht zu Langzeitarbeitslosen werden. Deshalb müssen wir ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit alles dafür tun, dass die Hilfe überflüssig wird, dass Arbeitsaufnahme gelingt. Und dazu braucht es eine intensive Betreuung und Beratung und eine passgenaue Unterstützung. Wir wollen dazu ermutigen, dass sich die Potenziale entwickeln, dass neue Chancen mutig ergriffen werden, dass jeder und jedem geholfen wird, einen Platz in der Arbeitsgesellschaft zu finden, damit beruflicher Aufstieg und auch gesellschaftliche Teilhabe besser gelingen. Dazu braucht es Hilfe, nicht nur für den Betroffenen, sondern für die gesamte Familie. Hilfe aus einer Hand zusammen mit den Kommunen sorgt für größere und nachhaltigere Erfolge. Und die Jobcentermitarbeiter brauchen endlich auch mehr Zeit, um sich um den Einzelnen verstärkt kümmern zu können. Dies würde am besten gelingen, wenn man den Betreuungsschlüssel verändert. Nichts von alldem – nichts von alldem! – ist im Bürgergeld-Gesetz enthalten und wird aufgegriffen. Das Bürgergeld ist hier eine verpasste Chance bei der Integration in Arbeit. Schlimmer noch: Alle Erfahrung zeigt, dass es besonders auf die ersten Monate in Arbeitslosigkeit ankommt. Es sind die wichtigsten Monate, wenn man aus der Arbeitslosigkeit in Arbeit kommen will. Und anstatt besonders in den ersten Monaten alles daranzusetzen, um zu aktivieren, zu mobilisieren, zu motivieren, ja notfalls bei Pflichtverstößen auch mit Leistungskürzungen zu antworten, setzen Sie bei der Ampel mit einer sechsmonatigen Schonzeit – Sie nennen das witzigerweise „Vertrauenszeit“ – genau das entgegengesetzte Signal. Statt auf Motivation setzen Sie auf unverbindliche Kooperation. So kann der Weg aus Arbeitslosigkeit nicht gelingen. Der Weg zurück in Arbeit wird deshalb schwieriger, weil die Ampel die Vermittlung in Arbeit nicht verbessert, sondern sogar noch verschlechtert. Sie kürzen – nach dem Haushaltsentwurf – die Mittel der Eingliederung um 600 Millionen Euro. Das bedeutet weniger Möglichkeiten, weniger Chancen für Arbeitslose, Fuß zu fassen in Arbeit. Das ist schlicht fatal, was Sie an dieser Stelle machen. Anstatt zu kürzen, wäre es viel wichtiger, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen; denn die Flüchtlinge aus der Ukraine brauchen jetzt unsere Unterstützung. Die Mittelkürzungen der Ampel sind arbeitsmarktpolitisch falsch und integrationsfeindlich noch dazu. – Sie sind die Regierung; Sie müssen Ihre eigenen Kürzungen verantworten, Herr Kollege, und dürfen hier nicht auf die Opposition verweisen. Wir wollen beim Fördern deutlich besser werden und auf das Fordern nicht verzichten. Zur Wahrheit gehört ja, dass über 95 Prozent derer, die sich in Arbeitslosigkeit befinden, mit Pflichtverstößen, mit Sanktionen nichts zu tun haben, weil sie sich wie selbstverständlich an die Regeln halten. Die links-gelbe Koalition hat ja aktuell dafür gesorgt, dass wir im Kern ein bedingungsloses Grundeinkommen haben, und zwar bis Mitte nächsten Jahres. – Ja, hören Sie nur zu! – Das bedeutet, dass Hartz-IV-Empfänger nach der aktuellen Rechtslage jedes Arbeitsangebot, jeden Integrationskurs, jeden Deutschkurs, jede Weiterbildung folgenlos ablehnen können. – Ja, schreien Sie nur! – Es ist erstaunlich, dass die Arbeiterpartei SPD einem solchen Gesetzentwurf zustimmt, und es ist noch erstaunlicher, dass die FDP diesem Sanktionsmoratorium zugestimmt hat. Wird jetzt mit dem Bürgergeld eigentlich alles besser? Ich darf hier mal aus einem Interview mit Johannes Vogel vom 22. Juli im Deutschlandfunk zitieren: Es muss, wie vor dem Bürgergeld, die Möglichkeit der Sanktion geben in dem Ausmaß, wie das Verfassungsgericht das zulässt. Alles andere ist unfair. – Zitat Ende. Genau das ist es nicht, was Sie in diesem Gesetzentwurf machen. Sie bleiben weit hinter dem zurück, was das Verfassungsgericht in diesem Bereich zulässt. Das zeigt auch einmal: Sie bellen, und am Ende nicken Sie ab. Sie als FDP sind der Wackeldackel dieser Koalition, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das Bürgergeld geht komplett in die falsche Richtung. Es fordert nicht, es fördert nicht in dem Maße, wie es notwendig ist. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen, weil ich glaube: Dieses Gesetz kann nur besser werden, am besten mit einer Ablehnung und einer vollkommenen Neuaufsetzung dieses Gesetzentwurfs.