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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Haseloff, dass Sie heute an dieser Debatte teilnehmen, dass Sie sie auch mitgeprägt haben.
Ein paar Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag werden noch sprechen. Aber die Dramatik, die Herr Bundesminister Habeck geschildert hat, die aber auch Sie geschildert haben, ist real. Wir stehen vor einem großen exogenen Schock für die deutsche Volkswirtschaft. Wir haben eine Bedrohungslage, was die Arbeitsplätze betrifft. Aber viel wichtiger: Es gibt eine militärische Bedrohungslage in der Ukraine durch den russischen Angriffskrieg, der – Sie haben es ausgeführt – seit gestern noch einmal eine neue Dimension erreicht hat.
Wladimir Putin zieht uns in diesen Krieg hinein, indem er versucht, uns wirtschaftlich zu erpressen,
Das macht die Regierung schon allein!)
indem er – er allein – entschieden hat, dass Deutschland wegen seiner Abhängigkeit von russischem Gas erpresst wird.
Sie haben doch Sanktionen beschlossen!)
Wir als Bundesregierung haben in den letzten Monaten Vorsorge getroffen, indem wir die Gasspeicher wieder unter unsere Kontrolle gebracht haben und sie vor allen Dingen gefüllt haben. So können wir die Energieversorgungssicherheit in Deutschland gewährleisten und werden auf keine Gasmangellage zusteuern, sodass wir der Ukraine nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich, aber auch politisch helfen können. Ich glaube, dass das unser aller Verantwortung hier im Deutschen Bundestag sein sollte.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich möchte einen Punkt herausgreifen, den Herr Ministerpräsident Haseloff eben genannt hat. Es ging um die Wertschöpfungsketten in Deutschland, aber auch um die chemische Industrie. Ja, wir werden es bei den privaten Verbrauchern durch sehr hohe zusätzliche Abrechnungen in den nächsten Monaten, was die Gas- und Strompreise betrifft, mit Einschnitten zu tun haben. Einige fühlen sich auch ohnmächtig ob der Höhe. Unsere Aufgabe ist es, denjenigen zu helfen und sie zu unterstützen, die über geringe Einkommen und vor allen Dingen über keine Rücklagen verfügen, sodass sie ihr Leben weiterleben können, und zuzusehen, dass sowohl das soziale als auch das wirtschaftliche Leben in Deutschland Bestand hat.
Wir sind ein wirtschaftlich starkes Land, das industriell geprägt ist und auch weiterhin industriell geprägt sein soll. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Unternehmen Angebotsbedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen, auch weiterhin hier zu produzieren. Dazu hat der Wirtschaftsminister das Nötige gesagt. Ich finde, was er gesagt hat, war nicht nur unterstützenswert, sondern auch richtig, weil es um eine Übergangszeit geht. Der Preis für Gas ist derzeit politisch getrieben. Er ist irre, vor allen Dingen, was die Höhe betrifft. Aber er wird nicht auf Dauer so hoch bleiben. Das heißt, wir müssen für die Übergangszeit über Hilfsmaßnahmen, über Stützungen, aber auch, indem wir insgesamt die Angebote ausweiten, alles tun, damit wir die wirtschaftliche Substanz in Deutschland erhalten.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es geht um eine Selbstermächtigung des Deutschen Bundestages, sich nicht Wladimir Putin vor die Füße zu werfen und schon gar nicht die Ukraine in ihrem Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung aufzugeben, sondern wir wollen sie unterstützen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP
Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Das hat viel mit Vertrauen zu tun.
Herr Ministerpräsident Haseloff, ich sage Ihnen das ganz offen: Ich bin Ihnen sehr dankbar für die vertrauensvolle Zusammenarbeit in den letzten Wochen über die Parteigrenzen hinweg. Das ist nicht selbstverständlich. Ich sage das auch in Richtung Unionsfraktion. Es ist nicht selbstverständlich, aber es ist notwendig in einer Krisensituation.
Ich will das am Beispiel von Schwedt festmachen. Schwedt hat eine besondere Bedeutung für Ostdeutschland. In Schwedt kommt Erdöl über die Druschba-Pipeline an. Viele Ostdeutsche haben gemeinsam mit Arbeitern und Arbeiterinnen aus der Sowjetunion am Bau mitgearbeitet. Darin steckt viel Tradition und natürlich auch viel Herz. Aber es ist auch klar, dass Wladimir Putin nicht davor zurückschrecken wird, so wie das Gas auch das Öl abzudrehen. Aus diesem Grund mussten wir Vorsorge treffen, um unabhängig zu sein und um für Schwedt, aber auch den wichtigen Industriestandort Leuna weiterhin die Erdölversorgung zu sichern.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP
Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Ich bin den Kommunalpolitikern, der Bürgermeisterin, der Betriebsratsvorsitzenden von PCK Schwedt sehr dankbar. Wir haben ein großes Paket geschnürt, Herr Wirtschaftsminister. Ich bedanke mich auch bei Michael Kellner, der dort die Taskforce geleitet hat. Nicht alles, was wir in den letzten drei Monaten intern vorbereitet hatten, konnten wir öffentlich erklären, weil viele Dinge letztendlich Vertrauen, aber auch Verschwiegenheit brauchen. Die hat es gegeben, und wir können Ihnen heute eine Lösung präsentieren, über die Sie als Bundestag entscheiden werden. Ich bitte sehr um Ihre Unterstützung.
Es ist ein Milliardenprogramm für drei wesentliche Standorte. Für den Erhalt und den Umbau der Raffinerie in Schwedt gibt es die Zusage, dass niemand entlassen wird und dass wir die Pipeline vom Hafen Rostock nach Schwedt ertüchtigen werden. Das wird zu 100 Prozent vom Bund bezahlt, sodass wir in zwei Jahren eine voll funktionsfähige Leitung haben werden und dieser Standort gesichert, aber auch die Erdöl- und Kerosinversorgung in Ostdeutschland und auch in Westpolen gewährleistet ist. Das ist der eine Punkt.
Wir gehen aber weiter – und da sehen Sie die Schwerpunktsetzung dieser Bundesregierung auf Ostdeutschland. Es geht nicht nur um den Substanzerhalt, nicht nur um die Sicherung der Arbeitsplätze. Nein, es geht um die Transformation weg von fossilen Brennstoffen, weg von Putins Gas und Öl, aber auch von anderen Energiequellen, die wir letztendlich teuer bezahlen müssen. Ich möchte, dass wir selbst in Deutschland diese Werte schaffen. Deswegen ist der Ausbau der erneuerbaren Energien so zentral.
Gerade Ostdeutschland ist dabei absoluter Vorreiter. Das Land Brandenburg deckt bereits heute seinen Energiebedarf zu 95 Prozent über erneuerbare Energien.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich will aber auch sagen, dass ich den Kumpels bei der LEAG in der Lausitz und bei den anderen Braun- und Steinkohleunternehmen dankbar bin, die jetzt, obwohl sie feste Zusagen hatten, im Rahmen der Transformation zum Beispiel in ein Unternehmen der Deutschen Bahn zu wechseln und dort einen Arbeitsplatz anzunehmen, zur Sicherung der Energieversorgung in Deutschland bleiben und dafür sorgen, dass wir weiterhin Strom haben und dieses Land bestehen kann. Vielen herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen dort!
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Gyde Jensen [FDP])
Wir haben dieses Programm auch nicht nur auf den Standort Schwedt, der ein hervorragender ist, beschränkt. Es kommen noch große Industrieflächen hinzu, die bisher im Eigentum von PCK waren, wo das Land, die Stadt Unternehmen ansiedeln will, die im Bereich erneuerbare Energien Arbeitsplätze schaffen. Es war der Eigentümer Rosneft, der das bisher verhindert hat, der dafür gesorgt hat, dass es eine Restauration, aber letztendlich keine Fortentwicklung gab. Wir sorgen jetzt dafür, dass es nach vorne geht, dass diese Industrieflächen auch industriell genutzt werden können. Deswegen sage ich hier sehr deutlich: Ich bin mir ganz sicher, dass wir auf mittlere Sicht zukünftig mehr Arbeitsplätze in Schwedt haben werden als zum heutigen Tag.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich bin auch dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sehr dankbar, dass sie sich engagiert dafür eingesetzt hat, dass wir den Hafen Rostock als Infrastrukturhub für die Erdölversorgung in Schwedt und ganz Ostdeutschland nutzen können. Und ich bin sehr dankbar für die Vorarbeiten, aber auch die Unterstützung, die es seitens des Wirtschaftsministeriums gibt, dass wir diesen Hafen zu einem Energiehafen ausbauen, damit er nicht nur ein Erdölhafen ist. Mit Millionenbeträgen fördern wir dort zukünftige Elektrolyseanlagen. Aber auch das Steinkohlekraftwerk soll umgebaut werden zur Erzeugung erneuerbarer, grüner Energien, die dafür sorgen, dass dieser Energiehafen Ostdeutschland mit Wasserstoff versorgen wird. Es ist wichtig, dass wir diesen und auch den Hafen Lubmin auf Vordermann bringen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, verbinde ich zum Abschluss noch mal mit Sachsen-Anhalt – einem Land, das in den vergangenen Jahrzehnten schwere Strukturbrüche hinter sich hat, das es geschafft hat, auch dank Ihrer Unterstützung, Herr Haseloff, und der anderer Kolleginnen und Kollegen im Landtag, einen neuen Weg einzuschlagen.
Sie haben hier über die Intel-Ansiedlung gesprochen. Intel gibt es dort noch nicht. Aber was es derzeit gibt, ist eine starke chemische Industrie, sowohl im Raum Zeitz, sowohl in Bitterfeld als natürlich auch am Standort Leuna. Da sind bis zu 15 000 Arbeitsplätze entstanden, hochmodern und hocheffizient. Ich sage Ihnen zu, dass wir alles tun werden, dass diese Arbeitsplätze erhalten werden können und dass wir auch dauerhaft diese Industrien in Deutschland halten.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, vielen Dank für die Zusage, dass sich die Länder an diesem Paket insgesamt mit beteiligen. So, glaube ich, kommen wir durch diese Krise.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)