Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anders als die Kollegin Schröder war ich im Sommer leider nicht wandern. – Ja, das ist schade; aber ich habe die Wochen dafür genutzt, um mit Studenten, mit Studentenvertretern ins Gespräch zu kommen. Ein Satz ist mir dabei ganz enorm im Gedächtnis geblieben, und zwar der Satz: Krise ist mehr als nur Jobverlust. – Lassen Sie den Satz ruhig mal sacken. Denn genau da ist nämlich der Schwachpunkt in Ihrem Notfallmechanismus, den wir heute diskutieren. Der greift nämlich erst genau dann, wenn es erhebliche Nachfrageeinbrüche auf dem Arbeitsmarkt gibt, und das heißt explizit nicht in der aktuellen Situation, in der die Lebenshaltungskosten und die Energiepreise immer weiter steigen. Das bedeutet: Wir sprechen heute über ein Instrument, welches in den kommenden Monaten, wo es ganz hart wird für unsere Studenten, überhaupt keine Rolle spielen wird. Schlimm genug! Jetzt haben Sie heute hier mehrfach ausgeführt, dass Sie ganz viele andere Maßnahmen beschlossen haben, um die Studenten in der Krise zu unterstützen, einen ganzen Haufen Maßnahmen: zum Beispiel die Heizkostenpauschale, die aber nur die BAföG-Empfänger bekommen, nicht die anderen, oder die Einmalzahlung von 200 Euro, von der Sie aber nicht wissen, wie sie ausgezahlt werden soll, geschweige denn, wann sie endlich ausgezahlt werden soll. Man hört ja: Der Plan ist: am 1. Januar. Eins kann ich Ihnen an der Stelle jetzt schon mal sagen: Nächstes Jahr wird es definitiv deutlich zu spät sein für die vielen Studenten, die heute ja schon nicht wissen, wie sie sich am Ende des Monats Lebensmittel oder dergleichen kaufen sollen. Es ist beschämend, was Sie hier auf dem Rücken der Studenten austragen und abliefern. Beschämend! – Ja, ich weiß schon, Sie haben so viel für die Studenten getan. Sie haben zwei BAföG-Novellen allein schon in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht. Sie haben eine dritte angekündigt, während wir nur eine Novelle innerhalb von vier Jahren auf den Weg gebracht haben. Aber soll ich Ihnen an der Stelle mal ein Geheimnis verraten? Wir haben nebenher auch noch etwas bei ein paar anderen Themen gemacht. Bei Ihnen ist da bislang absolute Fehlanzeige. Davon abgesehen ist Qualität besser als Quantität, und an Qualität mangelt es an der Stelle deutlich. Jetzt schauen wir uns zum Beispiel diesen aktuellen MLP Studentenwohnreport an. Der ist gestern veröffentlicht worden. – Jetzt schreien Sie halt nicht so rum! Hören Sie halt zu! – Der MLP Studentenwohnreport, der gestern veröffentlicht worden ist, bescheinigt einen dramatischen Anstieg der Mieten der Wohnungen für Studenten. Sie sind um bis zu 18,5 Prozent verteuert. Wir erinnern uns mal gemeinsam an die Debatte zur letzten BAföG-Novelle. Da haben Sie den Wohnzuschlag für auswärts wohnende Studenten um 10 Prozent erhöht. Es gab eine Erhöhung um 10 Prozent bei um 18,5 Prozent verteuerten Wohnungen. Mal in die Runde gefragt: Haben Sie eine Ahnung, in wie vielen deutschen Hochschulstädten man sich mit diesem Wohnzuschlag überhaupt noch eine Durchschnittsmiete leisten kann? Haben Sie eine Ahnung? Zwei. Es sind genau zwei deutsche Städte. Es ist schlichtweg nicht ausreichend, was Sie hier abliefern. Dass Sie das BAföG erhöht haben, ja, das war richtig, das war dringend nötig in der Situation, in der wir sind; aber die 5,75 Prozent Erhöhung der Bedarfssätze sind halt von der Inflation leider auch schon wieder aufgefressen. Genau deswegen hat auch das Deutsche Studentenwerk als Reaktion auf den Studentenwohnreport geschrieben, dass der Mietanstieg für Studenten eine – Zitat – „existenzbedrohende soziale Notlage“ bedeutet. Da sind wir ja wieder genau bei dem Begriff „Notlage“, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber es ist halt leider die falsche Notlage an der Stelle. Deswegen jetzt noch mal zu Ihrem Notfallmechanismus. Wir haben im Juli dazu eine öffentliche Anhörung gehabt. In der haben die Sachverständigen durchaus lobende Worte für den Mechanismus an sich, dafür, dass es ihn geben soll, gefunden, aber eben auch deutliche Kritik geäußert, zum Beispiel an dem mehrstufigen Verfahren, das es im Vorfeld braucht. Deswegen ist jetzt die Frage: Haben Sie sich im Sommer mal hingesetzt und die Kritik angenommen? Bei der Kollegin Schröder wissen wir es: Sie war wandern. Aber nein, auch der Rest hat es nicht getan. Haben Sie die angemahnten Änderungen am Mechanismus umgesetzt? Nein, das haben Sie nicht getan. Werden die internationalen Studenten, die Auslands-BAföG beziehen, berücksichtigt? Nein, auch die werden nicht berücksichtigt. All diese Dinge aus der Anhörung haben Sie nicht berücksichtigt. Da kommt bei uns die Frage auf: Wo stehen denn die Studenten überhaupt in Ihrer Prioritätenliste? Ganz oben sicherlich nicht. Ich würde nicht einmal mehr sagen: im Mittelteil. Tragisch ist auch, dass die vielen Auszubildenden und, nach dem letzten Tagesordnungspunkt, den wir hatten, offenbar auch die Schüler nicht mehr da zu finden sind. Es ist ein Armutszeugnis. Die jungen Menschen in Deutschland haben echt was Besseres verdient als ein Ministerium, das sich gerne „Chancenministerium“ nennt, – – den jungen Menschen aber jegliche Chance verwehrt, dass sie ohne massive Einschnitte durch die Krise kommen. Deswegen – letzter Satz – appelliere ich an Sie: Setzen Sie die jungen Menschen in Deutschland dahin, wo sie hingehören, ganz oben auf Ihre Prioritätenliste, weil Krise, wie schon am Anfang gesagt, mehr ist als nur ein Jobverlust.