Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! 216 Tage. 216 Tage, an denen die Ukrainerinnen und Ukrainer um ihr Leben fürchten, weil ihre Wohnhäuser, Krankenhäuser und Kindergärten bombardiert werden. Ganze Städte werden dem Erdboden gleichgemacht. Putins Truppen vergewaltigen, morden, verüben Kriegsverbrechen der brutalsten Art – und das alles mitten in Europa. Aber wir schreiben heute auch Tag 216, an dem sich die Ukrainerinnen und Ukrainer gegen diese brutale Bedrohung zur Wehr setzen. Sie kämpfen für ein Leben in Frieden und Freiheit. Das nötigt uns großen Respekt ab, meine Damen und Herren. Die Ukrainerinnen und Ukrainer wollen nicht im System Putin leben. Sie wollen nicht in einem System Putin leben, das keine freie Presse kennt. Sie wollen nicht in einem System Putin leben, das keine freien und unabhängigen Wahlen kennt. Und sie wollen nicht in einem System Putin leben, in dem man verhaftet wird, wenn man ein weißes Blatt Papier gen Himmel streckt. Die Menschen in der Ukraine wollen all das nicht. Daher kommt ihre unglaubliche Motivation; deshalb kämpfen sie diesen ungleichen Kampf. Bei den Gesprächen während meines Besuchs in Charkiw, in Kramatorsk, in Slowjansk wurde immer wieder eine Sache sehr, sehr klar: Das wirksamste Mittel, um den russischen Vormarsch aufzuhalten, ist eine deutliche Intensivierung und Beschleunigung von Waffenlieferungen an die Verteidiger. – Sprechen Sie gerne mit den Ukrainerinnen und Ukrainern, machen Sie es einfach! – Ich bin daher sehr dankbar, dass diese Bundesregierung ihre sicherheitspolitischen Prioritäten neu gesetzt hat und dass wir hier gemeinsam daran arbeiten, diese Zeitenwende umzusetzen, meine Damen und Herren. Spätestens seit dem gemeinsamen Antrag zur Lieferung von schweren Waffen vom 28. April besteht darüber hier im Haus auch eine breite politische Einigkeit. Ich möchte mich daher an dieser Stelle bei allen bedanken, die diese Einigung vom 28. April mitgetragen haben: bei der SPD, bei den Grünen, bei den Freien Demokraten, aber auch bei der oppositionellen Union. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich möchte mich Ihrem Antrag von heute zuwenden. Sie fordern hier mehr Transparenz bezüglich der Abgabe von sensitivem militärischen Material. Ich hoffe, dass für Sie das Internet kein Neuland ist. Sie können nachlesen, was die Bundesrepublik abgegeben hat, weil es auf der Webseite der Bundesregierung steht. Das gilt auch für viele weitere Punkte in Ihrem Antrag, die bereits umgesetzt sind. Die Bundesregierung engagiert sich in Ringtauschvereinbarungen mit Griechenland und der Slowakei. Schnellstmöglich werden so Schützen- und Kampfpanzer – postsowjetisches Gerät – zur Verfügung gestellt. Der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard, Stinger-Raketen und demnächst auch das IRIS‑T-Luftverteidigungssystem: Alles wird geliefert; alles das ist unterwegs. – Alle diese Punkte können Sie streichen. Artilleriesysteme sind bereits seit Monaten sehr erfolgreich in Aktion. Auch das scheint an Ihnen vorbeigegangen zu sein. Erst letzte Woche wurden vier zusätzliche Panzerhaubitzen nebst Munition zugesagt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ausgebildet wird in Deutschland seit Monaten. Diese Ausbildung, zum Beispiel an den Panzerhaubitzen, muss fortgesetzt werden. Beim Thema Munition liefert Deutschland alle Kalibergrößen, unter anderem auch die Vulcano-Artillerie-Munition mit gesteigerter Reichweite. Das können Sie alles nachlesen. Seit der Veröffentlichung sparen Sie sich auch den Weg zur Geheimschutzstelle. Das war Ihnen laut Antrag auch sehr wichtig. Auch dieser Punkt hat sich erledigt. Die Koalition hat einen Sonderstab Ukraine eingesetzt, der sich in enger Abstimmung mit dem BMVg befindet. Damit ist auch dieser Punkt Geschichte. Radarsysteme, zum Beispiel COBRA, kommen aus Beständen der Bundeswehr. Das alles ist nachlesbar – auch zu den 50 gepanzerten Waffensystemen Dingo. Aufklärungsmittel, Schutzausrüstung, Gewehre, Panzerabwehrwaffen: Ich könnte das hier endlos fortsetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein sehr ernstes Thema, über das wir heute reden. Menschen sterben, Menschen werden verwundet. Das verlangt auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema und nicht diesen Antrag, den Sie uns hier vorlegen. Wir haben heute den 28. September 2022, und Sie legen uns hier einen Antrag vom 21. Juni 2022 vor. Wir diskutieren ja gerade die Regierungserklärung vom 22. Juni 2022. Das wird der Ernsthaftigkeit des Themas nicht gerecht. Deswegen fordere ich Sie auf: Nehmen Sie sich des Themas „Putins Krieg gegen die Ukraine“ ernsthaft an – in den Anträgen, die Sie hier vorlegen, aber auch in den Ausführungen, die Sie machen –, und werfen Sie nicht Kriegsflüchtlingen „Sozialtourismus“ vor! Dann wäre uns allen hier, glaube ich, schon geholfen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.