Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 207 Tagen hat der Bundeskanzler nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Zeitenwende verkündet, eine Zeitenwende, die in der Energiepolitik bislang nur unzureichend angekommen ist. Verbraucher, Kommunen, Unternehmen – alle sparen Energie, wo es nur geht. Die Bundesregierung ist weltweit als Bittsteller unterwegs auf der Suche nach zusätzlicher Energie. Aber das Naheliegende soll nicht getan werden? Zu einer Neubewertung der Kernenergie fehlt dieser Bundesregierung, wenn es um SPD und Grüne geht, offensichtlich der Wille, und, wenn es um die FDP geht, die Kraft, sich in dieser Bundesregierung durchzusetzen. Am 7. März, vor 198 Tagen, haben das Wirtschafts- und das Umweltministerium diesen fehlenden Willen schriftlich dokumentiert. Es wurde uns ein sogenannter Prüfvermerk vorgelegt mit dem Ergebnis, dass die Kernenergie bei der Bewältigung der Energiekrise in Deutschland überhaupt keine Rolle spielen kann und soll. In Wahrheit war es doch so, meine Damen und Herren: Das war kein Prüfvermerk, sondern eine, wie wir jetzt wissen, in wenigen Tagen schnell zusammengestellte Auflistung aller Gegenargumente. Das hätte wirklich jeder Praktikant in Ihren Ministerien genauso machen können. Seither ist viel Zeit, zu viel Zeit vergangen, eine lange Zeit, die nicht genutzt wurde, um den Weiterbetrieb vorzubereiten, eine lange Zeit, die nicht genutzt wurde, um neue Brennstäbe zu beschaffen. Sie haben nicht das Notwendige getan, um uns vor einer drohenden Strommangellage und einem Blackout in diesem Winter zu bewahren. Stichwort „Stresstest“. Ein halbes Jahr nach diesem sogenannten Prüfvermerk hat Minister Habeck sich dann endlich ein Stück weit korrigiert und das Konzept der Einsatzreserve für lediglich zwei der drei Kernkraftwerke vorgeschlagen. Aber auch heute noch weiß keiner wirklich, was genau das sein soll. Wie es technisch funktionieren soll, ist völlig offen. Die ernst zu nehmenden Bedenken der Betreiber werden von Minister Habeck einfach abgetan. Wie das alles rechtlich geregelt werden soll, ist auch völlig offen. Das für die nukleare Sicherheit zuständige Ministerium von Frau Lemke hat zwischendurch erklärt, die erforderlichen Änderungen seien im Atomgesetz vorzunehmen. Nun heißt es diese Woche: Im Atomgesetz werden lediglich wenige Randbedingungen geregelt. – Was denn nun? Sie hatten monatelang Zeit, solche Fragen zu klären. Noch einmal: Sie haben zu viel Zeit verschwendet, anstatt schlichtweg Ihre Arbeit zu machen und uns auf alle Szenarien vorzubereiten. Für diese Bundesregierung ist lediglich klar, wann die Einsatzreserve geregelt werden soll, nämlich auf jeden Fall nach dem 9. Oktober, nach der Landtagswahl in Niedersachsen. Was für ein durchschaubares politisches Spiel zulasten der Energieversorgungssicherheit, zulasten eines klaren rechtlichen Rahmens, zulasten der Stromkunden, zulasten der Glaubwürdigkeit von Politik und insbesondere auch zulasten der Glaubwürdigkeit von Deutschland in Europa, meine Damen und Herren! Welches Signal senden wir denn aus, wenn wir uns in der aktuellen Krisensituation den Luxus leisten, Kapazitäten vom Netz zu nehmen, gleichzeitig aber europäische Solidarität in Energiefragen einfordern? Kohlestrom aus Polen, Atomstrom im Winter aus Frankreich und gleichzeitig eigene Kernkraftwerke abschalten – das ist doch wirklich absurd, meine Damen und Herren. Wir schlagen Ihnen heute konkret die Änderung des Atomgesetzes vor. Denn das Atomgesetz ist das passende und seit über 60 Jahren bewährte, immer weiter fortentwickelte Regelwerk. Wir schlagen eine Verlängerung des befristeten Betriebs der drei noch laufenden Kernkraftwerke um zwei Jahre, also wie auch von der FDP als Partei beschlossen, bis Ende 2024 vor: kein Ausstieg vom Ausstieg, sondern befristete Weiternutzung, solange es schlichtweg notwendig ist. – Ich habe es Ihnen gerade gesagt: bis 2024. – Dann muss geprüft werden, wie die Situation ist. Das macht die Bundesregierung. Also, wenn Sie so lange durchhalten, können Sie es machen. Aber es geht ja darum, das Notwendige zu tun und nicht Ihren ideologischen Träumen nachzuhängen. Es geht um unzählige Kilowattstunden Strom, die uns Sicherheit geben, was unsere Versorgung anbelangt, und die natürlich auch zu sinkenden Strompreisen führen werden. Wir bekennen uns zum massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Die allein werden uns aber eben nicht durch diesen und den kommenden Winter bringen. Meine Damen und Herren, insbesondere liebe Abgeordnete von der FDP, in genau 100 Tagen ist Samstag, der 31. Dezember 2022. Da erlischt die Berechtigung zum Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2, nämlich dann, wenn diese Bundesregierung nur diskutiert, anstatt zu handeln. Deshalb rufe ich Sie auf: Die Entscheidung ist überfällig. Tun Sie das in der Energiekrise einzig Vernünftige! Nutzen Sie alle Optionen, die Deutschland in dieser prekären Lage zur Verfügung hat! Stimmen Sie mit uns für die Änderung des Atomgesetzes zur vorübergehenden Weiternutzung der drei Kernkraftwerke!