Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Hagedorn, die Diskussion, die wir heute führen, ist aktueller denn je. Wir haben am Wochenende die Parlamentswahlen in Italien gesehen, bei denen erneut ein Vertrauensverlust in Europa zum Ausdruck kam. Wir sehen seit Wochen und Monaten, dass in Osteuropa auf der einen Seite ein neuer Zusammenhalt entsteht, gleichzeitig aber auch Zweifel aufkommen an der Handlungsfähigkeit, an der Perspektive, die Europa geben kann. Beides zeigt, dass wir dringend Antworten geben müssen, wie wir uns die Zukunft der Europäischen Union vorstellen, und dass wir auch und gerade in den aktuellen Tagen der Krise den Blick über den Tag hinaus richten müssen. Das gilt auch und gerade für die zentrale Frage, wie der Weg in der gemeinsamen Finanz- und Haushaltspolitik nach 2024 aussehen soll, ob Europa dauerhaft zu einem realistischen Weg solider Haushaltspolitik zurückkehren soll oder ob wir zunehmend den Weg hin zu weiterer Verschuldung gehen, mit allen Konsequenzen, die das für die Stabilität der Währungsunion und damit für den Zusammenhalt in Europa hat. Das, meine Damen und Herren, gilt heute mehr denn je, weil die Diskussion um die Reform des Stabipaktes nächste Woche starten wird mit den Vorschlägen der Europäischen Kommission. Es ist entscheidend, dass Deutschland in dieser Diskussion eine konstruktive Führungsrolle einnimmt, dass die Bundesregierung sich mit Vorschlägen einbringt, mit denen wir das Signal einer Perspektive nach Italien, nach Osteuropa senden, mit denen wir deutlich machen, wie wir die Währungsunion weiterentwickeln wollen, und mit denen wir zeigen, dass das geht, sowohl mit Blick auf Solidität als auch mit Blick auf Realismus. Darum hätte ich mir gewünscht, dass es die Bundesregierung ist, die diese Diskussion ins Parlament bringt, dass Sie Ihre Vorstellungen hier im Plenum auch mit den Parteien der Opposition diskutieren. Bis heute haben Sie das nicht getan. Darum haben wir das heute auf die Tagesordnung gesetzt. Dass Sie dieses Thema nicht ins Parlament gebracht haben, ist umso erstaunlicher, als Sie diese Diskussion innerhalb Ihrer Koalition ja durchaus geführt haben und daraus ja auch Ihr Prinzipienpapier als Verhandlungsgrundlage auf europäischer Ebene entstanden ist. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Ihr Papier enthält Elemente, bei denen die Richtung im Grundsatz auch erst mal stimmt. Aber es zeigt sich leider auch hier das Muster, das sich ein bisschen durch die gesamte Finanzpolitik Ihrer Koalition zieht, nämlich dass die Ansätze im Finanzministerium zwar erst einmal in die richtige Richtung gehen, das aber dann nur so lange hält, bis Sie zu einer abgestimmten Position in der Koalition kommen müssen und Sie dann immer am entscheidenden Punkt falsch abbiegen. Darum schreiben Sie auch in Ihren Vorstellungen zur Reform des Stabipaktes erst mal gute Ansätze auf, biegen dann aber gerade an der entscheidenden Stelle falsch ab. Anstatt den präventiven Arm zu stärken – das wäre der richtige Ansatz –, wollen Sie die Verpflichtungen zum verbindlichen Schuldenabbau abschaffen; Kollegin Schäfer hat es eben noch mal bestätigt. Anstatt die Regel durch einen insgesamt stärkeren Fokus auf die Ausgaberegel durchsetzbarer zu machen, schlagen Sie zusätzliche Ausnahmen, zusätzliche Flexibilitätsklauseln vor. Sie machen das Regelwerk damit nur noch komplizierter. Und anstatt die Verfahren bei Regelverstößen zu verschlanken, gibt es überhaupt keine Vorschläge, wie die Verfahren besser und effektiver werden sollen. Darum muss man leider sagen: Auch wenn die Ansätze des Finanzministers erst mal in die richtige Richtung weisen, verwässert der Formelkompromiss, bei dem Sie auch hier mit Ihren Koalitionspartnern enden, im Ergebnis die europäischen Schuldenregeln. Er macht sie noch komplexer und damit noch weniger durchsetzbar, als sie es heute sind. Darum machen wir Ihnen mit unserem Antrag konkrete Vorschläge, zu welchen Schlussfolgerungen Sie in Ihrem Papier eigentlich hätten kommen müssen, wie man, statt die Regel zum Schuldenabbau außer Kraft zu setzen, den Abbaupfad realistischer ausgestalten kann und damit, gerade nach Italien beispielsweise, das Signal setzen kann, dass Realismus und Solidität zusammengehen. Wir schlagen ganz konkret vor, wie man die Verfahren verschlanken und straffen kann und damit durchsetzbarer macht, wie man die Transparenz, ob die Regeln eingehalten werden, verbessern kann. Mein herzlicher Appell, insbesondere an die Kolleginnen und Kollegen der FDP, lautet darum: Sorgen Sie dafür, dass bei der Reform der europäischen Fiskalregeln nicht nur die finanzpolitischen Ansätze stimmen, sondern ausnahmsweise auch mal das Ergebnis. Die passenden Vorschläge dazu liegen jetzt vor.