Guten Morgen, Herr Präsident! Der Herr Spahn hat öfter nicht mitbekommen, dass es einen Wechsel gegeben hat. Also grämen Sie sich nicht! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken. Herr Spahn, wir sehen es Ihnen nach, dass Sie, weil Sie ja in den letzten Jahren einen anderen Schwerpunkt hatten, nicht so ganz auf der Höhe der Zeit sind, was diese Debatten angeht. Der Stresstest hat ja gerade ergeben, dass die Verlängerung der Laufzeit dieser drei AKWs keinen signifikanten Beitrag zur Senkung der Strompreise bringt. Also, wenn Sie ihn schon als ideologisches Blendwerk verdammen, dann werfen Sie doch wenigstens vorher einmal einen Blick auf die Ergebnisse. Überhaupt ist es schon interessant, wie die konservative Seite des Hauses mit den Anbiederungsversuchen der Ewiggestrigen umgeht. Ich habe das sehr genau beobachtet, als die verschiedenen Reden gehalten wurden. Die Reaktion war irgendwas zwischen Versteinerung und fast unverhohlener Zustimmung. Wenn Sie von Ideologiefreiheit und Pragmatismus sprechen, dann gebe ich Ihnen recht. Aber wie können Sie dann alle Argumente, die ein sorgfältig durchgeführter Stresstest erbracht hat, vom Tisch wischen? Und wie können Sie dann unverhohlen, über jegliche aktuellen Entwicklungen hinweggehend, die Rolle rückwärts ins Atomzeitalter proklamieren? Das ist doch Ideologie, meine Damen und Herren. Es gibt Meldungen von Sicherheitslecks. Das beeinflusst offensichtlich die Haltung der Union und die Haltung der Bayerischen Staatsregierung nur wenig. Wer ist denn hier ideologisch unterwegs? Diejenigen, die sachlich um Lösungen ringen, orientiert an den Ergebnissen aus dem Stresstest, für dessen sorgfältige Durchführung man sich Zeit genommen hat, oder Sie, die jede Sicherheitsbedenken einfach übergehen und sagen: „Na ja, das war ja sowieso nicht meldepflichtig“? – Na ja, was ist denn passiert in Bayern? Schauen wir uns das doch einmal an. Welche Rolle spielt denn die bayerische Atomaufsicht? Welche Rolle spielt die Staatsregierung? Und welche Rolle spielt der TÜV Süd in diesem doch bemerkenswerten Vorgang? Wir haben erfahren, dass PreussenElektra in den letzten Tagen – wohlgemerkt; irgendwann letzte Woche – die deutsche Atomaufsicht darüber benachrichtigt hat, dass es eine „interne Ventilleckage“ gibt; so ist die Formulierung. Das ist natürlich nicht sicherheitsrelevant. Aber wenn man den Reaktor länger betreiben möchte als bis zum 31. Dezember, dann muss man ihn noch im Oktober herunterfahren. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Fragen. Was ist denn das für ein Gebaren? Ich bin ja kein Ingenieur, aber gab es nicht einen Besuch von einem gewissen Ministerpräsidenten Markus Söder, seinem Energieminister Hubert Aiwanger, dem für die Atomaufsicht in Bayern zuständigen Umweltminister Thorsten Glauber – und ich glaube, auch die Sonnenbrille von Herrn Merz dort gesehen zu haben – bei genau ebenjenem Kernkraftwerk Isar 2? Wurde denn da nicht über Sicherheitsfragen diskutiert? Man hat ja am 4. August eine Pressekonferenz gegeben. Und es gibt ein Schreiben vom TÜV Süd, der übrigens viele Millionen Euro mit der Aufsicht über die bayerischen Atomkraftwerke verdient hat. In diesem Schreiben des TÜV Süd, der sehr schnell zu der Auffassung gekommen ist, wurde sogar der Weiterbetrieb von sechs Atomkraftwerken gefordert. Also: Was ist denn da los in Bayern? Was ist denn da los? Kann man denn diesen Herren wirklich vertrauen, wenn es um eine Hochrisikotechnologie wie die Kernenergie geht? Jetzt will die Bayerische Staatsregierung nichts davon gewusst haben. Wir wurden am Montag in den Medien darüber informiert. Wer hat denn die bayerische Atomaufsicht, und wie geht man denn mit so einer Hochrisikotechnologie um? Ich würde ja gar nichts sagen, wenn es keine Meldung gegeben hätte. Aber wenn man sich vorher schon hinstellt und sagt: „Mia san mia, wir wissen alles besser, und wir lassen die Atomkraftwerke – und zwar sechs an der Zahl – einfach weiterlaufen“, dann passt das alles doch nicht zusammen, meine Damen und Herren. Es bleiben Fragen – viele Fragen –, die wir gut beantworten müssen, zum Beispiel, ob wir diese Hochrisikotechnologie weiter in den Händen dieser Herren sehen wollen. Die gleichen Herren übrigens, die in Bayern die Energiewende nicht vorangetrieben haben; ich würde sogar sagen: an die Wand gefahren haben. Ich sage nur: Die 10‑H-Regel gibt es immer noch. Die Übertragungsnetze, für die Sie zuständig sind, werden bei gutem Verlauf vielleicht nach dem Kriegsende fertig sein. Das sind die Fakten, das ist die Realität. Der Ministerpräsident Markus Söder stellt sich hin und sagt: „Wir sind ein führendes Land der Energiewende“, und es funktioniert nichts. Denn ein Ergebnis dieses Stresstests ist: Das Worst-Case-Szenario besteht darin, dass wir in Bayern Netzschwankungen haben. Warum haben wir denn Netzschwankungen? Weil wir nicht genug Kapazitäten aufgebaut haben, um unsere Energieversorgung selber zu sichern. Stattdessen müssen wir die Energie aus dem Norden Deutschlands importieren, und dafür fehlen die Übertragungsnetzwerke. Da schließt sich der Kreis. Solche Herren geben uns kluge Ratschläge; darauf können wir verzichten, übrigens auch auf die großherzigen Angebote der Zusammenarbeit. Wir wissen, was wir davon zu halten haben, Herr Spahn. Vielen Dank.