Sie jubeln mit Blick auf das EuGH-Urteil über die Unzulässigkeit eines wirksamen digitalen Fahndungsinstruments zum Schutz unserer Kinder. Sie mögen das feiern, wir tun das nicht. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte ist nicht die erste im Deutschen Bundestag zu Fragen der IP- und Verkehrsdatenspeicherung. Aber auch diese Debatte ist offenbar bitter nötig. Denn bis zum heutigen Tag werden Stunde für Stunde kinderpornografische Bilder und ekelerregende Videos hochgeladen, und zu viele Missbrauchstäter können wir nicht zur Strecke bringen. Daher will ich meine Redezeit nutzen, die Ampelbeiträge in dieser Debatte gern mit vier Hinweisen vom Kopf auf die Füße zu stellen. Erstens. Der einzige Ermittlungsansatz gegen Kindesmissbrauch ist in den meisten Fällen die IP‑Adresse der Tätercomputer. Diese wirkt wie ein Autokennzeichen im Netz, nur dass dieses Kennzeichen jeden Tag gewechselt wird. Deshalb werden wir den Missbrauch nur dann wirksam und vollständig bekämpfen können, wenn wir es schaffen, diese Adressen zu speichern. Zweitens. Lesen Sie Gerichtsurteile bitte ganz. Für uns ist die gute Nachricht: Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes aus der letzten Woche lässt genau die beschriebene Möglichkeit zur Speicherung von IP‑Adressen zu, um damit schwere Straftaten bekämpfen zu können. Ich hoffe doch, dass wir uns in diesem Hause zumindest darauf einigen können, dass es sich bei Kinderpornografie und Kindesmissbrauch genau um solche schwerste Kriminalität handelt. Da könnten Sie eigentlich klatschen – Sie tun es nicht. Daher wollen wir genau diese Möglichkeit des Urteils auch konsequent nutzen. Es ist aufschlussreich, dass weite Teile dieses Hauses gerade diesen zentralen Teil des Urteils einfach ausblenden. Wer ein Gerichtsurteil so selektiv liest, wie Sie das tun, der missbraucht einen Richterspruch für seine politische Agenda. Das ist nicht in Ordnung. Drittens. Seien Sie nicht länger Teil des Problems, sondern werden Sie Teil der Lösung. Seit weit über einem Jahrzehnt höre ich in diesem Hause von den Grünen, von der FDP, von weiten Teilen der SPD immer die gleiche Kampfrhetorik gegen die Verkehrsdatenspeicherung. Wir nehmen die Entscheidungen des Verfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ernst und arbeiten auf ihrer Grundlage an neuen Strategien zur Kriminalitätsbekämpfung. Ihnen fällt seit Jahren nichts anderes ein, als zu sagen: „Die Vorratsdatenspeicherung muss weg!“. Das ist „Muss-weg-Politik“ ohne eine Antwort, was stattdessen kommen soll. Aber doch, sehr gerne. Es ist ja ein beliebtes rhetorisches Mittel, wenn man in der Sache keine Argumente hat, ad personam zu argumentieren. Das kann man machen. Auch ich bin nicht mit allem glücklich, was wir im Innenministerium in den letzten Jahren machen konnten; denn wir hatten die ganze Zeit Koalitionspartner, die manche Dinge nicht ermöglicht haben. Sie greifen mit Ihrer Einlassung zugleich zwölf Jahre SPD- und vier Jahre FDP-Mitregierung an. Das können Sie in der Ampel diskutieren. Aber ich habe mehr Spaß daran, in der Sache zu diskutieren, und Sie hoffentlich auch. Die Anzahl von Gerichtsurteilen zu zählen – es gibt einen schönen Satz: judex non calculat –, ist noch nie ein starkes juristisches oder politisches Argument gewesen. Entscheidend ist vielmehr, dass man aus einem Urteil die richtigen Konsequenzen zieht. Das setzt allerdings voraus, dass man es liest, und zwar vollständig. Ich könnte jetzt eine Reihe von Randziffern des Urteils zitieren; aber vielleicht reicht der fettgedruckte Teil. Das ist vielleicht auch einfacher aufzunehmen, wenn Teile der Ampel schon mit einem zweiseitigen Antrag von uns überfordert sind. Der dritte Spiegelstrich bei den Schlussfeststellungen besagt eindeutig, dass zur Bekämpfung schwerer Kriminalität natürlich eine IP‑Adressen-Speicherung möglich ist. Wir bewegen uns hundertprozentig auf der Grundlage des Urteils. Auch wir haben in der Fraktion mit Richtern gesprochen, mit Europarechtsexperten. Die Sache ist glasklar: Diese Möglichkeit besteht. Sie wollen sie nicht nutzen. Dann sagen Sie offen: Wir wollen sie nicht nutzen. – Das kann man politisch wollen. Die rechtliche Möglichkeit ist da. Wir wollen sie nutzen. Das ist keine Frage des rechtlichen Könnens, sondern des politischen Wollens. Und diese Entscheidung muss hier in diesem Parlament getroffen werden, meine Damen und Herren. Wenn ich fortfahren darf, Frau Präsidentin. – Kommen Sie mir bitte auch nicht immer wieder mit dem Ablenkungsmanöver Quick Freeze. Dadurch würde eben nichts verbessert. Es nützt halt nichts, sozusagen den Gefrierschrank erst heute zu befüllen, wenn Sie für die Tataufklärung die IP‑Adresse von letzter Woche brauchen. Sie halten mit diesem Thema der Öffentlichkeit hier seit Jahren bloß einen Pappkameraden hin. Einfrieren, meine Damen und Herren, können Sie damit allenfalls Ihr eigenes schlechtes Gewissen. Viertens. Reden Sie bitte mit Praktikern! Dass es gar nicht so schwer ist, auf einen konstruktiven Kurs umzuschwenken, zeigt Ihnen doch Ihre eigene Bundesinnenministerin. Das zeigen übrigens auch – das ist eben dankenswerterweise gesagt worden – Ihre eigenen Landesinnenminister. Die Hälfte aller Landesinnenminister sind SPD-Innenminister, und auch die sind der Auffassung IP‑Adressdatenspeicherung ist nicht nur möglich, sondern auch richtig. Das Gleiche sagt in einem bemerkenswerten Interview Ihr SPD-Fraktionskollege Herr Fiedler; er gehört dem Rechtsausschuss an. Eigentlich komisch, dass er heute in der Debatte nicht sprechen darf. Er ist zumindest da. Schön, dass Sie da sind – tolles Interview –, und Sie sind unserer Auffassung; dafür ganz herzlichen Dank. Die Innenministerin fordert inzwischen die IP‑Adressen-Speicherung, weil sie nämlich einfach mal mit Praktikern im Bundeskriminalamt gesprochen hat. Deshalb wäre es schön, wenn etwa auch der Bundesjustizminister einmal sozusagen aus dem Elfenbeinturm seines Ministerbüros herabsteigen und mit Praktikern sprechen würde. Die Strafverfolger werden ihm dann schon erzählen, um welche grausamen Realitäten es sich hier handelt und welche Instrumente – das ist der entscheidende Punkt – sie brauchen, um diese Taten wirksam bekämpfen zu können. Ich glaube, das muss man einfach akzeptieren, auf sich wirken lassen, um dann entsprechend seine Meinung zu ändern. Meine Damen und Herren, hier im Deutschen Bundestag muss die Ampel jetzt Farbe bekennen. Wollen Sie die immer noch Hunderte und Tausende von Fällen – auch wenn es weniger geworden sind – des unaufgeklärten fortgesetzten Kindesmissbrauchs einfach mit einem Achselzucken hinnehmen, oder sind Sie bereit, gemeinsam mit uns die IP‑Adressen als wirksame Waffe zum Schutz und zur Rettung gepeinigter Kinder einzusetzen? Das ist eine ganz einfache Frage. Mein Appell: Entscheiden Sie sich gegen Ignoranz und für Kinderschutz! Vielen herzlichen Dank.