- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist gut, dass wir heute miteinander diese Debatte zum Kurzarbeitergeld führen. Wir müssen darüber sprechen. Ich will aber alle darauf hinweisen, dass wir, wenn die Verordnungsermächtigungen in Kraft treten, an diesem Ort in der nächsten Zeit keine Debatten mehr zu diesem Thema haben werden. Ich werde das bedauern.
Zuruf des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Völlig klar ist: Das Kurzarbeitergeld unterstützte unsere Wirtschaft, unseren Arbeitsmarkt während der Coronaeinschränkungen wirklich enorm. Es gab keine Massenarbeitslosigkeit, die Arbeitgeber konnten ihr qualifiziertes Personal halten. Aber das ließen wir uns als Gesellschaft auch eine Menge kosten. Der frühere BA-Vorsitzende Detlef Scheele hat die Gesamtkosten auf 46 Milliarden Euro insgesamt während der Coronazeit geschätzt. Das bedeutet, die Kassen sind nicht nur leer, sie sind mehr als leer. Wir werden natürlich die Frage stellen, woher das Geld in Zukunft kommen soll.
Die Situation heute ist aber in keiner Weise mit der Situation während Corona zu vergleichen. Erst gestern war ich im Gespräch mit Handwerkern in Dresden. Ich bin mir sicher, Sie alle führen solche Diskussionen bei sich in Ihren Wahlkreisen, aber ich will sie trotzdem zusammenfassen: Diese Handwerker, diese Mittelständler sind in einem festen Klammergriff aus Inflation, aus steigenden Energiepreisen, aus steigenden Lohnkosten und aus Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel. Diese Kombination ist neu!
Deswegen machen wir auch diese Entlastungspakete und Hilfen!)
Jeder einzelne dieser Faktoren hat mehrere Ursachen. So viel gehört zur Wahrheit aber auch dazu: Jede einzelne dieser Ursachen wurde durch die Politik dieser Bundesregierung in den letzten Monaten noch verstärkt.
Das Kurzarbeitergeld wurde ursprünglich konzipiert – Herr Beeck, Sie hatten das angeführt –, um zeitweilige Nachfrageausfälle zu überbrücken. Es ist nicht geschaffen als Ausgleich für das gleichzeitige Auftreten von enormen Kostensteigerungen, Lieferkettenproblemen und Nachfragerückgang. Es ist kein Instrument, welches auf Dauer angelegt ist. Und die Energiepreise werden in den nächsten Monaten nicht sinken, und zwar aus unterschiedlichen Gründen.
Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das Problem ist, der Krieg in der Ukraine dauert nun länger als sechs Monate. Es war doch nun wirklich absehbar, in welche Situation wir in diesem Herbst hineinlaufen werden. Wir als CDU/CSU haben das in den vergangenen Monaten doch oft im Ausschuss angesprochen: Das Kurzarbeitergeld muss zielgenauer und gerade auch für den Mittelstand gestaltet werden.
Genau!)
Jetzt bekommen wir aber einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem dasselbe System einfach weitergeführt wird. Ich muss schon sagen: Deutschlands Arbeitnehmer und Arbeitgeber hätten da schon etwas mehr Aufmerksamkeit verdient. Hier hat das BMAS „kurzgearbeitet“. Weder BMAS noch die BA versuchen, überhaupt Alternativen zu skizzieren. Wer im Gesetzentwurf beim Punkt „Alternativen“ sucht, der findet als einzige Alternative, den Gesetzentwurf nicht zu verabschieden. Ich finde, da machen Sie es sich wirklich ein bisschen einfach.
Wie kann denn das Kurzarbeitergeld für Dauerbelastungen weiterentwickelt werden? Ich gebe da mal einige Anregungen:
Die Abrechnung muss vereinfacht werden. Die BA schiebt einen riesengroßen Berg an Bescheiden vor sich her.
Das wissen wir doch!)
Das bringt Unsicherheiten in die Unternehmen. Es kann doch nicht sein, dass eine Unternehmerin über drei Jahre nicht sicher sein kann, ob sie einen gegebenen Zuschuss überhaupt als solchen verbuchen kann. Ich muss auch sagen: Die betreffenden BA-Mitarbeiter wären an anderer Stelle besser eingesetzt.
Sagen Sie das mal Ihren Kollegen im Rechnungsprüfungsausschuss!)
Wir brauchen einen besseren Bezug zur konkreten Unternehmensrentabilität. So können wir mehr Genauigkeit und weniger Gießkanne ermöglichen.
Insgesamt kann auch am Kurzarbeitergeld nicht vorbeigehen, dass sich die Arbeitswelt massiv verändert hat. Hier ließe sich doch auch mal etwas Neues wagen, sodass Arbeitskräfte nicht während des Kurzarbeitergeldbezugs nahezu vollständig dem Arbeitsmarkt entzogen sind.
Sind sie doch gar nicht!)
Aber am wichtigsten wäre in der aktuellen Situation, dass die Bundesregierung rasch zielgenaue Unternehmenshilfen umsetzt. Das Entlastungspaket der Bundesregierung vernachlässigt nicht nur die Wirtschaft insgesamt; nichts davon, was Sie versprochen haben, haben Sie bislang auch wirklich auf den Weg gebracht.
Beifall bei der CDU/CSU)
Und jetzt machen Sie einfach das Naheliegende und verlängern rasch das Kurzarbeitergeld.
Aber ich sage Ihnen: Damit alleine werden Sie die Probleme der Unternehmen nicht einmal ansatzweise lösen.
Zuruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dazu müssen Sie die wirklichen Ursachen der Probleme unserer Unternehmen bekämpfen, und das bedeutet: Senken Sie den Strompreis und damit auch den Gaspreis, indem Sie rasch die verfügbaren Kraftwerkskapazitäten erhöhen und nicht vermindern.
Beifall bei der CDU/CSU)
Verzichten Sie auf die Gasumlage. Setzen Sie jetzt rasch Hilfen für energieintensive KMU auf, so wie Sie es für Großunternehmen bereits gemacht haben.
Kommt doch!)
Ergänzen Sie das durch Kredite für Unternehmen. Und – ganz wichtig – verzichten Sie auf den Ausbau der Grundsicherung durch das Bürgergeld.
Das ist echt unglaublich!
Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie werden hier der Wirtschaft in einer beträchtlichen Größenordnung Arbeitskräfte entziehen, und das ist das Letzte, was das Land momentan braucht.
Beifall bei der CDU/CSU
Das ist doch unglaublich!
Quatsch!)
Also zusammenfassend: Das Kurzarbeitergeld –
Herr Kollege Reichel, das müssen Sie jetzt in einem Satz machen.
– ist unter bestimmten Bedingungen ein hervorragendes System, um den Arbeitsmarkt zu stützen. Sie als Koalition sind jetzt aber in der Pflicht, durchdachte Konzepte für eine Verbesserung der Unternehmenshilfen vorzulegen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Beifall bei der CDU/CSU
Schon mal was von Existenzminimum gehört? Bundesverfassungsgerichtsurteil! Lesen bildet!)
Das Wort hat der Kollege Frank Bsirske für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)